Mordprozess in Potsdam: Heinrich Scholls teures Doppelleben

Potsdam - Wieder schweigt er. Wieder lässt er die anderen reden. Auch am 13. Tag des Mordprozesses gegen Heinrich Scholl sagte der Angeklagte am Dienstag im Landgericht Potsdam kein Wort.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde vor, am 29. Dezember 2011 seine Frau Brigitte „heimtückisch und ohne vernünftigen Grund“ getötet zu haben. Es gibt kein Geständnis, keine Zeugen für die Tat – es ist ein Indizienprozess mit 75 Zeugen.

Zwischen zwei Frauen

Klar ist, dass der 69-Jährige noch kurz vor dem Mord zwischen zwei Frauen stand. Zwischen seiner Ehefrau, mit der er ein Haus in Ludwigsfelde besaß, und seiner Geliebten, mit der etwa ein Jahr lang in Berlin zusammen war.

Im Jahr 2008 war er nach 18 Jahren als Bürgermeister in Pension gegangen, hatte sich in Berlin eine Wohnung gesucht und arbeitete als Unternehmensberater. Seine Frau bekam Rente und hatte auch noch einen Kosmetiksalon. Ihr half er immer wieder im Garten. Seine Geliebte arbeitete in einem Massagesalon, ihr machte er teure Geschenke, borgte ihr große Summen und reiste mit ihr nach Thailand.

Dann trennten sie sich und er zog wieder zu seiner Ehefrau zurück. Mit ihr war er fast fünf Jahrzehnte verheiratet, Brigitte Scholl starb am Tag nach ihrem 47. Hochzeitstag.

Als ein mögliches Mordmotiv wird unterstellt, dass Scholl seine Frau getötet haben könnte, weil ihm eine Scheidung zu teuer war. Die Zeugin Silke T., die für ihn jahrelang die Steuererklärung machte, sagte aus, dass seine Geschäfte gut liefen. Er habe 2011 etwa 27.000 Euro Gewinn gemacht und hatte weitere Großprojekte in Aussicht.

„Finanziell zufrieden, aber persönlich nicht“

„Finanziell war er zufrieden, aber persönlich nicht“, erzählte Silke T. „Er sagte, es sei schwer, mit seiner Ehefrau zu leben.“ Seine Frau soll sehr dominant gewesen sein. Ganz anders sei es mit der thailändischen Geliebten gewesen. „Er war glücklich, ausgeglichen und zufrieden.“

Doch Scholl hat sich für die neue Liebe offenbar hoffnungslos verschuldet. Das wurde klar, als seine Ex-Geliebte Phinyoyos P. (36) aussagte. Sie erzählte die Geschichte von Henry und Nani – wie sie sich nannten. Ein klassische Geschichte eines älteren Herren und seiner jungen Prostituierten. Ein Freund von Scholl brachte die beiden zusammen, er hatte selbst eine thailändische Geliebte, es war die ältere Schwester von P. Erst gingen sie zu viert essen, dann zu zweit. Sie trafen sich in Scholls Berliner Wohnung, begannen eine Beziehung.

Phinyoyos P. erzählte, sie habe vor und nach der Beziehung mit Scholl „im Puff“ gearbeitet. Aber nicht während der Zeit mit Scholl. Der Richter fragte: „Haben Sie ihn geliebt?“ Lange Pause: „Ich bin mir nicht sicher?“ „Hat er Sie geliebt.“ Die Antwort kommt sofort: „Ja.“

Anfangs habe sie geglaubt, dass er ein guter Mensch sei, weil er älter sei. Sie habe sich vorgenommen, auf ihn zu achten und ihn zu pflegen. Es gab wohl auch die Idee von einer gemeinsamen Ferienanlage in Thailand. Aber dann sei er nervig geworden. „Herr Scholl hatte immer nur Sex im Kopf“, sagte sie. Und wenn sie mal keine Lust gehabt habe, habe er ihr unterstellt, sie mit einem anderen geschlafen zu haben. Er sei sehr streng gewesen, habe sie überwacht, ihr Handy kontrolliert, war eifersüchtig. „Er machte Druck.“

Bevor er seiner Geliebten Geld borgte, ließ Scholl sie auch von Detektiven überwachen. In ihren Protokollen steht, dass sie für eine Nacht in ein Bordell ging. Trotzdem gab Scholl ihr ein Darlehen über 25.000 Euro, kaufte ihr eine Küche, einen Fernseher, eine Waschmaschine, zahlte die Handykosten, einige Monate auch ihre Krankenkasse sowie ab und an ihre Miete.

Handtaschen für 2000 Euro

Er kaufte ihr fünf Handtaschen für 2000 Euro, einen Schal, eine Sonnenbrille, ein Geldbörse, dazu ein Laptop, einen Ring für 700 Euro, eine Schönheits-Operation für 500 Euro. Die Geliebte schätzt, dass der frühere Bürgermeister etwa 40.000 Euro für sie ausgab. Bei einem Polizeiverhör hatte sie auch mal von 70,000 Euro gesprochen.

Sie machte schließlich Schluss und hatte schnell einen neuen Mann. Sie zahlte Scholl nichts zurück. Er rief sie ständig an, schrieb ihr schwülstige Liebesbriefe oder Mails, in denen er ihr vorwarf, mit anderen zu schlafen. Er hatte Angst, sich mit Aids angesteckt zu haben.

Nach der Rückkehr zu seiner Frau war Scholl pleite. Das zeigen Aufzeichnungen, die der Richter verlas: „Kommen auf dem Konto immer mehr ins Minus!“ Bei einer Scheidung würden ihm nach 47 Ehejahren monatlich nur 1800 Euro bleiben, er habe aber 1970 Euro Ausgaben. Also gab er die Berliner Wohnung auf. Kurz nach seiner Rückkehr war Brigitte Scholl tot.