Neue VBB-Chefin: „Wir könnten in Berlin eine Magnetschwebebahn testen“

Sie war lange bei der BVG, CDU-Landeschef Wegner nahm sie in sein Team auf. Jetzt spricht Ute Bonde darüber, welche Ideen sie für Berlins Nahverkehr hat.

Die neue Chefin des VBB: Die Juristin Ute Bonde (56) kam von der BVG zum VBB. Ihre Vorgängerin Susanne Henckel wechselte als Staatssekretärin ins Bundesverkehrsministerium.
Die neue Chefin des VBB: Die Juristin Ute Bonde (56) kam von der BVG zum VBB. Ihre Vorgängerin Susanne Henckel wechselte als Staatssekretärin ins Bundesverkehrsministerium.Markus Wächter/Berliner Zeitung

Von ihrem Büro im sechsten Stock am Stralauer Platz in Friedrichshain kann Ute Bonde auf das Gelände des Yaam-Clubs schauen. Doch anders als ihr Team hatte die neue Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) bisher noch keine Zeit, nach der Arbeit mal auf ein Getränk vorbeizuschauen.

Die Juristin muss viele Antrittsbesuche absolvieren, obwohl eigentlich alle sie schon kennen – zuvor war Bonde seit 2009 bei der BVG. Im Interview mit der Berliner Zeitung spricht die Chefin des gemessen an der Fläche größten Verkehrsverbunds Deutschlands über Klimaaktivisten, Busse im Stau, das Deutschlandticket – und warum Berlin neue Bahnsysteme braucht.

Frau Bonde, wie sind Sie heute zur Arbeit gekommen?

Mit der S-Bahn. Straßenbahn bin ich heute auch schon gefahren. Ich habe einen Abstecher zur Invalidenstraße unternommen, zu meiner Vorgängerin Susanne Henckel im Bundesverkehrsministerium.

Haben Sie auch das Deutschlandticket Job für maximal 34,30 Euro im Monat?

Nein, ich besitze eine BahnCard 100, in die das Deutschlandticket integriert ist.

Würden Sie den Berliner Nahverkehr empfehlen?

Absolut.

Das müssen Sie ja auch.

Sicher, aber besser geht es auch gar nicht. Meine Familie kommt aus dem Rheinland. Normalerweise ist man dort mit dem Auto unterwegs. Doch wenn Verwandte bei uns in Berlin zu Besuch sind und zum Kurfürstendamm oder zur Friedrichstraße möchten, ist klar, dass sie Bus und Bahn fahren.

Trotzdem gibt es viele Menschen, die lieber das Auto oder das Fahrrad nutzen. Können Sie sie verstehen?

Dass viele gern Rad fahren, kann ich nachvollziehen. Dass für andere das Auto wichtig ist, kann ich zumindest teilweise verstehen, zum Beispiel, wenn ein Großeinkauf ansteht. Aber warum sollte ich mich für den täglichen Weg zur Arbeit mit dem Auto in den Stau stellen? Mit der S-Bahn brauche ich etwas mehr als eine halbe Stunde von zu Hause ins Büro, mit dem Auto wären es 45 Minuten. Dazu kann ich sogar noch kleine Dinge arbeitstechnisch erledigen und komme entspannt an.

Sie haben wirklich noch keine unangenehmen Erlebnisse im Berliner Nahverkehr gehabt?

Bisher ein einziges Mal. Ich war spät abends unterwegs und wollte vom S-Bahnhof Charlottenburg nach Hause. Ein anderer Fahrgast war mir allerdings nicht ganz geheuer. Da habe ich ein Taxi genommen.

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Markus Wächter/Berliner Zeitung
Die neue Chefin
Ute Bonde ist seit dem 1. Mai 2023 Geschäftsführerin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB). Zu den Aufgaben des VBB gehört ein einheitlicher Tarif, die Qualitätsmessung sowie die Ausschreibung und Bestellung von Verkehrsleistungen. Die GmbH  hat 120 Beschäftigte.                                                                                                                                      Die Juristin stammt aus dem Rheinland. Studiert hat Bonde in Bonn. Von 1995 bis 2005 arbeitete sie in der Senatsverwaltung für Finanzen, dann wechselte sie zur Wirtschaftsverwaltung. 2009 bis 2023 leitete Bonde bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Rechtsabteilung. 2015 wurde sie Finanzgeschäftsführerin bei der BVG Projekt GmbH.                                                                                                                                      CDU-Landeschef Kai Wegner holte Ute Bonde 2021 in sein Berlin-Team für den Bereich Mobilität. Sie galt als Schatten-Verkehrssenatorin.

