Nach Kritik wegen „Junge Freiheit“-Artikel: Ludwig gibt Brandenburger CDU-Fraktions- und Parteivorsitz ab

Potsdam - Die Brandenburger CDU-Politikerin Saskia Ludwig ist am Dienstag nach parteiinterner Kritik vom Fraktionsvorsitz und Parteivorsitz zurückgetreten. Der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Ingo Senftleben, informierte zusammen mit dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dieter Dombrowski nach der Sitzung der Fraktion über die Entscheidung von Ludwig.

„Es ist für die CDU-Landtagsfraktion ein ganz bedeutender und auch schmerzhafter Tag“, sagte Dombrowski, der bereits in der kommenden Woche als Nachfolger Ludwigs an die Fraktionsspitze gewählt werden könnte. Die Fraktion habe den Vorschlag bereits deutlich bestätigt, sagte Senftleben. Wer für den Parteivorsitz kandidieren werde, blieb zunächst offen. Ein möglicher Nachfolger oder eine Nachfolgerin könnten auf einem Parteitag im November gewählt werden.

Ludwig verlässt wortlos den Saal

Ludwig äußerte sich nach der Sitzung zunächst nicht, sondern verließ wortlos den Saal. Zuletzt stand Brandenburgs CDU-Partei- und Fraktionschefin wegen eines Artikels im rechtsorientierten Blatt „Junge Freiheit“ in der Kritik, in dem sie die rot-rote Landesregierung und Teile der Presse scharf angegriffen hatte. Sie verteidigte das mit ihrem Recht auf Meinungsfreiheit.

Der fünfköpfige Fraktionsvorstand hatte ihr am Montag das Vertrauen entzogen und sie aufgefordert, freiwillig den Vorsitz abzugeben. Von den 19 Mitgliedern der Fraktion haben nach Angaben Senftlebens mindestens 14 ihr Vertrauen entzogen. Es habe „eine sachliche und auch emotionale Debatte“ gegeben, bei der sich alle 17 anwesenden Fraktionsmitglieder geäußert hätten.

SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness bezeichnete Ludwigs Rücktritt als längst überfällig. „Sie hat versucht, den Brandenburger CDU-Landesverband in eine neurechte Kampfformation zu verwandeln“, betonte er am Dienstag in einer Mitteilung.

Dabei habe sie vollständig die Mitte der Brandenburger Gesellschaft aus dem Blick verloren und die CDU selbst in der Opposition isoliert. Mit Dieter Dombrowski führe jetzt derjenige den Putsch gegen Ludwig, der in den vergangen drei Jahren jede Kampagne von ihr unterstützt habe.

Zuerst Brandenburg

Zu den Gründen sagten Ludwigs Fraktionskollegen zunächst nicht viel. Bei Ludwig hätten nicht so sehr die Brandenburger Dinge im Vordergrund gestanden, sondern die ganz große Politik, sagte Dombrowski. Dahinter stand die Mehrheit in der Fraktion nun offenbar nicht mehr. „In Brandenburg ist unser Ziel, diese Landesregierung 2014 aus dem Amt zu heben.“

Der 44-jährigen Ludwig war der Rücktritt in den vergangenen Tagen offenbar bereits von mehreren Seiten nahegelegt worden. Es war befürchtet worden, dass mit ihrer Person an der Spitze der Fraktion eine Koalition mit der SPD nach der Landtagswahl unmöglich wäre.

Dombrowski versprach, dass er größeren Wert als Ludwig darauf legen werde, dass die Brandenburger Themen als erstes behandelt werden. „Zuerst Brandenburg, und dann alles andere“, sagte er. Der 61-Jährige gilt als streitbarer Christdemokrat - oft schwer einzuschätzen und immer gut für eine Überraschung.

Einsatz im Airport-Debakel

In die Schlagzeilen schaffte er es 2009 bei der Vereidigung von Matthias Platzeck (SPD) als ersten Ministerpräsidenten einer rot-roten Landesregierung von SPD und Linkspartei. Da lief er demonstrativ in einem Häftlingsanzug durch den Saal und baute sich vor Kameras auf. Damit wollte er gegen die Machtbeteiligung früherer Stasi-Mitarbeiter an der rot-roten Regierung protestieren. 1974 war er bei einem Fluchtversuch festgenommen und zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, 1975 aber von der Bundesregierung freigekauft worden.

Dann sorgte er wieder zu Jahresbeginn für Erstaunen, als er einen Entschließungsantrag zum Umgang mit Ex-Stasi-Mitarbeitern präsentierte, die politische Ämter bekleiden. „Wir können niemanden zwingen, sein Mandat niederzulegen“, sagte er und empfahl nicht den automatischen Rückzug. Für FDP und Bündnisgrüne indiskutabel - die Mehrheit des Parlaments inklusive SPD und Linker stimmte jedoch zu und bescheinigte dem Hardliner ungewohnte Besonnenheit.

Dombrowski kennt Fraktion und Partei in der Mark seit Jahren. Als stellvertretender Fraktionschef hat er Ludwig während der Geburt ihrer Kinder schon zweimal vertreten. In den vergangenen Monaten ging er vor allem den Querelen um die verschobene Eröffnung des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg unerbittlich nach.

Er schaute sich selbst vor Ort um und begutachtete den Zustand von Kabelkanälen oder auch Brandschutztüren. Auf einer Sondersitzung des Parlaments im August zu dem Thema forderte der Oppositionspolitiker Platzeck wegen dessen Verantwortung für das Airport-Debakel zum Rücktritt auf.

Ob Dombrowski den von Ludwig eingeschlagenen und von ihm mitvertretenen Konfrontationskurs gegen die rot-rote Landesregierung weiterverfolgen wird, ist unklar. 2014 ist in Brandenburg Landtagswahl, für die auch die CDU eine Koalitionsperspektive braucht. Die aber bietet sich aus jetziger Sicht nur mit der SPD. (dpa)