Nazis verwüsten Pizzeria: Staatsschutz ermittelt in Friedrichshain

Vier Tage nachdem seine Welt aus den Fugen geriet, sitzt Hussein Badiny an einem der Tische in seinem Restaurant vor einem Stapel Papiere. Der Mann von der Versicherung ist gerade zur Tür raus. Badiny hat ihm alles gezeigt: die aufgeschlitzten Lederstühle, die zerkratzten Tische, die SS-Runen an der Wand, das Hakenkreuz, den Schriftzug „Ausländer raus“, der neben der Küchentür prangt – und überall der feine Feuerlöschstaub, der an den Schuhen kleben bleibt wie Mehltau.

„Das war kein gewöhnlicher Einbruch“, sagt Badiny, „das war ein Massaker.“ Er sagt das ruhig. Obwohl seit Dienstag nichts mehr ruhig ist in seinem Leben. Sein Telefon klingelt alle paar Minuten, dann ist sein Sohn dran, acht Jahre alt, oder seine Frau. Sie wollen seine Stimme hören, als könnte ihm nun jederzeit etwas zustoßen, wo er zuvor doch jeden Tag Teller mit Pasta an die Tische brachte, in seinem eigenen Restaurant mitten in Friedrichshain, wo die Palisadenstraße die Koppenstraße kreuzt.

Das hier ist keine Gegend, in der man Angst vor Rechtsradikalen haben muss, eigentlich. Hin und wieder hat es Schmierereien in den Hauseingängen gegeben, erzählen Nachbarn. Badiny aber wusste davon nichts. Es habe keine Drohungen gegeben, keine Vorwarnung.

"Ich bin mit allem allein"

„Die Tür stand offen“, sagt er, „da wusste ich sofort, dass etwas nicht stimmt.“ Er rief die Polizei, die Beamten untersuchten den Tatort. Seitdem habe er nichts gehört. Auch nicht vom Staatsschutz, der inzwischen ermittelt. Neue Erkenntnisse gibt es bisher nicht, heißt es.

„Ich bin mit allem allein“, sagt Badiny. Mit dem Chaos, und jetzt auch noch mit den Zahlen, die ihm der Versicherungsmann vorrechnete, und die, wie er sagt, weit unter der Summe liegen, die es kosten würde, alles zu reparieren. Er hatte doch im Oktober erst aufgemacht, hat sich mit dem Restaurant einen Traum erfüllt. Er ist jetzt 43 Jahre alt. „Ich wusste, dass es nicht einfach wird“, sagt er, im Kiez wohnen viele ältere Leute. Manchmal kommt es Badiny hier vor wie ein Niemandsland zwischen Ost und West. Kurz nach der Eröffnung habe mal ein Mann vor der Tür gestanden: „Sind Sie der neue Besitzer? Woher sind Sie?“ Als er hörte, dass Badiny aus Ägypten stammt, rümpfte er die Nase. „Mit sowas kann ich leben“, sagt Badiny. Er hat, bevor er 1995 nach Deutschland kam, in Kairo Psychologie studiert. „Ich kann zuhören.“ Also habe er auch nur zugehört, als zwei junge Männer in sein Restaurant kamen, Glatzen, Tattoos – Rechte, da ist sich Badiny sicher. Was er hier wollte, hätten sie gefragt, er nähme den Deutschen die Arbeit weg. Mehr passierte nicht.

Badiny sagt, er sei froh gewesen, als er das Restaurant gefunden hatte, trotz der Lage. Im August vergangenen Jahres renovierte er, verputzte Wände, verlegte Fliesen, baute einen Tresen aus hellem Holz und Backsteinen. Er servierte den Leuten Pizza, Pasta und Steaks. Ägyptisches Essen, dachte er, ist zu exotisch für die Gegend, Hausmannskost, wie es sie hier einst gab, als das Lokal noch Pali Eck hieß, schien ihm nicht passend. Pizza geht immer. „Es lief gut“, sagt er. Es musste: Er hatte einen Kredit aufgenommen und Geld von einem Cousin geliehen. Seine Frau hatte das dritte Kind bekommen.

Hussein Badiny ist keiner, der Angst vor der Zukunft hat. Und die Deutschen habe er immer gemocht, sagt er, seit er als Kind in einem Geschichtsbuch über dieses große, geteilte Land gelesen hatte. Er mochte den Klang der Sprache. Also lernte er in der Schule Deutsch. Und verliebte sich in eine deutsche Touristin. Mit ihr kam er nach Deutschland. Er ließ sich zum Restaurantfachmann umschulen, in der Gastronomie findet man immer Arbeit, dachte er. Und bekam nur Aushilfsjobs. Für fünf Jahre arbeitete er in Norwegen. Er kam zurück, weil sein Sohn hier zur Schule gehen soll.

Jetzt hat er Angst um seine Kinder. „Wenn es nur um mich ginge, würde ich kämpfen“, sagt er. „Aber die Gefahr ist persönlich geworden. Wer sowas macht, spürt Hass.“ Badiny hat sich bereits bei seinem Vermieter erkundigt, ob sich sein Mietvertrag verkürzen ließe. Er sagt, er will weg. „Lass uns nach Ägypten gehen“, sagt seine Frau. „Ägypten ist eine Katastrophe“, sagt er. Er hat einen deutschen Pass. In Ägypten hört er oft, er sei ein Fremder. Badiny sagt, er wisse nicht wohin.

Die Tür geht auf, eine Frau steckt den Kopf herein, eine Nachbarin, sie streckt Badiny eine Sonnenblume entgegen und eine Karte. Badiny liest: „Geben Sie nicht auf. Nicht alle denken so. Und natürlich sind Sie willkommen.“ Es ist das erste Zeichen seit vier Tagen, dass Hussein Badiny doch nicht ganz allein ist.