Auf vielen Verbindungen geht es nur langsam voran. In Köpenick muss die BVG täglich den Verkehr unterbrechen, weil Straßenbahnen und Busse im Autostau in der Bahnhofstraße steckenbleiben. Auch in Reinickendorf oder auf der Kantstraße kommt das häufig vor.

Das ist ein großes Problem und ein Thema, das ich schon verfolgt habe, als ich noch bei der BVG war. Der öffentliche Verkehr ist nur dann attraktiv, wenn er schnell ist und wenn sich bei Fahrgästen unterwegs kein Frust aufstaut. Busspuren, frei von parkenden Autos, sowie Ampelvorrangschaltungen für Busse und Straßenbahnen können dazu beitragen, die Lage zu verbessern. In Berlin muss mehr für die Beschleunigung des Nahverkehrs getan werden.

Immer wieder blockieren Menschen, die mehr Maßnahmen gegen die Erderhitzung fordern, Straßen in Berlin. Leider trifft das auch den Busverkehr des BVG, obwohl er zur Mobilitätswende beiträgt. Wie finden Sie das?

Die Anliegen kann ich nachvollziehen, auch ihre Vorschläge finde ich größtenteils sinnvoll. Einige ihrer Forderungen könnten erfüllt werden, die Politik ist gefragt. Doch die Mittel, die sie für ihren Protest wählen, finde ich bedenklich, weil Straftatbestände erfüllt und andere Menschen genötigt werden. Wenn Demonstranten andere in ihrer Freiheit beschneiden, um eigene Interessen durchzusetzen, ist das bedenklich. Ich finde es nicht gut, wenn Klimaaktivisten andere Verkehrsteilnehmer behindern.

Ein Zug der U5 hält im U-Bahnhof Museumsinsel. Die BVG Projekt GmbH, deren Finanzgeschäftsführerin Ute Bonde acht Jahre war, hat das Neubauprojekt in Mitte betreut.
Ein Zug der U5 hält im U-Bahnhof Museumsinsel. Die BVG Projekt GmbH, deren Finanzgeschäftsführerin Ute Bonde acht Jahre war, hat das Neubauprojekt in Mitte betreut.Rüdiger Wölk/imago

Die Frage ist, wie sich Störungen und Beeinträchtigungen des öffentlichen Verkehrs auf die Fahrgastzahlen auswirken. Wie hat sich die Nachfrage im VBB 2022 entwickelt?

Der Trend ist positiv, die Nachfrage ist gestiegen. Im vergangenen Jahr wurde der Nah- und Regionalverkehr in Berlin und Brandenburg von 1,37 Milliarden Fahrgästen genutzt, im Schnitt rund 3,8 Millionen am Tag.  Zum Vergleich: Im Jahr davor waren es rund eine Milliarde. Die Zahl ist also gestiegen, das ist eine deutliche Steigerung um 32,6 Prozent. Dazu hat nicht nur beigetragen, dass mehr und längere Regionalzüge unterwegs sind. Das Neun-Euro-Ticket ließ die Nachfrage im vergangenen Sommer vorübergehend in die Höhe schnellen. Dieses Angebot hat nach der Corona-Flaute viele Menschen wieder für den öffentlichen Verkehr begeistert. Trotzdem ist Corona für uns noch nicht ganz vorbei. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, sind wir in Berlin und Brandenburg bei durchschnittlich 87 Prozent der früheren Fahrgastzahlen angelangt.

Ich finde es nicht gut, wenn Klimaaktivisten andere Verkehrsteilnehmer behindern.

Ute Bonde

Wie sieht es mit der Pünktlichkeit aus?

Da haben wir noch Nachholbedarf. Im vergangenen Jahr haben wir 88,2 Prozent der Fahrten im Regionalverkehr als pünktlich registriert. Das bedeutet, dass sie genau nach Plan oder um maximal vier Minuten und 59 Sekunden verspätet stattfanden. Im Jahr 2021 hatte die Pünktlichkeitsquote noch 91,6 Prozent, im Jahr 2020 sogar 93,6 Prozent betragen. Wir sind in Berlin und Brandenburg auf einem guten Weg. Aber leider noch nicht in dem Maße, in dem wir es uns eigentlich wünschen würden. Hier arbeiten wir gerade an einer Qualitätsoffensive, auch für die S-Bahn.

