Naturkundemuseum warnt: Ein Fünftel aller Reptilienarten von Ausrottung bedroht

Das Museum für Naturkunde Berlin ist an der ersten weltweiten Bedrohungsanalyse beteiligt. Vor allem Schildkröten und Krokodile sind weltweit gefährdet.

Von der westafrikanischen haarigen Buschviper (Atheris hirsuta) wurden bisher nur zwei Männchen gefunden. Die Art gehört zu den Reptilien, für die laut Studie kaum Daten vorliegen.
Von der westafrikanischen haarigen Buschviper (Atheris hirsuta) wurden bisher nur zwei Männchen gefunden. Die Art gehört zu den Reptilien, für die laut Studie kaum Daten vorliegen.Johannes Penner/Frogs and Friends e.V.

Berlin-Zum ersten Mal haben Wissenschaftler analysiert, wie es den Reptilienarten dieser Welt geht. Beteiligt daran ist auch das Museum für Naturkunde (MfN) Berlin, das nicht nur einer der beliebtesten Ausstellungsorte der Stadt ist. Als Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung erforscht es die Entwicklung der Arten auf der Welt. Was die Reptilien betrifft, ist die Aussicht nicht gut. Ein Fünftel aller erfassten Reptilienarten sei bedroht, heißt es in einer jetzt publizierten Studie im Fachjournal Nature. Besonders gefährdet seien Schildkröten und Krokodile.

Einer der Hauptgründe sei die Zerstörung und Veränderung von Habitaten, also Lebensräumen der Tiere, so die Forscher. „Es ist deshalb besonders wichtig, nach Lösungen zu suchen, um intakte Lebensräume, insbesondere Wälder, in ihrem natürlichen Zustand zu erhalten oder, falls möglich, allenfalls nachhaltig zu nutzen“, erklärt Mark-Oliver Rödel, einer der Co-Autoren der Studie. Rödel, der einst in Tübingen Biologie studierte und in Würzburg forschte, ist seit 2007 am Berliner Naturkundemuseum. Seine Arbeitsgruppe erforscht die Reaktionen von Arten auf veränderte Umweltbedingungen wie Klimawandel, Abholzung, nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen und Krankheiten.

Schildkröten und Krokodile sind vor allem durch Jagd und Handel bedroht

Weltweit soll es mindestens 11.690 Reptilienarten geben, 10.196 davon wurden erstmals umfassend in Hinblick auf ihre Bedrohung untersucht. Das betrifft Schildkröten, Krokodile, Schlangen, Echsen und Brückenechsen. Daten von 961 Wissenschaftlern, zusammengestellt in der globalen Roten Liste der Weltnaturschutzunion, flossen in die Analyse ein.

Insgesamt seien 21 Prozent der Reptilienarten bedroht, so die Wissenschaftler – einige davon deutlich stärker als andere, wie der Biologe Philipp Wagner vom Allwetterzoo in Münster sagt, ebenfalls Co-Autor der Studie. So seien 58 Prozent aller Schildkrötenarten und 50 Prozent aller Krokodilarten von der Ausrottung bedroht, sagt Wagner, „und zwar nicht etwa an erster Stelle durch Lebensraumverlust, sondern vor allem durch die illegale Jagd und Handel“. Zusammen mit den Amphibien gehören diese beiden Gruppen so zu den am stärksten bedrohten Landwirbeltieren weltweit.

Diese asiatische Art namens Zhous Scharnierschildkröte (Cuora zhoui) ist bisher nur aus dem Handel bekannt. Biologen haben sie noch nie in der Natur gefunden. Vermutet wird, dass sie dort bereits ausgestorben ist.
Diese asiatische Art namens Zhous Scharnierschildkröte (Cuora zhoui) ist bisher nur aus dem Handel bekannt. Biologen haben sie noch nie in der Natur gefunden. Vermutet wird, dass sie dort bereits ausgestorben ist.Christian Langner/Allwetterzoo Münster

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie sei, dass für 1500 der erfassten 10.196 Arten nicht genügend Daten vorlägen, um sie aus Sicht des Artenschutzes bewerten zu können, teilt das Berliner Naturkundemuseum mit. Da es sich meist um Arten mit einem kleinen Verbreitungsgebiet handle, könne man davon ausgehen, dass die meisten von ihnen ebenfalls stark bedroht seien. Die Hauptautoren der Studie sitzen in den USA, weitere kommen unter anderem aus China, Frankreich, England, Australien, Indonesien, Südafrika und Brasilien – und auch aus Russland.

Landwirtschaft, Holzeinschlag, Stadtentwicklung und invasive Arten

Die Reptilien umfassten „15,6 Milliarden Jahre phylogenetischer Vielfalt“, so die Wissenschaftler. Entgegen ihrer Vorhersage seien Reptilien in Wäldern stärker bedroht als in trockenen, sogenannten ariden Lebensräumen. Das betreffe vor allem Regionen in Südostasien, Westafrika, Nordmadagaskar, den nördlichen Anden und der Karibik – dagegen kaum die australischen Trockengebiete, die Wüsten Kalahari, Karoo und Sahara, um nur einige zu erwähnen.

Als Hauptgründe für die Bedrohung nennen die Autoren neben der Jagd auf Schildkröten und Krokodile vor allem „Landwirtschaft, Holzeinschlag, Stadtentwicklung und invasive Arten“, wobei die Bedrohung durch den Klimawandel ungewiss bleibe. Allein durch die Ausbreitung neuer Säugetierarten auf Inseln seien 257 Reptilienarten bedroht. Es brauche dringend gezielte Maßnahmen zum Schutz der Reptilien. Dazu gehörten neben der Kontrolle invasiver Arten und eingeschleppter Krankheiten vor allem die Erhaltung der Lebensräume, ganz besonders der Wälder, der Stopp „nicht nachhaltiger Ernten“ und die Kontrolle des illegalen Handels.