Landeseigene Wohnungsunternehmen haben fast 17 Milliarden Euro Schulden
Die städtischen Vermieter sind hoch verschuldet. Der Mieterverein warnt: Das soll nicht dazu führen, dass Berlin wieder landeseigene Wohnungen verkaufen.

Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gelten als wichtigste Partner des Senats für eine soziale Mietenpolitik. Die Aufgabe der Unternehmen, den Mietenanstieg zu begrenzen und zugleich die Zahl ihrer Wohnungen durch Ankauf und Neubau weiter zu erhöhen, führt jedoch zu einer immer höheren Verschuldung.
Allein im Jahr 2021 stiegen die Verbindlichkeiten bei den sechs Unternehmen um 2,74 Milliarden Euro auf insgesamt 16,94 Milliarden Euro – eine Zunahme um 19,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das geht aus dem am Donnerstag präsentierten Bericht über die wirtschaftliche Lage der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften im Jahr 2021 hervor.
Zwar erwirtschafteten Degewo, Gewobag, Howoge, Stadt und Land, Gesobau und die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) im Jahr 2021 bei einer gleichbleibenden Durchschnittsmiete von 6,28 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kalt noch einen Gewinn, der mit rund 300 Millionen Euro fast so hoch ausfiel wie ein Jahr zuvor (315 Millionen). Doch ist das zumindest zum Teil auf das damals niedrige Zinsniveau zurückzuführen. Inzwischen sind die Zinsen gestiegen, was je nach Laufzeit der Kredite zu einer veränderten Belastung der sechs Unternehmen in der Zukunft führen kann.
Der Berliner Mieterverein (BMV) dringt auf eine stärkere Unterstützung von Degewo und Co. „Der Bericht zeigt, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen selbst mit einem Mietenstopp noch auskömmlich wirtschaften konnten“, sagt BMV-Geschäftsführerin Ulrike Hamann. „Jedoch ist der Expansionsdruck auf Dauer nicht aus den Mieten zu leisten.“ Die Verschuldung dürfe nicht dazu führen, dass wieder landeseigene Wohnungen verkauft werden, so Hamann. „Daher braucht es viel stärkere Eigenkapitalzuschüsse aus dem Landeshaushalt.“
Die höchsten Schulden entfallen mit rund fünf Milliarden Euro auf die Gewobag, die mit Stand vom 31. Dezember 2021 über 73.398 eigene Wohnungen verfügt und damit das zweitgrößte landeseigene Wohnungsunternehmen ist. Auf Platz zwei der Schulden-Rangliste steht mit Verbindlichkeiten von rund 3,6 Milliarden Euro die Howoge (65.131 Wohnungen), gefolgt von der größten landeseigenen Gesellschaft, der Degewo (73.915 Wohnungen), mit rund 2,9 Milliarden Euro Schulden, der Stadt und Land (50.527 Wohnungen) mit knapp 2,2 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten, der Gesobau (45.090 Wohnungen) mit rund 1,9 Milliarden Euro Schulden und der WBM (31.590 Wohnungen) mit rund 1,2 Milliarden Euro Verbindlichkeiten.
Howoge türmte 2021 am meisten neue Schulden auf
Alle sechs landeseigenen Unternehmen haben im Jahr 2021 höhere Schulden aufgetürmt. „Besonders ins Auge“ fällt laut dem Bericht der Anstieg um 1,78 Milliarden bei der Howoge. Dieser ergebe sich „zum größten Teil aus den Finanzierungserfordernissen“ im Zuge der Bestandszukäufe von 8267 Wohnungen und 233 Gewerbeeinheiten von der Vonovia und der Deutsche Wohnen. Die Ankäufe waren Teil des Erwerbs von fast 15.000 Wohnungen durch mehrere landeseigene Unternehmen, den noch der frühere Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) eingefädelt hatte.
Zwar stehen den steigenden Schulden durch Ankauf und Neubau mehr vermietbare Flächen gegenüber, doch wachsen zugleich die Schulden pro Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche. Mit Stand vom 31. Dezember 2021 ergeben sich für die sechs städtischen Unternehmen laut dem Bericht Finanzverbindlichkeiten von 751,11 Euro je Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche. 16,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Da beliefen sich die Schulden noch auf 643,23 Euro pro Quadratmeter.
