Neapel zwischen Pizza, Aperol und Frankfurter Ultras: „Die Deutschen sind Barbaren“

Unser Autor liebt Neapel: Pizza, Limoncello, Fußball und die Aussicht auf den Vesuv. Doch vergangene Woche verwandelt sich die Stadt in ein Kriegsgebiet.

Rund um das Champions-League-Spiel SSC Neapel gegen Eintracht Frankfurt ist es zu Ausschreitungen gekommen.
Rund um das Champions-League-Spiel SSC Neapel gegen Eintracht Frankfurt ist es zu Ausschreitungen gekommen.Salvatore Laporta/AP

Die Spaghetti mit Muscheln schmecken wie immer hervorragend in Mergellina – dem Küstenbezirk von Neapel. Später gibt es noch einen Aperol Spritz am Piazza del Gesu. Für nur zwei Euro. Dazu angenehme 20 Grad, während zeitgleich Schneeschauer durch Berlin ziehen. Doch die gute Frühlingslaune in der süditalienischen Metropole schlägt am Mittwoch ruckartig und doch erwartbar um: in Gewaltexzesse, die selbst das berüchtigte Neapel schon lange nicht mehr gesehen hat.

Am Mittwoch fand nämlich das Rückspiel im Champions-League-Achtelfinale zwischen der SSC Neapel und Eintracht Frankfurt statt. Schon im Vorfeld ging es viel um „Sicherheitsbedenken“ der italienischen Behörden, denn Fans der Partenopei und der Adler gelten als verfeindet. Insbesondere deshalb, da die SGE-Ultras mit Fans aus dem norditalienischen Bergamo befreundet sind. Neapel und Bergamo haben sich wiederum so lieb wie Fans des BFC Dynamo und des 1. FC Union Berlin. Also nach dem Motto: der Feind meines Freundes ist auch mein Feind.

Die Präfektur Neapel entschied sich deshalb, pauschal alle Eintracht-Anhänger vom Spiel auszusperren. „Eine skandalöse Entscheidung“, da ist sich die Sportwelt einig. Immerhin hat der erste Einspruch der SGE sofort Erfolg gehabt, dann sollten allerdings keine Karten an Fans aus dem Frankfurter Einzugsgebiet herausgegeben werden. Auch ein Neapel-Verbot für deutsche Staatsbürger steht kurzzeitig im Raum. Touristen aus dem Bundesgebiet, die von dem Zwist hören, jedoch nichts mit Fußball am Hut haben, sind verwirrt. Am Ende entscheidet sich die Eintracht, auf das ihr zustehende Kontingent an Stadionkarten zu verzichten.

Neapels Altstadt eine „Kriegszone“

Frankfurter Ultras kommen trotzdem in der Nacht zum Mittwoch per Zug nach Neapel. Die Polizei lässt sie fortan nicht mehr aus den Augen. Wenige Stunden vor Spielbeginn eskaliert die Lage: brennende Autos, zerstörte Restaurants und Bars, ein Dutzend verletzte Polizisten. Italienische Medien schreiben in ihren Live-Tickern von einer „Kriegszone“ oder „Guerillakämpfen“ in den engen Gassen von Neapel, Rauchschwaden ziehen über die Dächer der Stadt.

Anwohner in der Altstadt von Neapel leben in großer Angst am Mittwoch. Sie vermeiden es rauszugehen, Pizzabäcker schließen ihre Läden, Passanten verstecken sich in einer Kirche, um nicht zwischen die Fronten der Fußballfans zu geraten. „Die Deutschen sind Barbaren“, sagt ein Restaurantbesitzer. Es herrscht Wut und Antipathie gegenüber den Frankfurtern, die in den Auseinandersetzungen die Innenstadt verwüsten.

Der Gästeblock in Neapel blieb am Mittwoch leer.
Der Gästeblock in Neapel blieb am Mittwoch leer.Gregorio Borgia/AP

Aber auch die italienischen Behörden stehen unter Erklärungsnot. Eigentlich wollte man ja solche Straßenschlachten verhindern. So rechtfertigt zwar das Hick-Hack um die Zulassung der SGE-Fans diese Szenen nicht, begünstigt sie jedoch, wenn Tausenden Frankfurtern das emotionalste Spiel ihres Lebens genommen wird. Zudem ist es am Ende eine gravierende Fehlwahrnehmung der neapolitanischen Polizei, die dachte, reiselustige Frankfurter – insbesondere die gewaltaffinen Jungs – würden nicht nach Süditalien kommen, nur weil man sie nicht ins Stadion lasse.

Die Folgen dieses Tages sind für alle Beteiligten noch unklar. Neapel steht unter Schock, obwohl ihre Mannschaft souverän ins Viertelfinale eingezogen ist – zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Die Auslosung für die nächste Runde brachte den Neapolitanern den AC Mailand. Also armer Süden gegen reicher Norden. Mitte April findet das Rückspiel am Fuße des Vesuvs statt.