Mietrecht: Leben auf einer Baustelle: Aufzug stillgelegt, Fenster zugemauert
Berlin - #image0
Für die 63-jährige Helga Brandenburger wird das Leben in ihrer Wohnung immer beschwerlicher. „Es ist unmöglich, sich zu entspannen“, sagt sie. Wenn morgens der Baulärm in ihrem Haus beginnt, dann „vibriert der Fußboden, die Gläser im Schrank fangen an zu klirren und die Kaffeetasse auf dem Tisch wackelt“, berichtet sie.
Die Rentnerin wohnt in der Calvinstraße 21 in Moabit. Ihr Vermieter hat damit begonnen, das Wohnhaus zu modernisieren – obwohl sich die verbliebenen Mieter rechtlich dagegen zur Wehr setzen. 6 von 15 Mietparteien wollen nicht ausziehen und lehnen die Modernisierungspläne ab. Vor Gericht bekam einer der Mieter in erster Instanz Recht. Die Entscheidung ist jedoch noch nicht rechtskräftig.
Ungeachtet einer Klärung hat der Hauseigentümer mit den Vorarbeiten für die Modernisierung begonnen und setzt dabei Maschinen ein, die die zulässigen Lärmhöchstwerte nach Darstellung des Berliner Mietervereins (BMV) „deutlich überschreiten“. Ziel des Eigentümers sei es offenbar, die Mieter durch massive Beeinträchtigungen „zu vergraulen“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild.
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Anfang Juni sei bereits der Aufzug demontiert worden, obwohl die Fahrstuhlnutzung mietvertraglich vereinbart ist und einige Mieter darauf angewiesen sind. Einige Mieterkeller seien zudem ohne Zustimmung ihre Nutzer geräumt und mit einer Zugangstür versehen worden, für die die Mieter keine Schlüssel erhielten. Mit dieser „Schikane gegen die Mieter“ wolle der Vermieter offenbar die bereits angekündigte Modernisierung durchsetzen, vermutet Reiner Wild.
Der Eigentümer will in dem Haus unter anderem eine neue Aufzugsanlage einbauen, eine Wärmedämmung anbringen, die Balkone teilweise vergrößern, neue Wohnungstüren einbauen und die Fenster mit Isolierglas ausstatten. Durch die Modernisierung soll die Miete laut Mieterverein um 4,97 Euro je Quadratmeter monatlich steigen.
Die Kaltmiete für eine 75 Quadratmeter große Wohnung würde dann von bisher 333 Euro auf 710 Euro steigen. Helga Brandenburger müsste künftig inklusive Betriebskosten 897 Euro im Monat zahlen, derzeit beträgt ihre Miete noch 520 Euro. Das könne sie nicht, sagt sie. Sie bekommt 905 Euro Rente.
Helga Brandenburger ist von den Baumaßnahmen besonders betroffen. Im vergangenen Jahr wurden in ihrer Wohnung einfach die Fenster in Küche und Badezimmer zugemauert – für einen Neubau auf dem Nachbargrundstück. „Ich war beim Arzt, es hat länger gedauert“, berichtet sie. Als sie zurückkam, war die Mauer da. Lüften kann sie seitdem nicht mehr in den beiden Räumen.
Durch das Fensterglas blickt sie auf grauen Beton. Ihr Rechtsanwalt Christoph Müller klagt darauf, die Funktionsfähigkeit des Fensters wieder herzustellen. Eine Entscheidung des Gerichts soll am 17. Juli fallen. Ihr sei vorgeschlagen worden, ein Belüftungsrohr von der Küche durch das Badezimmer bis zum benachbarten Schlafzimmerfenster zu bauen, sagt die Rentnerin.
Das habe sie wegen der zu erwartenden Baubelastungen aber abgelehnt. Stattdessen minderte sie die Miete, so wie mehrere andere Bewohner des Hauses. Darauf reagierte der Vermieter mit Räumungsklagen. Durch Zahlung der offenen Beträge wendeten die Mieter eine mögliche Räumung ab.
Behörden um Hilfe gebeten
Die Rechtsanwälte der Mieter haben bereits mehrere einstweilige Verfügungen gegen den Vermieter erwirkt. So muss der Keller wieder zugänglich gemacht werden und der Baulärm darf die Grenze von 50 Dezibel nicht überschreiten. Doch die kleinen Erfolge reichen dem Mieterverein nicht aus. BMV-Chef Wild sagt, die Bewohner benötigten die Hilfe des Bezirksamtes und des Senats.
Während die zuständige Senatsverwaltung wegen des Baulärms bereits tätig geworden sei, sehe der Baustadtrat von Mitte keinen Handlungsdruck und verwehre den Mietern die Einsicht in die Akten. „Wir fordern das Bezirksamt Mitte auf, die Maßnahmen an dem Gebäude durch die Bau- und Wohnungsaufsicht regelmäßig kontrollieren zu lassen und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen“, so Wild.
Von Mittes Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) war bis zum Redaktionsschluss keine Reaktion zu bekommen. Von Vermieterseite war ebenfalls keine Stellungnahme zu erhalten.