Warum ist die Zahl der Verspätungen gestiegen?

Einen Punkt haben Sie ja schon angesprochen. Im Busverkehr der BVG, der in die genannte Statistik nicht einbezogen wurde, ist es die Verkehrssituation, die sich negativ auswirkt. Staus und Ampeln bremsen Busse aus. Im Regionalzugverkehr sind es die vielen Baustellen, die zu Verspätungen führen können. Zugbetreiber wie die Odeg bemängeln zu Recht, dass Bauarbeiten seit einiger Zeit zum Teil sehr kurzfristig angekündigt werden. Das geht nicht, schon gar nicht in der Metropolregion Berlin-Brandenburg auf wichtigen Linien wie der RE1. Wir werden über dieses Problem mit DB Netz und den betroffenen Verkehrsunternehmen sprechen. Dass zum Beispiel auf so vielen Streckenabschnitten plötzlich so viele Betonschwellen überraschend ausgetauscht werden müssen, ist schwer nachzuvollziehen. Wir haben auch den Eindruck, dass sich die Verantwortlichen nicht immer oder nicht ausreichend absprechen.

Zu kurze Züge, überfüllte Wagen: Die Regionalbahnlinie RB26 zwischen Berlin und Küstrin-Kietz gehört seit Jahren zu den Problemlinien, die Fahrgäste ärgern sich. Hat der VBB eine Idee, wie sich dort die Verhältnisse bessern könnten?

Aus unserer Sicht lassen sich die Probleme auf der Ostbahn nur lösen, indem die Infrastruktur ausgebaut wird. Die zum Teil zurückgebaute Strecke muss auf zwei Gleise erweitert und elektrifiziert werden. Jetzt müssen wir einen Weg finden, wie das möglichst bald erreicht und finanziert werden kann. Dazu lässt der VBB gerade ein Gutachten erstellen, das im Sommer 2023 vorliegen soll. Dann werden wir auch absehen können, ob das Projekt über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz oder als internationales Vorhaben verwirklicht werden kann. Dann müssen sich Berlin, Brandenburg und der Bund verständigen. Übrigens hat sich die Situation auf der Linie RB26 deutlich gebessert. Inzwischen liegt dort der Anteil der Zugfahrten, die als pünktlich registriert werden, über 90 Prozent.

Mit dem neuen Deutschlandticket kann man für 49 Euro im Monat bundesweit fast den gesamten Nah- und Regionalverkehr nutzen. Wie kommt das neue Jahresabo in Berlin und Brandenburg an?

Schon die ersten Zahlen finde ich sehr ermutigend. Die Zahl der Abonnenten, die das neue Angebot in Berlin und Brandenburg nutzen, hat in kurzer Zeit die 650.000-Marke überschritten. Wir freuen uns auch über die rund 100.000 Neukunden im Nahverkehr. Immer mehr Menschen, die bislang noch kein Abo haben, kaufen das Deutschlandticket. Entscheidend ist jetzt: Lässt sich das Deutschlandticket langfristig stabil finanzieren? Und wie teilen der Bund und die Länder die Ausgaben langfristig auf?

Das Deutschlandticket lässt die Einnahmen sinken. Brandenburger Verkehrsbetriebe befürchten, dass sie mit noch weniger Geld auskommen müssen. Zu Recht?

Was die finanzielle Ausstattung der Verkehrsunternehmen anbelangt, gibt es in der Tat Unterschiede zwischen Berlin und Brandenburg. Wir empfehlen den Brandenburgern, sich mit anderen Betrieben zusammenzuschließen, um große Themen wie den Vertrieb des Deutschlandtickets und die Digitalisierung künftig gemeinsam anzugehen. Alleine ist das nur mit großem Aufwand möglich. Auch bei der Behebung des Fahrermangels könnten große Verkehrsunternehmen die kleinen unterstützen. Man muss nicht immer allein das Rad neu erfinden.

Warum bietet der VBB das Deutschlandticket nicht auf seiner Website an? Das wäre eine einfache Lösung.

