Chaos in Köpenick: BVG kapituliert im täglichen Stau vor den Autos
In der Bahnhofstraße muss neuerdings immer wieder der Straßenbahnbetrieb unterbrochen werden. Bald drohen noch größere Einschnitte in den Verkehr.

Auto gegen Team und Bus 1:0. Wenn sich der Verkehr auf der Bahnhofstraße in Köpenick mal wieder zu sehr staut, zieht die Straßenbahn nicht selten den Kürzeren. In den vergangenen Tagen haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) mehrmals den Betrieb auf den Linien 62, 63 und 68 unterbrochen, weil die Bahnen nicht mehr vorankamen. Auch der Busverkehr ist betroffen. Das Personal rät Fahrgästen, auszusteigen und zu laufen. Der Fahrgastverband IGEB ist verärgert. Was steckt hinter dem Verkehrschaos?
Aussteigen und die Staustrecke zu Fuß überbrücken. Oder eine ganz andere Route nehmen, was angesichts der bisherigen Route meist ein Umweg ist, der zusätzliche Zeit in Anspruch nimmt. Fahrgäste haben nicht viele Optionen, wenn der Straßenbahnbetrieb in der Köpenicker Bahnhofstraße wieder mal vorübergehend eingestellt werden muss.
Und das kommt in den vergangenen Tagen immer wieder vor. BVG-Nutzer berichten, dass es am Montag passierte, am Dienstag und dann wieder am Donnerstag: Zwischen dem S-Bahnhof Köpenick und dem Rathaus des Bezirks verkehrten mehrmals vorübergehend keine Straßenbahnen. Auf den elektronischen Hinweistafeln wurden die Fahrgäste auf den Bus 164 verwiesen – aber der stand ebenfalls im Stau.
„Bedauerlich, aber leider unvermeidlich“
Warum kommt es in der jüngsten Zeit in Köpenick immer wieder zu Problemen? „Es gibt dort keine generelle Unterbrechung. Wir haben dort aber die Situation, dass die parallel verlaufende Hämmerlingstraße wegen Straßenbauarbeiten gesperrt ist“, erklärte BVG-Sprecher Markus Falkner am Freitag. Die dortige Brückendurchfahrt ist nicht nutzbar. Anlass ist die Umgestaltung der Bahnanlagen, mit der die Deutsche Bahn (DB) begonnen hat - und die noch mehr als vier Jahre dauern soll.
Wegen der Brückensperrung kommt es auf der Bahnhofstraße zu Staus, die zu größeren Verspätungen führen – vor allem im Berufsverkehr am Nachmittag, wie es in dem Landesunternehmen hieß. „Um eine zuverlässige Taktung auf den gesamten Linien wieder herzustellen, müssen wir dann an manchen Tagen einige Züge zeitweise aus diesem Bereich rausnehmen. Das ist bedauerlich, aber leider unvermeidlich“, so Falkner.
„Aber dafür müssten die Parkplätze weg“
Die Buslinien werden weiterhin durchgehend befahren. Aber auch das Personal und die Fahrgäste der BVG-Linienbusse leiden unter den Staus in Köpenick. „Es kommt vor, dass ich den Fahrgästen am Mandrellaplatz sage, dass sie aussteigen und zum S-Bahnhof laufen sollte“, berichtete ein Busfahrer. „Mit dem Bus bräuchten sie länger.“
„Täglich zur Mittagszeit bricht auf der Bahnhofstraße in Köpenick der Verkehr zusammen“, bestätigte Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB. Verbandsmitglieder haben das Problem analysiert. „Vor Ort bedarf es dringend einer Sonderspur“, so Christian Linow. „Eine Kombispur Bus und Tram“, bekräftigte Wieseke. „Aber dafür müssten die Parkplätze weg.“ Die Bahnhofstraße ist von Stellflächen gesäumt. Da die Fluktuation gering ist, profitiert der Einzelhandel kaum. Köpenicker entgegnen der IGEB allerdings, dass sich am Straßenrand außer Stellplätzen auch Bäume befinden.
Die IGEB schlägt außerdem vor, über eine Umleitung nachzudenken. IGEB-Mitglied Linow brachte die Puchanstraße in die Debatte. „Sie wird ohnehin bereits als Schleichweg genutzt. Die Bahnhofstraße sollte während der Bauarbeiten ausschließlich dem Umweltverbund vorbehalten bleiben“ – dem Nahverkehr, Radfahrern und Fußgängern. Einen solchen Vorrang sieht auch das Berliner Mobilitätsgesetz vor.
Der Regionalbahnhof Köpenick soll 2027 fertig sein
Aber auch diese Lösung kann Köpenicker, die sich in dem Bereich auskennen, nicht überzeugen. Zwar bilden Puchan- und Borgmannstraße eine durchgehende Umfahrung der Bahnhofstraße. Um den Bahndamm an der S-Bahnstation zu unterqueren, müssen die Autos allerdings über den Elknerplatz wieder in die Bahnhofstraße einschwenken. Genau an dieser Einmündung scheint es die größten Probleme zu geben. Zwar sind die Ampeln so geschaltet, dass bei Grün nur wenige Fahrzeuge rechts abbiegen können. Doch der vom Elknerplatz zuströmende Verkehr reicht aus, um unter der Bahnbrücke den Verkehr auf der Bahnhofstraße vollends zum Erliegen zu bringen, wird berichtet.
Der Bau des Regionalbahnhofs Köpenick, den die Deutsche Bahn bald in Angriff nimmt, wird über längere Zeit hinweg immer wieder zu Beeinträchtigungen führen. Bis 2027 werden die Bahnanlagen in diesem Bereich umgestaltet und Brücken neu gebaut. Die Unterführung Hämmerlingstraße gehört dazu.
Brückendurchfahrten werden tagelang gesperrt - mit Folgen auch für die BVG
Damit die Projekte realisiert werden können, müssen wie berichtet immer wieder der S- und der übrige Bahnverkehr unterbrochen werden – das nächste Mal vom Abend des 17. bis zum 20. März. Auch der Straßenverkehr ist betroffen. Die ersten Totalsperrungen der Bahnhofstraße sind für den 21. bis 25. März sowie vom 28. August bis 30. September 2023 terminiert, kündigte die Bahn im Januar an. Das sind insgesamt 39 Tage. Dann müssen nicht nur die Straßenbahnstrecken, sondern auch die Buslinien in diesem Bereich von Köpenick in zwei Teile getrennt werden - was zusätzliche Fahrzeuge und zusätzliches Personal erfordert. Die Hämmerlingstraße wird in diesem Jahr 37 Tage unterbrochen.
Es fehle am Willen, im Sinne des öffentlichen Verkehrs zu handeln, so die IGEB. „Es ist wie mit der Ehrlichstraße“, sagte Jens Wieseke. Sie war im Herbst 2021 ebenfalls von Ausweichverkehr betroffen, der eine Baustelle in einer benachbarten Straße umfahren wollte. Und auch dort standen die Straßenbahnen so lange im Stau, dass die BVG die Linie 21 zwischen Blockdammweg und Schöneweide an mehreren Tagen einstellte. Fahrgäste mussten auf andere Strecken ausweichen – oder 1,3 Kilometer laufen.
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