Matthias Platzeck: Gehen oder bleiben

Potsdam - Wenn Matthias Platzeck an diesem Montag nach seinem Urlaub in die Staatskanzlei zurückkehrt, wird er auf viele fragende Gesichter treffen. Drei Wochen hat sich der Ministerpräsident an der Ostsee ausgeruht. Und anders als früher soll er wirklich abgeschaltet und die sommerlichen Regierungsgeschäfte ganz seinen Mitarbeitern überlassen haben. Doch trotz – oder gerade wegen – dieser ungewohnt langen und intensiven Pause rätseln viele in Potsdam, wie es politisch weitergeht mit dem gesundheitlich angeschlagenen Platzeck.

Im Juni hatte der 59-jährige Regierungschef einen Schlaganfall erlitten – einen leichten, wie er selbst nach mehreren Tagen der Geheimniskrämerei sagte. Eine Woche war er im Krankenhaus, hatte Probleme beim Sehen und Laufen. Nach zehn Tagen Auszeit nahm er die Amtsgeschäfte bis zum ohnehin geplanten Urlaub wieder auf.

Offen ließ Platzeck allerdings, wie und wie lange er seine unterschiedlichen Aufgaben noch erfüllen will oder kann. „Es besteht kein Anlass zu hektischen Reaktionen“, sagte er nur und kündigte an, nach dem Urlaub seine Entscheidung bekanntzugeben. Nun ist für ihn die Zeit gekommen, Klarheit zu schaffen.

„Er trifft die Entscheidung, die richtig ist“

Von einer baldigen Niederlegung aller bisherigen Ämter bis zum Abtreten erst in zwei, drei Jahren reichen die Spekulationen. Dazwischen gibt es Varianten, die Platzeck entlasten würden: Er könnte etwa den SPD-Landesvorsitz abgeben oder auch den stressigen Chefposten im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB), den er in der BER-Krise zu Jahresbeginn vom Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit übernommen hat. Doch Näheres weiß oder verrät niemand aus seinem Umfeld.

„Er trifft die Entscheidung, die richtig ist“, sagt zum Beispiel Klaus Ness, SPD-Generalsekretär in Brandenburg und Platzecks engster Vertrauter in der Partei. Die werde ihn in jedem Fall unterstützen und kümmere sich derzeit sowieso vorrangig um den Wahlkampf zum Bundestag. Die SPD und ihre Kandidaten hoffen dazu umgekehrt allerdings auch auf Hilfe des Ministerpräsidenten: Er hat, noch vor dem Schlaganfall, Auftritte in allen zehn Brandenburger Wahlkreisen versprochen. Als Zugpferd bei den Wählern im Land ist Platzeck nach wie vor unersetzlich.

Der kantige Woidke

Auch deshalb scheuen seine Mitarbeiter und politischen Partner wohl den Gedanken daran und erst recht das Reden darüber, wie sie ohne den Regierungschef dastünden. So plausibel es etwa erscheint, einen Wechsel im Spitzenamt, wenn er denn fällig wird, möglichst bald vor der Landtagswahl im Herbst 2014 zu vollziehen – offiziell sind solche Planspiele ein Tabu. Dabei stünde mit Innenminister Dietmar Woidke ein geeigneter Nachfolger in den Kulissen. Der 51-Jährige, der früher schon Agrarminister und SPD-Fraktionschef im Landtag war, hat sich in seinem jetzigen Amt zum politischen Schwergewicht entwickelt. Für seine klare Haltung gegen frühere Stasi-Spitzel bei der Polizei erhielt der Innenminister Anerkennung bis hin zur CDU, die gerne wieder mitregieren möchte.

Die Linkspartei, gegenwärtig Koalitionspartner der SPD, hätte es mit dem kantigen Woidke sicherlich weniger leicht und angenehm als mit Platzeck. Dennoch sehe die Basis die Lage entspannt, beteuert der Fraktionschef und designierte Spitzenkandidat der Linken, Christian Görke: „Die Regierungsarbeit läuft professionell“; den Zusatz „notfalls auch ohne Platzeck“ macht er nicht, aber es schwingt mit. Anlass zur Beunruhigung sieht Görke nicht. Ness räumt immerhin ein, dass nach Bekanntwerden des Schlaganfalls einige in der SPD große Sorgen um Platzeck hatten.

Ziemlich viel Krankheit

Das liegt nicht zuletzt an Vorfällen in der ferneren wie der jüngeren Vergangenheit. Als SPD-Bundesvorsitzender trat Platzeck 2006 nach nur fünf Monaten zurück wegen zweier Hörstürze und einem Herz- und Kreislaufkollaps. In diesem Frühjahr hinderte ihn eine Virusinfektion an einer Auslandsreise, im Mai sagte er seine Teilnahme am FBB-Aufsichtsrat wegen starker Rückenschmerzen ab. Für einen Politiker, der zudem allerlei Großprobleme am Großflughafen BER zu bewältigen hat, ist das ziemlich viel Krankheit in kurzer Zeit.

Dass Platzeck sich dessen bewusst ist, zeigten seine Äußerungen kurz nach dem Schlaganfall. Bevor er sich in den Urlaub verabschiedete, erinnerte er zwar daran, dass er ja „bis Herbst 2014 gewählt“ sei. Er bekräftigte jedoch, nur dann wieder als Ministerpräsident kandidieren zu wollen, „wenn ich mich gesundheitlich in der Lage fühle“. Mitsprache haben dabei seine zweite Ehefrau und vielleicht die Töchter aus erster Ehe.

Einer aber, der bei der Abwägung eine Rolle spielen könnte, kann noch nicht mitreden: Sein Enkel, Ende 2011 geboren. Platzeck ist nicht nur Politiker durch und durch, sondern auch Familienmensch. Die Entscheidung wird ihm das kaum leichter machen.