Nahverkehr in Berlin: Die Entscheidung für neue U-Bahnen kommt reichlich spät - ein Kommentar

Berlin - Auf den ersten Blick ist es eine Nachricht, die uneingeschränkt positiv ist. Das größte Vergabeverfahren in der Geschichte der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ist zu Ende. Nun steht fest, wer bis zu 1 500 U-Bahn-Wagen bauen und die betagte Fahrzeugflotte des Landesunternehmens verjüngen wird. Wenn der Zeitplan eingehalten wird, soll die Lieferung 2021 beginnen. Die Fahrgäste des vor der S-Bahn wichtigsten Verkehrsmittels dieser Region können also hoffen, dass der Wagenmangel gelindert wird und künftig mehr Züge als derzeit eingesetzt werden.

Doch es gibt einen schlechten Beigeschmack – zum Beispiel, weil das Verfahren erst jetzt zu Ende gegangen ist. Schon seit Jahren ist bekannt, dass die U-Bahn zu wenig Züge hat. Trotz steigender Fahrgastnachfrage war die Zahl der Wagen sogar verringert worden. Doch das Vergabeverfahren für neue U-Bahnen begann erst Ende 2016. Begründet wurde das damit, dass erst die Finanzierungszusage des Senats zu klären war. Auch sei es nötig gewesen, innerhalb der BVG die Zuständigkeit für die Ausschreibung neu zu vergeben. Mitarbeiter, die zuvor mit Herstellern zu tun gehabt hatten, sollten dafür nicht verantwortlich sein. Trotzdem: Die Entscheidung über die Vergabe kommt sehr spät.

Bekommt Berlin nun Einfach-U-Bahnen?

Fraglich ist auch, ob die Ausschreibung richtig gestaltet war. Aus der Branche ist zu hören, dass der Preis offenbar das mit Abstand wichtigste Kriterium bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe war – und die Technik weit abgeschlagen auf Platz zwei folgt. Freiwillige Zusatzangebote, die zu mehr Zuverlässigkeit und Fahrgastkomfort führen könnten, waren dem Vernehmen nach nicht erlaubt. Berlin erhält neue U-Bahnen – aber mehr als normaler Standard ist wohl nicht zu erwarten.