Massives Problem: Jeder fünfte Unfallverursacher in Berlin begeht Fahrerflucht

Berlin - Es sind tragische Geschichten, wie die eines 63-jährigen Mannes: Anfang des Jahres wird er auf der Allee der Kosmonauten (Marzahn) beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst. Er bleibt schwer verletzt liegen, der Unfallfahrer flüchtet.

Oder es ist die Geschichte eines jungen jungen Mannes, der an einem Sonnabend Ende April in Friedrichshain einfach nur feiern gehen möchte und in der Kopernikusstraße schwer angefahren wird. Er bricht sich bei dem Crash die Wirbel, das Auto fährt einfach weiter.

Fahrerflucht (auch Unfallflucht) ist in Deutschland ein Problem, das nicht in den Griff zu bekommen ist. Auch wenn die Anzahl der schweren Unfälle zurückgeht: 1991 gab es noch 440.000 schwere Unfälle in der Bundesrepublik. Die Fahrerflucht-Quote lag bei 8,3 Prozent.
Heute ist die Technik besser, es passiert weniger, doch immer mehr rasen davon: 2016 gab es nur 130.000 schwere Unfälle. Die Quote der Unfallflucht stieg auf 10,6 Prozent.

Die Aufklärungsquote sinkt

Das Problem ist in den Großstädten massiv: In Berlin machten sich sogar 22,8 Prozent der Autofahrer nach einem Crash einfach aus dem Staub. Allerdings werden hier auch leichte Zusammenstöße wie beim Parken mitgerechnet. Nach den Zahlen der Verkehrsunfallstatistik krachte es 2016 in Berlin gut 140.000 Mal. Rund 32.000 Mal fuhr der Fahrer davon. Die Zahlen gehen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich nach oben.

Die Aufklärungsquote sinkt dagegen. 2005 lag sie in der Hauptstadt noch bei 48 Prozent, aktuell sind es knapp 41 Prozent. Berlin zählt zu den traurigen Spitzenreitern, nur in Frankfurt am Main, München, Stuttgart und in Düsseldorf brausen noch mehr Autofahrer nach einem Unfall davon.

Der Berliner Verkehrspolizist Andreas Tschisch versucht zu erklären: „Die Verkehrsdichte nimmt zu, wir sind eine wachsende Stadt. In einer kleineren Stadt kennen sich alle, auch anhand der Nummernschilder. In einer Millionenmetropole schützt die Anonymität.“

CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici (48) vermutet, dass die Polizei das Problem Fahrerflucht nicht ernst genug nimmt, da es sich um aufwendige Schäden von Privatpersonen handelt.

Zu wenig Parkplätze für gestresste Autofahrer

Hinter vorgehaltener Hand hört man diesen Satz häufiger. „Die Aggressivität steigt, wenn man beim Ausbau des Verkehrs nur auf das Fahrrad setzt, die Verkehrsflächen und Parkflächen verkleinert und Ampelschaltungen umstellt“, so Friederici. Ein klarer Angriff auf Rot-Rot-Grün.

Der ADAC Berlin meint, dass es zu wenig Parkplätze für gestresste Autofahrer gibt und erklärt den Anstieg so. Radaktivist Heinrich Strößenreuther, der mit den Grünen das neue Radgesetz auf den Weg bringt, sagt: „In Berlin gibt es diese Is’-mir-egal-Haltung und die nimmt zu.“
Die Gründe, warum einer einfach weiterfährt: Die Fahrer stehen unter Schock oder kriegen Panik. Oft haben sie aber einfach Angst um ihren Führerschein, wenn sie überhaupt einen haben. Nicht selten sind Drogen oder Alkohol im Spiel.

Dabei ist Fahrerflucht kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat: Eine Geldstrafe und drei Punkte in Flensburg gibt es immer, wenn man erwischt wird. Liegt der verursachte Schaden über 1000 Euro, wird der Führerschein entzogen.