"Mietrebellin": Oma Anni kämpft nicht mehr

Alte Bäume verpflanzt man nicht, heißt es ja immer. Anni Lenz musste im hohen Alter feststellen, dass dieser gute Grundsatz des Zusammenlebens keine Bedeutung mehr hat. Weder im übertragenen Sinn für sie, die mit 93 Jahren als Mieterin plötzlich von Verdrängung bedroht war. Noch für die alten Tannen in ihrem Vorgarten. Die ließ ihr Vermieter im Zuge der geplanten Sanierung nicht verpflanzen, sondern einfach absägen.

Wegen dieses Umgangs mit ihr und mit den Bäumen wurde Anni Lenz vor zwei Jahren zu „Oma Anni“, der Mietrebellin. Zusammen mit den anderen Bewohnern der Siedlung Am Steinberg in Tegel wehrte sie sich gegen die Mieterhöhungen, die im Zuge der geplanten Aufwertung ihrer Häuser angekündigt waren. Täglich protestierten sie vor ihren kleinen Reihenhäusern, die 1920 erbaut wurden, also fast genau so alt waren wie Oma Anni.

Ein bisschen prominent

Anni Lenz wurde darüber prominent, zumindest ein bisschen. Sie gab Interviews, posierte für die Fotografen vor dem Häuschen, das sie zusammen mit ihrem Sohn und seiner Frau bewohnte, und das ganz zugehängt war mit Transparenten. Im vorigen Wahlkampf schmückte sie sogar ein Wahlplakat der Linken, obwohl sie doch immer SPD wählte.

Beide Parteien trugen Verantwortung für Anni Lenz’ Schicksal, was sie ihnen aber nicht krumm zu nehmen schien. Der rot-rote Senat entschied 2004, die Wohnungsbaugesellschaft GSW zu privatisieren, der die Siedlung Am Steinberg gehörte. Damit war dem Weiterverkauf an einen Investor der Weg geebnet. Die juristische Auseinandersetzung zwischen den Mietern und dem neuen Besitzer läuft seit Jahren. Wie sie ausgeht, wird Anni Lenz nicht mehr erfahren. In der Nacht zum Mittwoch ist sie gestorben.