Musiker, Gaukler und Artisten in Berlin: So vielseitig wird das Lollapalooza 2019

Berlin - Sieht aus, als habe das Lollapalooza im fünften Jahr eine Heimat gefunden. Wie 2018 wird das Pop-Festival wieder auf dem Olympiagelände in Charlottenburg stattfinden – und soll dauerhaft dort untergebracht werden. Die erwarteten 150.000 Leute und die eher beschauliche Nachbarschaft dürfen sich also auf lange, laute und schrille Wochenenden mehr oder weniger aufregender Popmusik von fünf Bühnen freuen.

Für die Macher zweifellos eine Erleichterung. Schließlich wurden sie von Anwohnern und Umweltschützern seit dem Debüt 2015 nacheinander über Tempelhofer Feld, Treptower Park und Galopprennbahn Hoppegarten gescheucht. Andererseits entspricht die Wanderschaft dem Gründungsgeist des Events.

Der US-amerikanische Rockmusiker Perry Farrell hatte es 1991 ins Leben gerufen (siehe Infobox) und umrahmte die Konzerte von Beginn an mit allerlei burleskem Treiben. Heute gibt es neben den Kirmes-Attraktionen der „Fun Fair“ auch Ökoaufklärung und Kinderhort – und statt Bargeld den Prepaid-Chip.

Lollapalooza 2019: Hip-Hop-Programm mit fast nur deutschen Acts

Musikalisch hat sich das Festival ausgedehnt. Die Chicagoer Line-Ups der vergangenen Jahre versammeln zeitgenössischen Indiepop, HipHop, R&B und Elektro.

Während aber die US-Kuration wirkt, als habe man Künstler wie aus dem Salzstreuer auf das Festival rieseln lassen, geht man bei uns eher auf Nummer sicher. Allein „Perry’s Bühne“ zeigt eine gewisse Eigenwilligkeit. Altrocker Farrell hat schon länger sein Herz für die elektronische Jugend entdeckt und präsentiert entsprechende Acts. Seine Vorliebe gilt der US-Version, die seit Jahren als EDM erfolgreich über dortige Bühnen bollert, ein Dancefloor-Pop für Spring Break-Sausen, der auf flauschige Melodie und genremischenden Rumms setzt.

In Berlin wirken Farrells Hauptempfehlungen wie der französische DJ Kungs oder der zutrauliche Sommersound Alan Walkers ein bisschen provinziell. Folgerichtig hört man neben Altmeistern wie Scooter oder Underworld auch auf den Hauptbühnen sonnigen Clubpop von Produzenten wie Swedish House Mafia und Twentyone Pilots.

Unter ähnlichen Vorzeichen steht das HipHop-Programm, das fast nur deutsche Acts präsentiert. Dendemann ist zweifellos einer der eloquentesten und sprachgewitztesten Rapper deutscher Zunge und dank Böhmermann auch szeneübergreifend zugkräftig. Auch Marteria (36, mit Casper) hat sich die Hauptbühne des ersten Abends seit Beginn des Jahrzehnts nachhaltig und souverän jenseits der Battle-Schwundstufen verdient. Jung und Berlin dagegen der Autotune-Rapper Ufo361.

Über die Rockheadliner Kings of Leon muss man nicht weiter streiten, sie haben recht frisch als Südstaaten-Strokes begonnen und sind nach knapp 20 Jahren im Geschäft nun die U2 des Southern Rock, sämig stadionfähige Stars.

Lollapalooza zielt am Ende aufs Ganze

In den Nebenschienen gibt es ein buntes Programm aus Indiegenres, vom zuverlässigen Aussie-Rock von The Faim, zum Elektropop des Kölners Roosevelt zum ebenso unterhaltsamen wie sendungsbewussten Rap der New Yorker Princess Nokia.

Diese ist wiederum ein schönes Zeichen, dass man sich ein paar kuratorische Gedanken zur bisherigen Männerlastigkeit des Festivals gemacht hat. So steht mit Courtney Barnett aus Australien die vielleicht textbeste und songklügste aktuelle Indierockerin auf der Alternative-Bühne, in Gestalt der Hamburgerin Ilgen-Nur auf der kleinen Weingartenstage tritt ihre deutsch-türkische Entsprechung auf.
In jeder Beziehung einen Coup landet das Festival mit Billie Eilish.

Als einzige Frau auf einer abendlichen Hauptbühne gehört sie zu den wenigen Acts, auf die sich alle einigen können. Der jüngste Popstar jenseits von Greta Thunberg versorgt die 17-Jährige die Popwelt mit einem ausgezeichneten Stilmix. Auch wichtig: ihre vorbildlich komischen Frisuren und Stylingvorschläge.

Am Ende zielt das Lollapalooza nämlich ohnehin aufs Ganze. Die Musiker fügen sich mit den anderen Gauklern und Artisten aus Zirkus, Schminkstudio und Varieté flüssig zum 360°-Erlebnis. Statt Partynacht herrscht Nachmittagshedonismus. Sonnabend um elf, Sonntag um zehn ist aus Lärmschutzgründen Schluss.