Nach der Wiederholungswahl: Polizei durchsucht Büro von Berliner Rechtsanwalt

Die Generalstaatsanwaltschaft vermutet einen Verstoß gegen die Schweigepflicht – und liegt offenbar daneben.

Aktenordner mit Unterlagen der Wiederholungswahl vor zwei Wochen: Zu dieser hatten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl im September 2021 geführt.
Aktenordner mit Unterlagen der Wiederholungswahl vor zwei Wochen: Zu dieser hatten Unregelmäßigkeiten bei der Wahl im September 2021 geführt.Wolfgang Kumm/dpa

Drei Tage nach der Wiederholungswahl hat die Polizei die Kanzlei des Berliner Rechtsanwalts Marcel Templin durchsucht. Der Anwalt hatte maßgeblichen Anteil an der Aufdeckung der Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus, den Bezirksparlamenten und zum Bundestag am 26. September 2021.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hatte das Amtsgericht Tiergarten die Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume des Anwalts angeordnet. Eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft bestätigte am Freitag lediglich, dass es die Durchsuchung am 15. Februar gab, konnte aber keine weiteren Angaben machen.

Marcel Templin hatte für den ehemaligen Abgeordneten Marcel Luthe beim Berliner Landesverfassungsgericht Einspruch gegen die Wahlen eingelegt. Durch diesen wurden zahlreiche Pannen öffentlich, die die Wiederholungswahl am 12. Februar nach sich zogen. Dass kurz nach der Wahl – ausgestellt war der Durchsuchungsbeschluss bereits am 6. Januar – Templins Kanzlei durchsucht wurde, liegt vermutlich an einer Beschwerde, die bei der Rechtsanwaltskammer oder der Staatsanwaltschaft einging.

Marcel Luthe: Mitarbeiter schriftlich beim Verfassungsgerichtshof angemeldet

Darin werden Templin berufsrechtliche Verstöße vorgeworfen wie die Nichteinhaltung der Schweigepflicht. So sollen seine Mitarbeiter Fotos von Wahlprotokollen veröffentlicht haben. So etwas ist für Mitarbeiter von Anwälten ohne Zustimmung verboten. Es seien allerdings gar nicht seine Mitarbeiter gewesen, sagt Templin, der lediglich den Antrag auf Akteneinsicht beim Berliner Verfassungsgericht für seinen Mandanten Marcel Luthe gestellt hatte.

„Sie waren offiziell von mir beauftragt“, bestätigt der ehemalige Abgeordnete Luthe. Am 4. Mai vergangenen Jahres hatte er sie als „meine Mitarbeiterin“ beim Verfassungsgerichtshof schriftlich angemeldet. Auch die Berliner Zeitung berichtete damals über die Unterlagen.

Luthe selbst hatte im Rahmen seiner Akteneinsicht mehrere Helfer angeheuert, die beim Gericht die in Kartons lagernden 30.000 Seiten Wahlunterlagen aus den Bezirken abfotografierten. Anschließend stellte er die Fotos den Medien zur Verfügung. „Das sind keine Geheimdokumente, sondern hoch öffentliche Unterlagen“, sagt er. Er bezieht sich dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf.

Anwalt Marcel Templin: „Die Kanzlei zu durchsuchen, ist unverhältnismäßig“

Während seine Helfer die Seiten abfotografierten, kam es zu einem Streit zwischen der Gerichtspräsidentin Ludgera Selting und einer Mitarbeiterin von Luthe. Die Gerichtspräsidentin soll sich darüber erregt haben, dass die Akten abgelichtet wurden. Einen Befangenheitsantrag von Luthes Anwalt Templin gegen Selting, die über eine Wahlwiederholung mitzuentscheiden hatte, lehnte das Gericht damals ab.

In der Durchsuchung bei seinem Anwalt vermutet Luthe eine Retourkutsche und sagt: „Ich will wissen, wer der Rechtsanwaltskammer über das Mandatsverhältnis Lügen erzählt hat.“ Wer sich über die angeblichen berufsrechtlichen Verstöße bei der Rechtsanwaltskammer beschwert hat, will deren Sprecher mit Verweis auf die Verschwiegenheitspflicht nicht sagen.

Wegen der eingeschränkten Ermittlungsmöglichkeiten und bei entsprechender Bedeutung kann so ein Verfahren von der Anwaltskammer auch an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden, was in diesem Fall passierte. Die LKA-Beamten, die im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft zu Marcel Templin gekommen waren, beschlagnahmten bei ihm mehrere Akten. „Es liegt schon deshalb kein Berufsrechtsverstoß vor, weil die Akten nicht der Geheimhaltung unterliegen“, sagt er.

„Und dafür bei einem Anwalt die Kanzlei zu durchsuchen, ist absolut unverhältnismäßig. Ich bin Berufsgeheimnisträger“, sagt der Anwalt, der noch andere Mandanten vertritt – etwa solche, die von der Sperrung der Friedrichstraße betroffen sind, die die grüne Verkehrssenatorin verfügt hat. „Eine einfache Nachfrage seitens der Rechtsanwaltskammer oder der Generalstaatsanwaltschaft bei mir hätte genügt“, sagt Templin.


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