Corona-Partys im Lockdown 2021: Jetzt werden in Berlin Verfahren eingeleitet

Ein 27-jähriger Berliner verlor seinen Job in der Pandemie, wurde depressiv. Kleine private Feiern sollten die Stimmung heben. Nun fürchtet er eine hohe Strafe.

Feiern war im Lockdown 2021 streng verboten. Nicht jeder hielt sich daran. (Symbolbild)
Feiern war im Lockdown 2021 streng verboten. Nicht jeder hielt sich daran. (Symbolbild)imago /Sigrid Olson

Es ist Sonntagabend kurz vor 21 Uhr, als die Polizei plötzlich an der Tür klingelt. Durch die Tür einer Wohnung im obersten Stockwerk nicht weit vom S-Bahnhof Wedding dringt Technomusik. Théodor Gonzales denkt, es sind weitere Gäste, die zu seiner  Party wollen, und öffnet die Tür. Die Beamten sind zu acht, sie tragen alle FFP2-Masken und beginnen, die Personalien der Gäste aufzunehmen. Die Musik ist aus, das Fest, das eigentlich bis morgens früh dauern sollte, ist vorbei.

Théodor Gonzales heißt eigentlich anders, er ist Spanier, 27 Jahre alt, lebt schon lange in Berlin, spricht fließend Deutsch. Die Party, um die es geht, fand im April 2021 statt. Damals waren Zusammenkünfte nur für Familienmitglieder erlaubt. Selbst im Freien durften sich maximal fünf Personen aus zwei Haushalten plus Kinder bis 14 Jahre treffen. Nachts war der Aufenthalt im Freien nur allein oder zu zweit gestattet. Gonzales allerdings hatte bei sich an jenem Sonntag im April 27 Frauen und Männer zu Gast.

Jetzt im Juli 2022, also rund 15 Monate nach der Party, ist ein Schreiben vom Ordnungsamt bei Betroffenen eingegangen, die in Mitte leben. In diesem Schreiben, das der Berliner Zeitung vorliegt, ist von vielen Paragrafen die Rede, und der Tatvorwurf lautet wörtlich: Private Veranstaltung mit mehreren haushaltsfremden Personen. Laut Bußgeldkatalog muss Gonzales mit einer Ordnungsstrafe von mindestens 200 Euro rechnen. Er hat aber auch von Verfahren gehört, bei denen 25 Euro pro Gast veranschlagt wurden. Er ist sehr verunsichert.

„Ich weiß“, sagt er, „dass ich das nicht tun durfte.“ Doch der Lockdown sei für ihn eine sehr schwierige Zeit gewesen. „Meine Arbeitsstelle wurde geschlossen, mein Arbeitgeber hatte mich auf Kurzarbeit gesetzt, ich war meist nur zu Hause und ohne Freunde habe ich an vielen Tagen nicht gewusst, was ich tun sollte.“ Hinzu kam bei ihm eine klinische Depression, die mit der zunehmenden Vereinsamung zu tun hatte. Er habe dann angefangen, kleine Feste zu organisieren, und an jenem Sonntagabend waren eigentlich nur acht Freunde eingeladen, doch irgendjemand brachte Freunde mit und so wurden es immer mehr – bis schließlich die Polizei klingelte.

Bezirk Mitte holt stark auf bei Verfahren gegen Regelverstöße

Es ist davon auszugehen, dass diese Bußgeld-Bescheide im Zusammenhang stehen mit dem Vorwurf der Inaktivität, der vor zwei Jahren auch dem Bezirk Mitte gemacht wurde. Mitte des Jahres 2020 wurde nämlich in Berlin nur ein Bruchteil der von der Polizei festgestellten Ordnungswidrigkeiten gegen die Corona-Regeln mit Bußgeldern geahndet. Nur jedes sechste Verfahren führte demnach zu einem Bußgeld. Die Bezirke Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Reinickendorf verhängten in dieser Zeit kein einziges Bußgeld.

Das Bezirksamt Mitte hat stark aufgeholt, was die Verfahren im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen angeht. Nach einer Anfrage des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Linke) veröffentlichte die Senatsverwaltung für Justiz eine Liste für 2020 und 2021, die zeigt: Im Jahr eins der Pandemie wurden 2521 Strafverfahren und im zweiten Jahr sogar 2716 Verfahren erfasst. Es wurden insgesamt Strafen und Bußen im Wert von 300.000 Euro verhängt.

Der Fall von Gonzales gilt allerdings als Ordnungswidrigkeit, davon waren im Januar rund 62.000 angegeben, von denen rund zwei Drittel schon als abgeschlossen galten. Rund ein Viertel dieser Verfahren, dazu gehören private Partys, wurde im Bezirk Mitte angestrengt. Aktuell teilt der Bezirk mit, dass Berlin-Mitte mit mehr als 20.000 mit großem Abstand die meisten Corona-Anzeigen erhalten habe. Aktuell seien noch 1600 Anzeigen offen, die bis Ende des Jahres bearbeitet werden sollen.

Théodor Gonzales erhofft sich mildernde Umstände für seine kleine Zusammenkunft. „Ich habe von Partys gehört, da waren 120 Menschen“, sagt er. Er habe bei seiner Feier dafür gesorgt, dass alle sich in eine Liste eintrugen. Und wenn sie keinen frischen Corona-Test vorzeigen konnten, habe er sie in der Küche vorher zum Test gebeten. „Ich wollte kein Superspreader-Event sein“, sagt er. Nur deshalb konnte er sich auch so genau an die Zahl der 27 Partygäste erinnern. „Ich hatte alles sehr gut geplant.“ Er habe  nie von einer Infektion erfahren. „Ich selbst habe mich erst im Januar 2022 zum ersten Mal mit Corona angesteckt, bei einer Reise nach Spanien.“