Anders als andere Verkehrsverbünde sind wir kein Unternehmensverbund, sondern ein Verbund von Aufgabenträgern. Unsere Gesellschafter sind die Länder Berlin und Brandenburg, die Landkreise sowie die kreisfreien Städte. Um den Vertrieb in unseren Aufgabenbereich aufzunehmen, bräuchten wir eine Satzungsänderung. Es wäre aber möglich, wenn ein Verkehrsbetrieb vorangehen würde und das Deutschlandticket über die VBB-Plattform im Internet vertreibt. Über unsere App sind schon jetzt bestimmte Fahrscheine zu haben. Aber wie gesagt, entweder eine Satzungsänderung oder ein Betrieb müsste die Führung übernehmen.

Bei der Pünktlichkeit haben wir noch Nachholbedarf.

Ute Bonde

Werden Einzelfahrausweis, Tages- und Umweltkarte in absehbarer Zeit Nischenprodukte werden?

Diese Tarifprodukte werden zunächst weiterhin verkauft. Schließlich gibt es objektive Gründe, sich für sie zu entscheiden. Ein Beispiel: Während Deutschlandtickets nur für jeweils eine Person gelten, sind Umweltkarten übertragbar, sie dürfen also auch von anderen genutzt werden. Auch darf man mit ihnen einen größeren Hund und abends sowie am Wochenende Erwachsene und Kinder ohne Aufpreis mitnehmen. Vereinbart ist, dass alle bisherigen Tickets zunächst im Angebot bleiben, bis im nächsten Jahr eine bundesweite Auswertung erfolgt. An diese Vorgabe halten wir uns.

So könnte sie in Berlin aussehen, die fahrerlose, automatische Magnetschwebebahn, die das Bauunternehmen Baufirma Max Bögl bereits auf einer Versuchsstrecke im Süden Deutschlands testet. Bereits 2020 hat die Berliner CDU ein solches Personentransportsystem für Berlin vorgeschlagen. Hier fährt sie neben der Stadtautobahn.
So könnte sie in Berlin aussehen, die fahrerlose, automatische Magnetschwebebahn, die das Bauunternehmen Baufirma Max Bögl bereits auf einer Versuchsstrecke im Süden Deutschlands testet. Bereits 2020 hat die Berliner CDU ein solches Personentransportsystem für Berlin vorgeschlagen. Hier fährt sie neben der Stadtautobahn.Visualisierung: Firmengruppe Max Bögl

Wenn noch mehr Menschen das Deutschlandticket kaufen: Brauchen wir dann überhaupt noch so viele Fahrkartenautomaten?

Wohl kaum. Komplett abschaffen werden wir absehbar die Automaten nicht, aber künftig wird es sicherlich weniger Fahrscheinautomaten geben. Zum einen hat der digitale Vertrieb schon vor der Einführung des Deutschlandtickets immer mehr an Bedeutung gewonnen. Zum anderen wird zu Recht gefragt, ob wir wirklich viele verschiedene Tickets brauchen. Unser Fahrscheinsystem muss einfacher werden.

Manche halten 49 Euro im Monat für ein personengebundenes Jahresabo für zu teuer. Gefordert werden verbilligte Versionen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Halten Sie das für sinnvoll?

Meine Familie ist fünfköpfig. Ich glaube nicht, dass wir uns vor einigen Jahren fürs Deutschlandticket entschieden hätten. Weil es nur für jeweils eine Person gilt, hätten wir fünf Deutschlandtickets gebraucht. Das wäre für uns nicht attraktiv und zu kostspielig gewesen. Wir müssen schauen, wo es sinnvoll wäre, zusätzliche Angebote zu schaffen. Wichtig wäre es aber, dass sie bundesweit gelten und zur Vereinfachung des Tarifsystems insgesamt beitragen.

Das 29-Euro-Ticket in Berlin gibt es seit dem 1. Mai nicht mehr. Wird es wiederkommen?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das entscheidet nicht der Verkehrsverbund, dafür sind die Länder zuständig. Derzeit steht das Thema bei uns nicht auf der Tagesordnung.

Künftig wird es sicherlich weniger Fahrscheinautomaten geben.

Ute Bonde

Es gibt Kritik, dass das Deutschlandticket Fernpendeln fördert und vor allem der Mittelschicht nutzt.

