Mauergedenkstätte Bernauer Straße: Der Todesstreifen als Museum
Mit Wohlgefallen lässt Axel Klausmeier seinen Blick über den heute grünen, zu DDR-Zeiten geharkten früheren Todesstreifen längs der Bernauer Straße gleiten. Der Direktor der Mauergedenkstätte sieht Pulks von Touristen aus aller Herren Länder, viele Schulklassen und Gruppen von Jugendlichen, bei deren Geburt die Berliner Mauer längst Geschichte war.
Hier, auf dem 1,4 Kilometer langen Gelände der Gedenkstätte, wird sie wieder in Erinnerung gebracht, mit wenigen Original-Mauerresten, mit vielen großen Schwarz-Weiß-Fotos aus den Jahren 1961 bis 1989 an den benachbarten Häuserwänden, mit Ton- und Videodokumenten, die auf Knopfdruck die Zeit der Teilung Berlins lebendig werden lassen. Und mit rostbraunen Informationsstelen und in den Boden eingelassenen Hinweistafeln, die auf relevante Ereignisse aus der Zeit des Mauerbaus verweisen.
Das Informationsbedürfnis des Publikums scheint die Gedenkstätte zu treffen, die Zahl der Besucher stieg von gut 300.000 im Jahr 2008, die in der begleitenden Ausstellung gezählt wurden, auf jetzt rund 850.000, die auf dem gesamten Areal statistisch erfasst wurden – obwohl es noch nicht ganz fertig ist.
Klausmeier übergab jetzt den vorletzten Abschnitt Bernauer/Ecke Schwedter Straße der Öffentlichkeit. Der ist Zeitungslesern und TV-Zuschauern weltweit durch zwei Fotomotive bekannt: das der damals 58-jährigen Ida Siekmann, die sich am 21. August 1961 aus dem Fenster ihrer Wohnung auf der Ostseite der Bernauer auf den im Westteil gelegenen Gehweg abseilen will und dabei aus dem dritten Stock tödlich abstürzt.
Und das Bild des ersten Berliner Mauersegments, das an der Eberswalder Straße in der Nacht zum 11. November 1989 aus der Vorderlandmauer herausgehoben wird und damit den Anfang vom Ende des „antifaschistischen Schutzwalls“ markiert.
Ereignis-Orte schaffen
Wie die anderen Abschnitte der Gedenkstätte nimmt auch der jetzt eröffnete Bezug auf solche authentischen Orte und Themen. So kann der Besucher die heutige Situation im Gelände anhand der gezeigten Fotos und Karten schnell identifizieren. Thematisiert wird in dem neuen Abschnitt auch, welche Bedeutung die Teilung für die West-Berliner Bevölkerung hatte, die 1961 ohnmächtig zusehen musste, wie die SED sie mit Stacheldraht und Betonsperren von Verwandten und Freunden im Ostteil abschnitt.
Denen konnten die West-Berliner von Podesten aus zuwinken, die im Wedding an der Mauer aufgestellt wurden. Erinnert wird aber auch an Anschläge, die wütende West-Berliner auf die Mauer verübten. 1962 sprengte ein West-Polizist ein Loch in die damals noch provisorische DDR-Sperranlage.
Das Konzept der Gedenkstätte sieht vor, dass man diese Ereignis-orte auf dem früheren Postenweg der DDR-Grenztruppen erreicht, der großteils erhalten parallel zur Bernauer Straße verläuft. Bis auf rund 60 Meter wurde dieser Plan realisiert, indem das Land Berlin in langwierigen Verhandlungen und mit Millionenaufwand privaten Grundstückseigentümern deren Teilstücke des Postenweges abkaufte oder eine Nutzung vereinbarte.
Bei drei Grundstücken gelang das bislang nicht, dort blockieren die Eigentümer mit Zäunen den historischen Lehrpfad. Klausmeier hofft aber, die Betreffenden noch umstimmen zu können, unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass die öffentliche Hand den Erhalt des Weges und die Pflege des begleitenden Grünstreifens garantiert.
Die Bereiche, auf die das Land Berlin Zugriff auf den Postenweg hat, sollen bis zum Herbst ganz fertiggestellt werden. Zum Jubiläum des Mauerfalls am 9. November wird außerdem eine neue Dauerausstellung zur Teilung im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte eröffnet. Insgesamt sei man im Zeit- und Kostenplan, sagt Direktor Klausmeier nicht ohne Stolz. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die die Gedenkstätte mitfinanziert und am 9. November die Ausstellung eröffnet, wird das gern hören.