Seit dem Jahr 2017 sind die Finanzverbindlichkeiten pro Quadratmeter aller landeseigenen Unternehmen im Durchschnitt um etwa 60,8 Prozent gestiegen: von 467 Euro auf die genannten 751,11 Euro. Bei der Gewobag liegt der Wert seit dem Erwerb einer größeren Zahl von Wohnungen im Jahr 2019 deutlich über dem Vergleichswert der anderen Unternehmen: Die Flächenverschuldung beläuft sich bei der Gewobag auf rund 1028 Euro pro Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche. Bezogen auf das Jahr 2017 entspricht das einem Anstieg um 71,8 Prozent.
Teure Beratungsleistungen schmälern den Gewinn
Legt man die Einnahmen aus dem Jahr 2021 zugrunde, wäre die Howoge rechnerisch in weniger als elf Jahren in der Lage, ihre Schulden zu tilgen, heißt es in dem Bericht. Die Gewobag hingegen bräuchte mehr als 23 Jahre, um ihre Verbindlichkeiten zu begleichen. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 hätte die Howoge auf Basis der damaligen Erträge und Schulden rechnerisch 7,05 Jahre zur Tilgung gebraucht, die Gewobag 14,5 Jahre.
Immerhin: Alle landeseigenen Wohnungsunternehmen haben im Jahr 2021 Gewinne erwirtschaftet – trotz Corona-Pandemie und Mietendeckel samt Nachfolgeregelung. Drei landeseigene Unternehmen konnten ihre Gewinne sogar steigern: Die Degewo leicht, Gesobau und WBM deutlich um circa 20 Millionen beziehungsweise 15 Millionen Euro. Leichte Rückgänge verzeichnete die Gewobag mit 6,8 Millionen Euro weniger Gewinn sowie die Stadt und Land mit 8,2 Millionen weniger Gewinn. Auffällig ist laut dem Bericht der Rückgang des Gewinns bei der Howoge um 40,1 Millionen auf rund 51 Millionen Euro. Der Betrag liege deutlich unter dem Planwert für das Jahr 2021 von 77 Millionen Euro. Er wäre jedoch laut dem Bericht nahezu erreicht worden, wenn nicht „sonstige betriebliche Aufwendungen in der Höhe von etwa 20 Millionen Euro aus der Inanspruchnahme von Beratungsleistungen für die Vorbereitung und Begleitung des Ankaufs der 8500 Wohn- und Gewerbeeinheiten von der Vonovia/Deutsche Wohnen entstanden wären“. Eine teure Beratung.
Was für die Mieter zählt: Die durchschnittliche Kaltmiete für alle Wohnungen lag Ende 2021 wie im Vorjahr bei 6,28 Euro pro Quadratmeter. Stabil blieb dabei der Quadratmeterpreis bei der Degewo (6,33 Euro), der Howoge (6,25 Euro) und der Gesobau (6,23 Euro). Bei der WBM gab es einen Rückgang um 4 Cent je Quadratmeter auf 6,38 Euro je Quadratmeter, bei der Gewobag sank die durchschnittliche Miete um einen Cent je Quadratmeter auf 6,29 Euro je Quadratmeter. Bei der Stadt und Land stieg die durchschnittliche Miete um drei Cent auf 6,23 Euro je Quadratmeter, womit sie zusammen mit der Gesobau aber trotzdem noch der preiswerteste städtische Vermieter ist. Allerdings: Von 2017 bis 2020 zogen die Mieten bei den landeseigenen Unternehmen um insgesamt 38 Cent je Quadratmeter Wohnfläche an. Das entspricht einem Plus von 6,1 Prozent beziehungsweise einer Steigerung von durchschnittlich 1,53 Prozent pro Jahr.
Große Unterschiede bei den kalten Betriebskosten
Bei der Entwicklung der Betriebskosten zeigt sich ein unterschiedliches Bild. Die Kosten für Heizung und Warmwasser sind im Jahr 2021 in fünf von sechs Unternehmen zurückgegangen. Im Durchschnitt aller sechs Unternehmen haben sich die warmen Betriebskosten von 84 Cent je Quadratmeter im Jahr 2017 auf 81 Cent je Quadratmeter im Jahr 2021 reduziert. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei den kalten Betriebskosten ein anderer Verlauf. Sie sind pro Quadratmeter und Monat in den zurückliegenden drei Jahren um zehn Prozent gestiegen, also stärker als die Kaltmieten. Im Schnitt aller sechs Unternehmen liegen die kalten Betriebskosten im Jahr 2021 bei 1,82 Euro je Quadratmeter. Am günstigsten sind die kalten Betriebskosten mit 1,65 Euro je Quadratmeter bei der Howoge, am teuersten mit 2,13 Euro je Quadratmeter bei der Gewobag.