Neue Ausstellung im Stasi-Knast: Wie sah der Alltag der Frauen in Hohenschönhausen aus?

Tausende DDR-Oppositionelle gingen in der Stasi-Haftanstalt einer harten Arbeit nach. Eine neue Ausstellung gibt tiefe Einblicke in den Gefängnisalltag.

In diesem Keller befand sich das Untersuchungsgefängnis der Stasi.
In diesem Keller befand sich das Untersuchungsgefängnis der Stasi.Gerd Engelsmann

Wilma Reuß hatte vergessen, mehrere Kilo Hähnchenfleisch zu kühlen. Der Geruch war furchtbar, das Fleisch war vergammelt. Sie bekam Panik, hatte Angst vor einer Strafe. Denn Reuß war einem Arbeitskommando im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen zugeteilt. Sieben Jahre lang saß sie als politische Gefangene in der größten Untersuchungshaftanstalt Ost-Berlins und arbeitete in der Großküche. Sie schnitt das vergammelte Fleisch in kleine Stücke und warf alles in den Abfluss. Mit Glück ist sie davongekommen.

Viele solche kleinteilig erzählten Geschichten können Besucher vom kommenden Freitag an in der Gedenkstätte Hohenschönhausen besichtigen. Unter dem Titel „In Zwangsgemeinschaft. Die Arbeitskommandos der Strafgefangenen in Hohenschönhausen“ zeigt die Gedenkstätte die Bedingungen für Inhaftierte in der DDR. Auch die Stasi benötigte Arbeitskräfte, um den Gefängnisbetrieb aufrechtzuerhalten und die Gefangenen zu versorgen. Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) bildete sogenannte Arbeitskommandos aus Inhaftierten: Männer reparierten häufig die Autos der Mitglieder des Ministerrats der DDR, inhaftierte Frauen dagegen kochten, wuschen, nähten und bügelten für die gefangenen Männer.

Andreas Engwert und Eva Fuchslocher sind die Macher der Ausstellung
Andreas Engwert und Eva Fuchslocher sind die Macher der AusstellungGerd Engelsmann

Ob in der Großküche, in der täglich über 250 Mahlzeiten zubereitet wurden, oder im Wäscheraum, wo Gefangene die Kleidung der Stasi-Mitarbeiter waschen mussten. Auf interaktive Weise können Besucher in den Arbeitsalltag der Inhaftierten eintauchen. So werden mithilfe von Tablets Stasi-Dokumente und Berichte von Zeitzeuginnen virtuell zugänglich gemacht: von der Küchenplanung über das Rezeptbuch für 200 Portionen Kartoffelsuppe bis zur Denunziation einer lesbischen Beziehung unter den Gefangenen.

Die Küchen- und Wohntrakte des Gefängnisses sind im Originalzustand erhalten. Kleinteilige Informationstafeln mit langen Textpassagen findet man in den Ausstellungsräumen nicht. Das Ziel sei, sagt Andreas Engwert, Leiter der Ausstellung, dass „die Besucher mit den Tablets die Räume selbst erkunden“.

Auch Helge Heidemeyer – Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen – ist froh, die Ausstellung in dieser Woche eröffnen zu können. Besonders die Großküche, die für Besucher bisher nicht zugänglich war, soll „aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen“. Seit der friedlichen Revolution war die Küche zu keinem Zeitpunkt Teil der Dauerausstellung.

Die neue Ausstellung gewährt einen intensiven Einblick in den Gefängnisalltag weiblicher Gefangener.
Die neue Ausstellung gewährt einen intensiven Einblick in den Gefängnisalltag weiblicher Gefangener.Gerd Engelsmann

Mit diesem besonderen Projekt will sich die Gedenkstätte Hohenschönhausen auch mit dem historischen Rollenbild von weiblichen Inhaftierten in der DDR eingehender befassen. „Der Fokus soll auf Frauen gelegt werden“, sagt Projektleiterin Eva Fuchslocher. „Frauen waren eine noch kleinere Gruppe, noch marginalisierter unter den Gefangenen.“ Für die Gedenkstätte sind die Arbeitskommandos sowie Versorgung und Überwachung unter den Häftlingen ein neues Kapitel in der Aufarbeitung der DDR-Geschichte.

Die Ausstellung „In Zwangsgemeinschaft. Die Arbeitskommandos der Strafgefangenen in Hohenschönhausen“ ist ab Freitag, 24. Februar 2023 zu sehen. Öffnungszeiten: täglich von 10 bis 16 Uhr. Die Ausleihe der Tablets erfolgt beim Besucherzentrum der Gedenkstätte. Der Eintritt ist frei.