Nachtflugverbote: Jeder für sich
Potsdam - Nach dem Schwenk kommt es jetzt zum Schwur. Acht Tage, nachdem Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den Lärmbetroffenen des künftigen Flughafens BER eine längere Nachtruhe versprochen hat, steht das Thema heute Nachmittag im Landtag auf der Tagesordnung. Doch allzu viel Streit dürfte es nicht geben. Stattdessen werden ungewohnte Allianzen erwartet. Denn das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot und die anderen Anträge werden auf eine breite Zustimmung stoßen. Dadurch würde der geplante Volksentscheid überflüssig.
Auch Grüne wollen für Volksbegehren stimmen
SPD und Linke, die ein längeres Nachtflugverbot bis vor Kurzem als wirtschaftlich schädlich ablehnten, stimmen nun dafür. Die CDU, die sich als Wirtschaftspartei versteht, enthält sich mehrheitlich. Zwei ihrer Abgeordneten wollen sogar für das Volksbegehren und damit den neuen Kurs der rot-roten Regierung stimmen. Zu ihnen gehört die frühere CDU-Landes- und Fraktionschefin Saskia Ludwig, als strikte Gegnerin Platzecks (SPD) bekannt.
Wer Ralf Holzschuher zuhört, würde kaum auf die Idee kommen, dass seine Partei in Berlin wie in Brandenburg den Regierungschef stellt. „Eine bockige Verweigerungshaltung ist nicht zukunftsfähig“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende im Potsdamer Landtag am Dienstag. Gemeint war der Berliner Senat.
Beim Streit über das Nachtflugverbot zählt regionale Zuordnung inzwischen mehr als Parteiverbundenheit. Das sah auch Dieter Dombrowski so, Holzschuhers Amtskollege von der CDU. Er bekräftigte, Brandenburg solle seine Interessen energischer vertreten. „Wenn Ministerpräsident Matthias Platzeck mit den anderen BER-Gesellschaftern verhandelt, muss er nicht mit dem Wattebausch hingehen, sondern mit der Maschinenpistole.“
Die Bündnisgrünen kündigten ebenfalls an, für das Volksbegehren zu stimmen. Zwar hatten sie noch im Januar den Rücktritt Platzecks verlangt, wegen der Baukrise am BER und der Mehrkosten. Gestern aber sprach Fraktionschef Axel Vogel von einem Vertrauensvorschuss, den er „in unseren Ministerpräsidenten“ setze. Die Grünen wollten abwarten, wie ernst es Platzeck mit dem Nachtflugverbot meine.
Platzeck vermeidet Festlegungen
Die FDP ist da schon weiter in der Meinungsbildung. „Er führt die Brandenburger hinter die Fichte, um sie dann da zu verarschen“, so Landeschef Gregor Beyer. Platzeck gehe es allein darum, die Koalition mit der fluglärmempfindlichen Linkspartei und damit seine Macht zu retten. Allerdings sind sich auch die Liberalen nicht einig: Vier ihrer Abgeordneten wollen mit Nein votieren, zwei mit Ja, bei der siebten Parlamentarierin weiß man es nicht. Jedenfalls würden die angestrebten Verhandlungen mit Berlin und Bund über eine Ausweitung des Nachtflugverbots erfolglos bleiben.
Viele Brandenburger bezweifeln, dass Platzeck überhaupt ernsthaft verhandeln will. Im Antrag für den Landtag findet sich, ebenso wie im Text des Volksbegehrens, keine Aussage über Ruhestunden. Detailliert haben SPD und Linke hingegen dargelegt, welche zusätzlichen Maßnahmen – andere Steigwinkel, Routen und Rollbahnnutzungspläne – zu mehr Nachtruhe führen könnten. Linksfraktionschef Christian Görke sagte: „Ich gehe davon aus, dass es auch um die Betriebszeiten geht.“ Platzeck aber hat jede Festlegung in dieser Richtung vermieden.
Die Empörung im Berliner Senat und bei Wirtschaftsverbänden darüber, dass Brandenburg den bisherigen Lärmschutz-Kompromiss aufschnüren will, stößt in Potsdam auf Unverständnis. Der Flughafen brauche Akzeptanz in seinem Umfeld, sagte Holzschuher. „Das ist in Berlin noch nicht so ganz verstanden.“ Schon im Januar, als Platzeck den Vorsitz des Aufsichtsrates für die Flughäfen übernahm, hatte er frohlockt: „Der Vorsitzende ist derjenige, der die Agenda bestimmt.“ Dombrowski drückte es anders aus: „Wenn es um die politische Macht geht, kennt jeder nur sich selbst.“