Meine Woche: Rosa, Lila und kein Blau

Ich bin Andreas Tunger, 54. Ich bin Floristtechniker. Ich habe in Berlin Florist gelernt, in Halensee, dort bin ich auch aufgewachsen. Danach habe ich in verschiedenen Geschäften gearbeitet, dann habe ich meinen Meister in Weihenstephan in Bayern gemacht, wo der Abschluss Techniker heißt.

Früher war die Schule sehr gefragt, man musste eine Aufnahmeprüfung machen, und weil die immer nur zwanzig Schüler genommen haben, musste man damit rechnen, dass man ein paar Jahre warten muss und zwei, drei Anläufe braucht. Wie auf einer Kunstschule. Die Zeiten sind aber vorbei. Jetzt sind die froh, wenn sie ihre Jahrgänge voll kriegen.

Der Rückgang an Floristen ist allgemein ganz massiv. Ich bin auch Präsident vom Fachverband für Berlin und Brandenburg und nehme Meisterprüfungen ab, da sehe ich das. Auch die Zahl der Auszubildenden geht stark zurück. Der Beruf scheint zu sterben. Erstmal, weil man wenig verdient und natürlich, weil es viele Arten der Konkurrenz gibt. Zurzeit geben unheimlich viele Fachgeschäfte auf, gerade in Berlin. Berlin ist da führend. Führend im Rückgang. Aber die anderen Bundesländer ziehen nach.

Die Leute wollen Dienstleistungen nicht mehr bezahlen. Zum Beispiel empfiehlt der Fachverband für einen gebundenen Strauß 15 Euro, für die Einzelblüte aufgebunden 7,50 Euro, das sind die Gebühren für die Arbeitszeit, und dann kommen die Blumen dazu. Das zu zahlen, ist natürlich keiner mehr bereit, weil man überall an der Straße, an jeder Ecke oder im U-Bahnhof einen Strauß für 6,50 Euro oder so kaufen kann. Ich denke, dass da ein bisschen Kultur verfällt. Der schöne Strauß Blumen, den man als Kind gesehen hat, hat mit denen an jeder Ecke nichts mehr zu tun. Das Widerspiegeln von Jahreszeiten verfällt da auch. Es gibt überall dasselbe Angebot, lauter Grausamkeiten.

Seit 15 Jahren haben mein Partner und ich den Laden. Er macht alles, was Wurzeln hat, ich die Schnittblumen. Wir wollten eigentlich keinen großen Laden haben, wir dachten an Kurse und Gartenführungen, und anfangs waren es nur wir beide mit einer Auszubildenden. Jetzt sind wir 33. Das ist viel. Wir sind ziemlich schnell gewachsen.

Unser Laden ist in der Straße Alt-Moabit 21. Wir haben die Gegend damals unterschätzt. Wir dachten, wir haben hier eine günstige Miete und geben Gartenseminare und Meisterkurse, aber es sind schnell viele Kunden geworden. Erstens wohnen hier auch Moabiter, die ganz gut betucht sind, und durch das Gericht kommen lauter Richter und Rechtsanwälte vorbei, was wir auch völlig unterschätzt haben. Hier ist nicht nur das Untersuchungsgefängnis.

Wir haben viele Hochzeiten und Beerdigungen, mal sind es größere Veranstaltungen für die Messe oder Rednerpultsachen für die Regierung. Angela Merkel kommt auch öfters mal vorbei, Frau Künast, Frau Roth. Wir machen auch das Borchardt und Grosz. Wir haben auch viele Montagskunden, wo montags die Sachen geliefert werden für Büro- und Geschäftsräume. Mir ist es wichtig, dass die Blume und die Jahreszeit gut zur Geltung kommen. Manchmal ist das ein Kampf, dann sagt der Kunde, Tulpen findet er scheußlich, er will Stiefmütterchen, dann probiert man, die Leute zu überzeugen. Manchmal hat man die Kraft, manchmal nicht. Aber es ist schön, wenn es gelingt.

Jetzt sind gerade Ranunkeln voll im Gange, die haben sich stark in der Nachfrage entwickelt, weil sie auch gut halten. Ist ja auch eine sehr schöne Frühlingsblume. Tulpen haben wir jetzt natürlich, die ändern sich aber in Farben und Sorten, das ist auch das Spannende. Manchmal fliegen Farben komplett raus, dass ich konsequent sage, jetzt machen wir mal Rosa und Lila, und Blau gibt es eben nicht. Standards haben wir natürlich schon, die weiße oder die rote Rose, das muss sein. Eine Sonnenblume zu dieser Jahreszeit findet man bei uns garantiert nicht.

Zum Großmarkt fahren wir mindestens dreimal die Woche, kriegen aber täglich geliefert. Wenn wir hinfahren, stehen wir um 2.45 Uhr auf, um 4 Uhr geht es da los. Viele Händler kommen später, aber ich fahre früh, um bestimmte Sachen möglichst viel zu möglichst günstigen Preisen zu bekommen. Um halb acht geht es im Laden los, und die Ware wird aufgeteilt. Dann fahren die ersten Autos zu den Firmen. Donnerstags sind immer zwölf Floristen dabei, die Sachen für die Veranstaltungen zu binden. Ich muss die Preise machen, den Laden dekorieren, die Bestellungen. Bis ich rauskomme, ist es halb 8.

Kunden denken oft, dass Floristen nicht so gut drauf sind. Aber das kommt daher, dass sie immer etwas anderes im Hinterkopf haben als sie gerade machen. Kunden halten einen sozusagen von der Arbeit ab, aber die denken logischerweise, sie müssten in Ruhe bedient werden. Das ist manchmal das Problem. Wir haben gut zu tun, aber wir haben immer den Kampf, die Löhne bezahlen zu können. Wir können nichts groß zurücklegen oder ein Polster aufbauen. Der Umsatz hat nichts mit dem Gewinn zu tun. Der Stress ist groß, die Lebensqualität weniger, aber wenn man sich dafür entschieden hat, ist das wie so ein Riesenbaby. Man hängt daran.

Notiert von Annett Heide.