Neue App: Passanten sollen Falschparker melden: Straßensheriffs mit Handy
Die vielen Möglichkeiten, die Smartphone-Besitzer heutzutage dank tausender Apps schon haben, könnten bald um eine weitere Funktion erweitert werden. Straßensheriff heißt ein Handy-Programm, das der Berliner Heinrich Strößenreuther im nächsten Jahr auf den Markt bringen will. Mithilfe der App können Passanten Falschparker ans zuständige Ordnungsamt melden. Sie brauchen dafür nur ein Foto mit ihrer Handykamera zu machen, das Smartphone schickt dieses Foto mit dem Autokennzeichen und den GPS-Daten an das zuständige Ordnungsamt. Die Streife, die am nächsten ist, kann sofort reagieren und ein Bußgeld verhängen. Schneller geht es kaum.
Strößenreuther, der früher bei Greenpeace Kampagnen organisiert hat, sieht sein Projekt nicht als kostenloses Angebot für Petzer, Hilfspolizisten und Denunzianten, sondern argumentiert immer noch als Umweltschützer. Er will das Radfahren in der Großstadt sicherer und attraktiver gestalten. „Unser Ziel ist eine Vision“, sagt der 45-Jährige. „Die clevere Stadt, die Klimaschutz auf pfiffige Weise mit Mobiltität und Lebensqualität verbindet. Eine Stadt, in der Rad-, Rolli- und Kinderwagenfahrer ihren Platz haben, in der sie sich frei, sicher und schnell bewegen können.“ Es ist ein Kampf um die Plätze: Auto oder Radfahrer.
Persönliche Erlebnisberichte
Die App soll den Nutzern folgende Möglichkeiten bieten: Sie können Orte in der Stadt markieren, an denen Autofahrer Rad- und Gehwege blockieren. Autofahrer wüssten dann beim Nachschauen auf der App, wo sie besser nicht unerlaubt parken sollten, weil es dort genug aufmerksame Radler gibt. Radfahrer haben zudem die Möglichkeit, ihre persönlichen Erlebnisberichte auf der App zu hinterlassen oder dem Autofahrer eine Nachricht zu schreiben, die dieser nachlesen kann, wenn er sein Autokennzeichen in die Suchmaske der App eingibt. „Unser Ziel ist der Dialog“, sagt Strößenreuther.
Und fallen Autofahrer durch wiederholtes Falschparken auf, können Passanten und Radfahrer diese gleich beim Ordnungsamt anzeigen. Strößenreuther fügt hinzu, dass auch Radfahrer Verkehrsregeln missachten, alle müssten sich an die Regeln halten.
Ob und in welchem Umfang Strößenreuther seine App realisieren kann, hängt von der Finanzierung ab. Derzeit sucht der Initiator auf der Internetseite startnext.de per Crowdfunding, das ist Spendensammlung im Internet, Unterstützer. Sie sollen sich an der Finanzierung beteiligen. Über 8200 Euro zeigte das Spendenkonto am Montag an, mindestens 33.000 Euro werden für die Basisversion benötigt, das Doppelte für alle geplanten Funktionen. Die Spendenaktion läuft noch bis zum 11. November. Wenn Strößenreuther das benötigte Geld gespendet bekommt, soll die App im Frühjahr 2014 auf dem Markt erscheinen.
Und einen Interessenten gibt es auch schon. Pankow ist der erste Berliner Bezirk, der die App ausprobieren will. Der Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten, Torsten Kühne (CDU), unterstützt die Entwicklung der App und wird sie auch in der Bezirksverwaltung einsetzen. „Wir sorgen so für mehr freie Rad- und Gehwege“, sagt Kühne. „Und wir können den zahlreichen Beschwerden und Hinweisen über falsch parkende Autos noch schneller und zielgerichteter nachgehen.“ Die Ordnungsämter in den Bezirken sind für den ruhenden Verkehr zuständig.
Kühne könnte sich künftig auch vorstellen, dass Bürger die App nutzen, um weitere Missstände im Bezirk zu melden, sei es illegal abgeladener Müll, ungepflegte Grünanlagen, unerlaubte Schankvorgärten und Schlaglöcher auf den Straßen.
Kein zweites Ordnungsamt
Bisher steht Pankow allein da. Andere Bezirke lehnen eine Nutzung der App rigoros ab. Man wolle kein zweites Ordnungsamt aufbauen, heißt es in Charlottenburg-Wilmersdorf. Und Andreas Prüfer (Linke), Stadtrat in Lichtenberg, sagt, er wolle keine Hilfssheriffs rekrutieren. „Warum sind nur alle so scharf darauf, jemanden zu melden?“ Es gebe bereits einen elektronischen Zugang für Beschwerden und Verstöße, sagt Prüfer. Jährlich bearbeitet das Amt etwa 15.000 Beschwerden, die meisten kommen per Telefon.
Lichtenberg und Marzahn-Hellerdorf nutzen die in Brandenburg entwickelte Beschwerdeplattform Maerker, auf der Bürger ihre Anfragen und Beschwerden hinterlassen und über die Bearbeitung ihrer Meldung informiert werden. In den kommenden Jahren will Berlin stadtweit ein zentrales Online-Beschwerdemanagement einrichten.
Auch die Berliner Polizei zeigt kein Interesse. Eine Projektgruppe Neue Medien beschäftigt sich mit der Nutzung des Internets für die Polizeiarbeit. Eine App wie Straßensheriff sei jedoch nicht geplant, sagte ein Polizeisprecherin am Montag.
Hingegen wird sich der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix bald mit der App befassen. Er werde beim Entwickler eine Stellungnahme anfordern, ebenso beim Bezirksamt Pankow. „Wenn jemand an den weltweiten Internetpranger gestellt wird, sehen wir das kritisch“, sagt die Sprecherin der Datenschutz-Behörde, Anja-Maria Gardain.