Das kann ich schwer nachvollziehen. Nicht nur Angehörige der Mittelschicht müssen über weite Strecken pendeln. Mit dem neuen Ticket wird ein wichtiges Thema adressiert: Gerechtigkeit. Für viele Menschen stellt das Ticket eine finanzielle Entlastung dar. Ich könnte übrigens noch nicht in allen Details sagen, wie sich das neue Angebot in den kommenden Jahren auswirken wird. Der Markt ist sicher noch nicht erschöpft. Es gibt viele Menschen, die auf Neues verhalten reagieren und sich erst mal umschauen, wie es bei anderen läuft.

Wird das Deutschlandticket die Zahl der Bus- und Bahnnutzer dauerhaft in die Höhe treiben?

Ob das gelingt, hat nicht nur mit dem Ticket zu tun. Es wird vor allem davon abhängen, ob wir es schaffen, die Attraktivität, die Qualität, also das Angebot, die Zuverlässigkeit und die Pünktlichkeit des öffentlichen Verkehrs zu steigern. Ein weiteres, äußerst wichtiges Thema ist die Reisegeschwindigkeit. Kommen die Menschen schneller mit der Bahn als mit dem Auto von A nach B? Eine Umfrage des Mobility Institute Berlin hat ergeben, dass die Reisezeit für viele Menschen ein bedeutendes Kriterium ist. Für mich folgt daraus: Wenn ich den Autoverkehr und den öffentlichen Nahverkehr so gestalte, dass der öffentliche Nahverkehr Zeitvorteile bietet, können wir viel gewinnen.

Beim Ausbau des Schienennetzes müssten die Verantwortlichen also noch eine Schippe drauflegen?

Absolut. Wo es möglich ist, brauchen wir zusätzliche Strecken. Wo das nicht oder noch nicht geht, müssen wir den Busverkehr mithilfe weiterer Busspuren, Vorrangschaltungen und Expresslinien beschleunigen. Beim Tempo sind wir bei einem spannenden Thema.

Was meinen Sie?

Anfang Mai war ich mit Vertretern der BVG, der Senatsverwaltung für Mobilität und dem früheren Staatssekretär Jens-Holger Kirchner auf dem Testgelände von Max Bögl in der Oberpfalz. Hier sind wir mit der Magnetschwebebahn gefahren, die das Unternehmen dort erprobt. Der Charme dieses Systems liegt darin, dass es nicht nur Personen, sondern auch Güter sehr schnell und in dichtem Takt befördert. Alle 20 Sekunden könnten Container fahren, Weichen würden zu Ladestationen führen. Ein cooles System! Der Charme liegt auch darin, dass der Bau deutlich kostengünstiger wäre als der U-Bahn-Bau.

Die Firma Max Bögl hat bereits 2016 vorgeschlagen, den Flughafen BER und den U-Bahnhof Rudow mit einer Magnetschwebebahn zu verbinden. 2020 beschloss der Landesvorstand der CDU Berlin, sich für den Bau eines solchen Transportsystems einzusetzen. Was sagen Sie, sollte in Berlin eine Magnetschwebebahn fahren?  

Generell bin ich jemand, die eher für Visionen steht und die lieber Ideen hat als sich von vornherein zu beschränken. Wir könnten in Berlin eine Magnetschwebebahn testen. Was spricht dagegen? Aus unserer Sicht wäre es möglich und sinnvoll, eine solche Technik auszuprobieren. Es wird jetzt um die Bewertung gehen, für welche innerstädtische Verbindung ein Pilotprojekt in Angriff genommen werden könnte. Was die Strecke anbelangt, könnte das BVG-Konzept „Expressmetropole Berlin“ Anregungen geben.

Berlins einzige Seilbahn verbindet die Gärten der Welt in Marzahn mit dem U-Bahnhof Kienberg an der U5. Anfang 2023 trat eine Vertragsverlängerung in Kraft, die mindestens bis 2033 gilt. Das Land Berlin zahlt dem Betreiber, der Firma Leitner, 15 Millionen Euro.
Berlins einzige Seilbahn verbindet die Gärten der Welt in Marzahn mit dem U-Bahnhof Kienberg an der U5. Anfang 2023 trat eine Vertragsverlängerung in Kraft, die mindestens bis 2033 gilt. Das Land Berlin zahlt dem Betreiber, der Firma Leitner, 15 Millionen Euro.Benjamin Pritzkuleit/Berliner Zeitung

Darin sprechen sich BVG-Angebotsplaner dafür aus, das Berliner U-Bahn-Netz massiv auszubauen. Aus den derzeit 147 Kilometern Strecke sollen 318 Kilometer werden.

