Mehr Power für Elektroautos: So viele neue Ladesäulen soll Berlin bekommen
Bislang ging der Ausbau der Infrastruktur für die E-Mobilität nur langsam voran. Ab sofort wollen die Berliner Stadtwerke Tempo machen. Das ist ihr Plan.

Die Zahl der Elektroautos steigt – auch in Berlin. Doch im Vergleich dazu geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur gemächlich voran. Jetzt soll er endlich spürbar an Tempo gewinnen. Am Mittwoch haben die Berliner Stadtwerke bekräftigt, dass sie das Netz massiv ausbauen wollen. Zu den rund tausend Ladepunkten in der Verantwortung des Landes sollen in den kommenden Jahren circa 1800 hinzukommen. Aber das ist noch nicht alles, sagte Norbert Juchem, der bei den Stadtwerken für dieses Zukunftsthema zuständig ist. Während der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität im Roten Rathaus stellte er die Pläne vor – und die Hürden, die er und seine Leute überwinden müssen.
Elektrische Bahnen und elektrische Fahrräder: Das sind die vorherrschenden Formen der E-Mobilität. Doch elektrische Autos, Nutz- und Kleinstfahrzeuge gewinnen an Bedeutung, berichtete Gernot Lobenberg, Chef der Agentur für Elektromobilität. So seien in Berlin rund 46.000 batteriebetriebene und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge zugelassen, in Brandenburg seien es circa 20.000. Nicht zu vergessen die 138 Elektrobusse der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), deren Zahl bis zum Jahresende auf 228 steigen soll. Hinzu kämen 4500 E-Mopeds, 24.000 E-Scooter, 11.000 Sharing-Fahrräder und 2000 Sharing-Elektroautos. In Berlin gebe es rund 30 Sharing-Anbieter – Rekord in Europa.
„Mehr als jedes fünfte Fahrzeug, das neu zugelassen wird, fährt elektrisch“
Im Vergleich zu 2020 habe sich die Zahl der Elektrofahrzeuge in Berlin fast verdoppelt, sagte Wirtschaftssenator Stephan Schwarz am Mittwoch. „Mehr als jedes fünfte Fahrzeug, das neu zugelassen wird, fährt elektrisch“, freute sich der parteilose Landespolitiker. Allerdings dominieren gewerblich genutzte E-Fahrzeuge, deren Anteil fast 60 Prozent erreicht. Entsprechend niedrig ist die Quote der privaten E-Mobile.
„Ein Problem ist die fehlende Ladeinfrastruktur“, analysierte Schwarz. Zwar gebe es in Berlin inzwischen knapp 1850 Ladepunkte, die öffentlich zugänglich sind. „Doch das ist zu wenig.“ Der Senator hofft, dass die landeseigenen Berliner Stadtwerke mehr Dynamik in das Thema bringen. Das Unternehmen beginnt Mitte Juli damit, die öffentliche Ladeinfrastruktur des Landes zu übernehmen. 523 Ladesäulen, die bisher von der Firma Allego betrieben werden, mit insgesamt knapp tausend Ladepunkten gehen bis Ende August in die Verantwortung der Stadtwerke über.
Batterien an Laternen aufladen – „Heinz“ macht es möglich
Norbert Juchem und sein Team gehen nun daran, das Netz bis 2030 massiv auszubauen. In dieser Zeit sollen bis zu 1800 weitere öffentliche AC/DC-Ladepunkte hinzukommen, hieß es. Außerdem werde es in Berlin an tausend Straßenleuchten die Möglichkeit geben, die Akkus von Elektroautos aufzuladen. „Heinz“: So heißen die Laternenladepunkte, die das Berliner Unternehmen Ubitricity in diesem Sommer an zunächst 200 Stellen in Betrieb nehmen möchte. Auch andere private Betreiber erweitern die Ladeinfrastruktur. Sie planen rund 1360 Ladepunkte ebenfalls im öffentlichen Raum sowie knapp 300 Ladepunkte auf öffentlich zugänglichen Privatgrundstücken, berichtete Juchem.
Bei seinem Vortrag im Roten Rathaus zeigte der Mann von den Stadtwerken einen Plan von Berlin, auf dem viele farbige Punkte prangen – vor allem in der Innenstadt, aber auch in Außenbereichen wie Adlershof und Spandau. Grüne Punkte deuten auf mögliche neue Standorte für Ladesäulen hin, rote Punkte auf Schwierigkeiten. So schlank die Stromtankstellen auch sind, sie dürfen und können nicht überall aufgestellt werden.
Der Planer nannte ein Beispiel: „Wir hatten schon rund hundert Standorte geplant, als wir erfuhren, dass ein Teil der betroffenen Straßen für das geplante Fahrradvorrangnetz vorgesehen ist.“ Noch gebe es dort am Rand Abstellmöglichkeiten für Autos. Doch die Parkplätze könnten wegfallen, wenn die Straßen tatsächlich zu Fahrradrouten ausgebaut werden. Damit waren die Planungen für die Ladesäulen-Standorte plötzlich Makulatur.
Wenn ein Standort gefunden und bestätigt worden ist, seien die Herausforderungen noch nicht vorbei. Planungen, Anträge für Genehmigungen und Bundeszuschüsse, schließlich der Bau und der Anschluss ans Netz summierten sich zu einem großen Arbeitspensum. Förderbescheide ließen oft auf sich warten, in Bezirksämtern fehle Personal. Aus diesen Gründen mussten die Berliner Stadtwerke ihre Zukunftspläne halbieren: Statt neuen 3600 Ladepunkten werden nun bis zu 1800 avisiert. Ziel sei es, noch im zweiten Halbjahr 2022 Genehmigungen für 80 neue Standorte zu bekommen, sagte Juchem.
Power für den Akku: In jedem Bezirk mindestens eine Schnellladestation
Die Ladestationen der Kategorie AC/DC haben eine Leistung von elf Kilowatt. Es braucht also einige Zeit, bis die Akkus geladen sind. Außerdem gibt es gerade in dicht bebauten Zentrumsbereichen nicht genug Platz auf den Straßen, um so viele Ladesäulen aufzustellen, wie sie tatsächlich benötigt werden. Deshalb wollen die Berliner Stadtwerke auch Schnellladestationen bauen. Pro Bezirk sind jeweils ein oder zwei Schnelllade-Hubs mit je acht bis zwölf HPC-Ladepunkten vorgesehen. Die Buchstaben stehen für High Power Charger mit 150 Kilowatt. Unterm Strich kommen dadurch rund 200 öffentliche Ladepunkte dazu.
„Die Schnellladestationen werden aussehen wie eine Benzin-Tankstelle“, sagte Norbert Juchem. „Sie gehören zur Daseinsvorsorge des Landes für Stadtgebiete, in denen der erwartete Bedarf mit anderen Säulen nicht gedeckt werden kann.“ Bereits im kommenden Jahr werden die Berliner und ihre Gäste wie die Nachfolger der guten alten Tankstelle aussehen. Ende 2023 sollen die ersten zwei oder drei Schnellladestationen in Berlin gebaut werden, kündigte Juchem an.