Nach dem BER-Debakel: Platzeck will durchstarten

Berlin - Die Aufgabe, die der BER-Aufsichtsrat zu bewältigen hatte, konnte größer kaum sein. Vor der Krisensitzung der Kontrolleure beschrieb ein Verantwortlicher der Flughafengesellschaft die Lage so drastisch wie nie: „Der Laden liegt komplett am Boden, das Projekt ist havariert.“ Bevor weitergebaut werden könne, müsse erst einmal das Unternehmen selbst wieder auf die Beine gestellt werden, sagte der Insider. Sonst drohe es in der Handlungsunfähigkeit zu versinken.

Eröffnen sollte der Großflughafen BER eigentlich im Juni 2012. Nachdem der Termin geplatzt war, führten vor allem technische Probleme an der Brandschutzanlage zu weiteren Verschiebungen. Vor einer Woche wurde überraschend auch der 27. Oktober 2013 abgesagt – auf unbestimmte Zeit. In der Folge trat Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) vom Vorsitz des Aufsichtsrats zurück. Er hatte den Posten seit seinem Amtsantritt vor elfeinhalb Jahren inne.

Besser hinschauen

Der jetzt beschworene Neustart betrifft daher zunächst den Aufsichtsrat, den die Süddeutsche Zeitung lakonisch in „Wegschaurat“ umtaufte. Nun soll besser hingeschaut werden, verspricht Wowereits Nachfolger, Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck. Zu Beginn der Sitzung am Mittwoch in Schönefeld wurde er einstimmig bestätigt. Erwartet wurden weitere personelle Veränderungen in dem Gremium.

Offen war zunächst, ob das paritätisch besetzte Aufsichtsgremium erweitertet wird oder einige Kontrolleure ausgetauscht werden. Berlin und Brandenburg wollten jeweils mindestens einen ihrer Vertreter durch einen Fachmann ersetzen, der sich mit Bauprojekten und Betriebswirtschaft auskennt. Allerdings ist die Kandidatensuche wohl schwierig.

Auch in der zweiten Reihe des Aufsichtsrats wird es Wechsel geben. Weil Brandenburg den Vorsitz übernimmt, muss das Land mindestens einen Leitungsposten in den Fachausschüssen für Bau und für Finanzen aufgeben. Das war eine Bedingung der Bundesregierung. Der Potsdamer Wirtschaftsminister Ralf Christoffers gibt die Führung des Projektausschusses ab, wie Platzeck am Rande der Sitzung mitteilte. Dieser Ausschuss kümmert sich um die technischen Belange des Flughafens.

Die Neuausrichtung der Flughafengesellschaft wird noch Zeit in Anspruch nehmen. Die Konstruktion mit zwei gleichberechtigten Geschäftsführern habe faktisch eine Spaltung erzeugt, hieß es schon vor Tagen. Ein Teil der rund 1 300 Mitarbeiter habe sich nur dem für Flugwesen und Finanzen zuständigen Vorstand Rainer Schwarz verantwortlich gefühlt, der nun – wie angekündigt – gehen musste. Ein anderer Teil der Belegschaft arbeitete hingegen allein dem Technik-Vorstand zu – erst Manfred Körtgen, der letztes Jahr entlassen wurde, seit August 2012 Horst Amann.

Nun soll ein richtiger Chef kommen, mit zwei untergeordneten Vorständen für Technik und Finanzen. Überlegungen, Schwarz im Amt zu belassen, bis ein Nachfolger antritt, trafen auf Vorbehalte vor allem beim Bund. Nun wird Amann vorübergehend auch das Gesamtprojekt leiten. Die Kündigung von Schwarz wird vorbereitet, dabei sollen auch Schadensersatzansprüche gegen ihn geprüft werden.

Zur Suche nach einem Nachfolger für Schwarz sagte Platzeck: „Der Markt ist nicht riesig.“ Namen werden bereits gehandelt, darunter auch Thomas Weyer. Weyer arbeitet zurzeit als Technikchef am Flughafen München und soll Interesse bekundet haben, nach Berlin zurückzukehren. Von 2004 bis 2008 war er für die Baustelle in Schönefeld zuständig.

Am Boden der Tatsachen

Platzeck will einen neuen Teamgeist für die Flughafengesellschaft. Das Motto beim Bau müsse sein: „Wir ziehen alle am selben Strang und zwar in dieselbe Richtung.“ Dass der neue Chefaufseher dies betonen muss, wirft ein Schlaglicht auf die Zustände. Mit Entsetzen hätten die Mitarbeiter beobachten müssen, dass Amann seit seinem Antritt im Sommer die Baustelle nicht wieder in Gang bekommen habe, heißt es in Schönefeld.

Zudem will Platzeck ein strikteres Berichtssystem einführen, damit eine Hand wieder weiß, was die andere tut. Unklar ist nach wie vor das Ausmaß der Bau- und Finanzprobleme. Der finanzielle Mehrbedarf hängt von der Menge der notwendigen Umbauten ab. Die Analyse soll nach Angaben aus Gesellschafterkreisen drei bis sechs Monate dauern. Erst dann kann laut Platzeck auch ein neuer Eröffnungstermin genannt werden. Ob und wo im Pannen-Terminal neue negative Überraschungen lauern, weiß niemand. Aber, so heißt es nach den jüngsten Hiobsbotschaften mit leiser Hoffnung, wahrscheinlich sei man jetzt „nahe dem Boden der Tatsachen“.