Auch bei diesem Thema gibt es neue Entwicklungen. Zu Recht wird kritisiert, dass bislang bei der Betonproduktion und beim Tunnelbau erhebliche Mengen Kohlendioxid freiwerden. Bei Max Bögl hieß es dazu, dass es möglich sei, spürbar klimafreundlicher zu bauen und den Ausstoß von Kohlendioxid um rund 40 Prozent zu senken. Die Branche hat also auf die Bedenken reagiert. Wir müssen die Wirtschaft und die Wissenschaft mit ins Boot nehmen. Dann wird es uns gelingen, ein nachhaltiges Konzept zum Ausbau des Berliner U-Bahn-Netzes zu erarbeiten. Mit diesem Konzept sind wir gerade beschäftigt. Im Herbst oder Winter 2023 soll gemeinsam mit Hamburg ein Symposium zum U-Bahn-Bau stattfinden.

U-Bahn-Projekte sind langwierig und kostspielig. Viel schneller ließen sich mit dem Ausbau des Straßenbahnnetzes Erfolge für die Fahrgäste erringen.

Alle Verkehrsträger müssen betrachtet werden, und dann ist zu entscheiden, wo welcher Verkehrsträger sinnvoll ist. Für die U-Bahn spricht, dass sie oberirdisch auf den Straßen niemandem Verkehrsraum wegnimmt. Außerdem hat sie eine größere Kapazität als zum Beispiel der Bus oder die Straßenbahn. Dass die U-Bahn schnell und witterungsunabhängig ist, sind weitere Pluspunkte. Aber natürlich wird es auch Fälle geben, in denen die Straßenbahn oder der Bus das Mittel der Wahl ist.

Bislang gibt es in Berlin nur eine Seilbahn, in Marzahn. Halten Sie Seilbahnen für sinnvolle Ergänzungen des Verkehrsnetzes in Berlin und Brandenburg?

Seilbahnen könnten das Berliner Verkehrsnetz ergänzen. Auch bei diesem Thema gilt: Wir brauchen einen Piloten, und wir müssen Neues ausprobieren. Ich hielte es für sinnvoll, an einer passenden Stelle eine Seilbahn zu bauen und dieses Verkehrssystem ausgiebig zu testen. Wenn ich zum Beispiel in den Westen Berlins schaue, frage ich mich: Warum sollte keine Seilbahn über die Havel hinwegfahren? Eine Verbindung zwischen Gatow oder Kladow auf der einen und Wannsee auf der anderen Seite würde dazu beitragen, Umwege zu ersparen, die Reisezeit zu verringern und den öffentlichen Verkehr attraktiver zu machen. Wir müssen in Berlin auch beim Verkehr visionär denken. Ein Visionär zu sein bedeutet, nicht mehr im Status quo zu verharren und neue Dinge erproben.

Seilbahnen könnten das Berliner Verkehrsnetz ergänzen.

Ute Bonde

Bei Grünheide östlich von Berlin will Tesla mit zusätzlicher Infrastruktur dafür sorgen, dass Beschäftigte mit der Bahn zur Arbeit kommen. Ist das aus Ihrer Sicht ein Modell?

Ich finde es richtig, je nach Fall zu prüfen, ob man private Investoren in die Pflicht nimmt, um den öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten. Wenn Unternehmer wie Kurt Krieger Ideen für die Bebauung der Elisabethaue in Pankow entwickeln, sollte die Infrastruktur eine Rolle spielen. Auch wenn es zu einer Randbebauung des Tempelhofer Felds kommen sollte, könnten Private aktiv werden, damit Verkehrsanlagen fertig bereitstehen, wenn die neuen Häuser bezogen werden. Dort ginge es darum, einen S-Bahn-Haltepunkt am Ring einzurichten. Auf dem Tempelhofer Feld könnte auch eine Magnetschwebebahn verkehren. Eine Ringstrecke könnte die Randbebauung erschließen.

Zurück in die Gegenwart. Wann werden Sie das nächste Mal den Berliner Nahverkehr nutzen?

Heute Abend. Dann geht es mit der S-Bahn nach Hause.