Namen und Nebel: Rätselraten um Berlins neuen Justizsenator

In der römischen Mythologie kennt man Fama, die Gottheit des Gerüchts. Sie wacht zwischen Himmel und Erde, hört alles, sieht alles. Auch in der Landespolitik der Hauptstadt der Atheisten wird der römischen Göttin gehuldigt.

Seit Wochen wird gerätselt, wer Berlins neuer Justizsenator werden könnte. Jetzt gibt es wieder einen Namen: Alexander Straßmeir, 47 Jahre alt, Vize-Verwaltungschef der Evangelischen Landeskirche, ehemaliger CDU-Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf. Eigentlich sollte er zum 1. Januar Staatssekretär in der Justizbehörde werden. Nun heißt es, Straßmeir könnte nach dem Rücktritt von Michael Braun wegen der Affäre um sogenannte Schrottimmobilien aufsteigen. Es würden sich die Hinweise darauf verdichten, schrieb das Springer-Blatt BZ am Dienstag. Die Floskel ist verräterisch: Hinweise verdichten sich? Nebel kann sich verdichten, auch der Verkehr. Aber Hinweise? Wenn Hinweise in den Medien dichter werden, dann kann man sicher sein, dass die Klarheit schwindet und die Sicht schlechter wird. „Bei mir verdichtet sich nichts“, sagt ein gut informierter CDU-Funktionär, der nicht zitiert werden will. Parteiintern war schon Straßmeirs Ernennung als Staatssekretär umstritten, eine Beförderung deshalb unwahrscheinlich: Er wurde von Braun geholt – zur Verwunderung des Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, wo Straßmeir offenbar seit Jahren nicht mehr aktiv ist.

Mangels anderen Gesprächsstoffs in den ereignisarmen Tagen sorgte das Gerücht aber für erhebliche Unruhe in der CDU. Es sei am Dienstag viel telefoniert worden, hieß es aus Parteikreisen.

Andere Namen kursieren unterdessen weiter. In der Justizbehörde gilt die langjährige Stadträtin aus Steglitz-Zehlendorf, Cerstin Richter-Kotowski, als heiße Kandidatin für den Chefsessel. Ihr Name wird nicht konkret genannt, sie heißt nur die „Dame mit dem Doppelnamen“. Richter-Kotowski würde sich in die Tradition der Justizministerinnen mit Doppelnamen einfügen. Man denke nur an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger oder Roswitha Müller-Piepenkötter, Ex-Justizministerin in Nordrhein-Westfalen (NRW), unter Fachleuten auch als „Müpi“ bekannt. Jene Müpi wird übrigens von den Gerüchtegöttern der Landespolitik auch als mögliche Anwärterin auf den Berliner Justizsenatorposten genannt. Die CDU-Politikerin ist zwar Bundesvorsitzende der Opferorganisation Weißer Ring, hat aber seit dem Regierungswechsel in NRW kein politisches Amt. Barbara Richstein, Ex-Ministerin aus Brandenburg, gilt eher als unwahrscheinlich.

Ginge es nach den Mitarbeitern der Justizbehörde, würde Helge Sodan, der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, neuer Senator. Unter Juristen hat er einen exzellenten Ruf. Doch weil der Justizsenator von Politikern ernannt wird, muss dies kein Vorteil sein. Am 12. Januar soll der Neue vereidigt werden. Dies ist übrigens kein Gerücht.