Luxus in Berlin: Eine Mauer gegen Kinderlärm
Fünf Meter hohe, schmucklose Schallschutzwände werden gerade in Dahlem hochgezogen. Sie sollen die Bewohner des Luxusbauprojekts „Fünf Morgen“ an der einstigen Truman-Plaza vor dem Lärm von Kindern und Jugendlichen schützen. Denn unmittelbar vor dem Wohnprojekt befindet sich eine Jugendfreizeiteinrichtung mit Skateboardanlage und auch eine Kita mit 110 Kindern, die gerne draußen spielen. Ein Bikepark der Jugendeinrichtung wird sogar auf drei Seiten von Mauern umstellt, eine Wiese mit Bolzplatz durch eine weitere Mauer geteilt und der Zugang zur Kita verengt. Aufgebrachte Anwohner ziehen bereits Parallelen zur Berliner Mauer und sprechen von einer „Vorder- und Hinterlandmauer“, wie Kita-Leiterin Anne Pallada berichtet.
„Diese Baumaßnahme ist unverhältnismäßig, kinderfeindlich und ungerecht“, sagt ein wütender Vater von zwei Kindern. So würden Kinder und Jugendliche von den Freizeitflächen vertrieben. Für ebenfalls angrenzende Wohnhäuser seien seinerzeit keineswegs solch riesige Lärmschutzwände errichtet worden.
Bemerkenswert ist in der Tat, dass der „Mauerbau von Dahlem“ nicht auf dem Privatgrundstück des Investors Stofanel stattfindet, sondern auf bezirkseigenen Flächen davor. Das Unternehmen Stofanel, das in Prenzlauer Berg auch die abgeschottet wirkende Townhouse-Siedlung Marthashof errichtet hat, trägt die Baukosten.
Norbert Schmidt (CDU), der zuständige Baustadtrat von Steglitz-Zehlendorf, sah keinen anderen Weg. „Städtebaulich ist das nicht die Ultima Ratio“, räumt er ein. Aber er habe mit dem Bau der hohen Lärmschutzwand vor allem Klagen von Bewohnern gegen die Skateboardanlage abwenden wollen. Die sei nämlich ganz schön laut. „Das haben Messungen eines Lärmakustikers ergeben“, sagt Schmidt. Wenn jemand klage, kämen Kosten auf den Bezirk zu, dann müsste die Anlage ganz aufgegeben werden.
Investor zeigt auf Bezirk
Mit Klagen wegen Lärmbelästigung muss man in Berlin offenbar verstärkt rechnen, in Pankow zum Beispiel verhinderte ein Anwohner mit seiner Klage gerade, dass Vereine die neue Turnhalle an der Grundschule im Hasengrund ab 16 Uhr nutzen dürfen.
In Dahlem dürfen Kinder und Jugendliche die Außenbereiche der Jugendfreizeitanlage ohnehin nur bis 20 Uhr nutzen. Doch die neuen Bewohner haben sicher einige Ansprüche an ihr künftiges Wohnumfeld: In der neuen Wohnanlage samt Privatsee werden Quadratmeterpreise von 3 850 Euro für eine Eigentumswohnung verlangt. Das Unternehmen Stofanel wirbt übrigens mit einem englischen Slogan, der übersetzt „Lebensqualität ohne Kompromisse“ bedeutet.
Wieso wurden keine Lärmschutzwände für die angrenzenden Wohnungen in den alten Kasernen und die Neubauten errichtet? Bestandsschutz, sagt Baustadtrat Schmidt, für die erst nach der Wende gebauten Wohnhäuser hätten noch andere Bestimmungen gegolten. Kita-Leiterin Pallada wirft dem Bezirk und Stofanel vor, die betroffenen Jugendlichen nicht hinreichend einbezogen zu haben. „Das ist jugendpolitisch skandalös.“ Der Stadtrat entgegnet, an der fünf Meter hohen Mauer würde, wie von Jugendlichen angeregt, eine Kletterwand eingerichtet, und das Bauwerk werde an einigen Stellen begrünt.
Der Investor Stofanel teilte in einer Stellungnahme mit, dass der Bezirk eine Lärmschutzwand gefordert und zur Bedingung für die Erteilung einer Baugenehmigung gemacht habe. Bereits im vergangenen Jahr hatten Bezirk und Investor für Verärgerung unter den Anwohnern gesorgt, weil kein Schulneubau eingeplant worden war. „Berlin wird wachsen, die Zahl der Kinder wird steigen, da muss man bei Bauprojekten immer mitbedenken“, sagte ein Sprecher der Senatsjugendverwaltung.