Marzahn-Hellersdorf: „Ihre Mail wird ungelesen gelöscht“
Gleich mal vorweg: Das Bezirksamt von Marzahn-Hellersdorf teilt mit: Alles ist gut! Es wurde gar nichts gelöscht! Für die Bearbeitung Ihrer Anfragen stehen wir jederzeit zur Verfügung!
Diese – sinngemäß zitierte Botschaft – gibt die Berliner Zeitung im Interesse der Bevölkerung (nicht nur) von Marzahn-Hellersdorf natürlich gerne weiter. Aber der Anlass ist eigentlich deutlich interessanter.
Es gibt nämlich einen Stadtrat im Bezirk, Stephan Richter (SPD), zuständig ausgerechnet für Bürgerdienste. Der verabschiedete sich kürzlich für drei Wochen in den Urlaub und hinterließ unter seiner persönlichen Dienst-Mail eine automatische Abwesenheitsnotiz, die folgendermaßen lautete: „Meine Damen und Herren, ich bin in den nächsten Wochen in Urlaub. (...) Ihre Mail wird ungelesen gelöscht.“ Es folgen einige Ausführungen zur These, dass tagelanges Lesen alter Mails furchtbar aufhalte, dann schließt Herr Richter, von der Ausbildung her Jurist, mit den Worten: „Ich bitte Sie daher, Ihre E-Mail ab dem 15. 07. 2013 erneut zu senden, da ich sie ansonsten nicht wahrnehmen werde.“
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Das geht so natürlich gar nicht, denn Behörden dürfen ihre Posteingänge nicht einfach vernichten, was auch Richters Bezirksamtschef, Bürgermeister Stefan Komoß (SPD), einräumt. „Das Löschen von E-Mails ist nicht erlaubt“, sagte er am Dienstag. Das gilt übrigens auch für persönliche Postfächer wie das von Richter, das nicht für den Publikumsverkehr vorgesehen ist. Komoß verweist auf die „Gemeinsame Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung“, die in Paragraf 29 vorschreibt, dass elektronische Postfächer mindestens einmal am Tag durchzusehen sind.
Der Bürgermeister sorgte daher dafür, dass die Antwortmail des Genossen Stadtrats abgeändert wird – unter anderem mit einem Verweis auf seine Vertretung, an die man sich bei Bedarf wenden könne. Seit Dienstag kommt die Abwesenheitsnotiz ohne Löschandrohung aus.
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Allerdings war die Sache da schon publik. Denn die spektakuläre Lösch-Notiz hatte im Bezirksamt längst die Runde gemacht und war auch irgendwie an die BILD-Zeitung geraten, die einen Artikel überschrieb mit der Zeile: „Dreister Stadtrat lässt alle E-Mails ungelesen löschen.“
Das ist nun allerdings falsch, denn gelöscht wurde tatsächlich keine einzige Mail, wie Richter der Berliner Zeitung erklärte. So richtig stolz ist er nicht mehr auf seine selbst verfasste Antwortmail, doch habe er ein Zeichen setzen wollen. „Ich wollte eine Debatte anstoßen“, sagte Richter, „allerdings nur intern.“ Denn es sei für jeden Mitarbeiter, nicht nur für ihn, einigermaßen furchtbar, nach dem Urlaub erst einmal Tausende von Mails auf Relevantes durchzustöbern. Der Erholungseffekt sei binnen Stunden dahin. Bei Daimler in Stuttgart etwa, zitiert Richter aus einem anderen BILD-Bericht, hätten Chefs und Betriebsrat vereinbart, dass Mails im Urlaub gelöscht werden können. „Das wäre auch meine These“, sagt Richter. Der Stadtrat will sich am kommenden Montag noch einmal an die Bevölkerung wenden, per Presseerklärung. Bis dahin hat er noch Urlaub.