Neue BND-Zentrale in Berlin-Mitte: Die Spione kommen – und mit ihnen die Luxuswohnungen
Die Verkäuferin im Café und Feinkostladen La Vita ist zufrieden. „Früher war das eine ruhige Ecke hier“, sagt sie. Aber mittlerweile „ist es lebendiger geworden“. Es kommt mehr Laufkundschaft. Das ist gut fürs Geschäft.
Das La Vita liegt direkt gegenüber der künftigen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) an der Chausseestraße in Mitte. Zwar soll der Neubau für die 4000 Mitarbeiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes erst 2016 fertig werden, aber rund um den riesigen Büro-Komplex verändert sich schon jetzt das ganze Stadtviertel. Altbauten werden saniert, in Baulücken entstehen neue Wohnungen, Gewerbeflächen und Hotels. Allein auf dem etwa 800 Meter langen Abschnitt der Chausseestraße zwischen Invaliden- und Liesenstraße laufen die Arbeiten an einem halben Dutzend Bauprojekte.
„Sapphire“ heißt das wohl spektakulärste Bauvorhaben, das nach Plänen des US-amerikanischen Star-Architekten Daniel Libeskind gegenüber dem Haupteingang der BND-Zentrale realisiert wird – der englische Name für den Edelstein Saphir ist zugleich Programm. Im Sapphire entstehen 73 Eigentumswohnungen in einem Baukörper, dessen spitz zulaufende Ecken und Kanten an einen geschliffenen Edelstein erinnern sollen. Die Kaufpreise bewegen sich zwischen 5250 Euro je Quadratmeter für eine Wohnung zur belebten Chausseestraße und 9250 Euro je Quadratmeter für eine Wohnung im Dachgeschoss.
„Nach einem Monat war schon die Hälfte der Wohnungen reserviert“, sagt André Schlüter von der Firma Ziegert, die mit der Vermarktung beauftragt ist. „Wir gehen davon aus, dass das Gebiet durch den Umzug der 4000 BND-Mitarbeiter einen ordentlichen Schub erhalten wird“, sagt Schlüter. Direkt neben dem Sapphire entstehen rund 400 Wohnungen in den Feuerlandhöfen und 270 Wohnungen im Neubauprojekt The Mile. Und an der Chausseestraße, kurz vor der Liesenstraße, werden weitere rund 280 Wohnungen im Projekt The Garden errichtet.
„Der BND hat für eine starke Aufwertung der Umgebung gesorgt, die sich in vielen Neubauten zeigt“, sagt Aljoscha Hofmann von der Initiative Think Berlin, einer Gruppe von Architekten und Stadtplanern, die die Gestaltung Berlins kritisch begleitet. „Negativ ist dabei natürlich, dass hier fast ausschließlich hochpreisige Wohnungen entstehen.“ Hofmann sieht aber noch ein weiteres Problem: Der Neubau der BND-Zentrale liegt in einer zehn Hektar großen Hochsicherheitszone zwischen Scharnhorststraße, Habersaathstraße und Chausseestraße. „Wir haben ein abgeschottetes Areal, um das man herumlaufen muss“, sagt er.
„Das heißt, der nördliche und südliche Teil des Quartiers am BND werden wenig miteinander zu tun haben, weil es zu aufwendig ist, von einem in den anderen Teil zu kommen.“ Man laufe nicht um den Block, um auf der anderen Seite einen Kaffee zu trinken. Für die Attraktivität einer Stadt sei das ein Nachteil. „Ein lebendiges Stadtviertel mit Wohnungen und Geschäften wäre besser gewesen“, sagt Hofmann. Wobei unter den neuen Wohnungen auch immer ein Anteil preiswerter Unterkünfte sein sollte, um eine soziale Durchmischung des Quartiers zu erreichen.
Die neue BND-Zentrale entsteht auf dem früheren Areal des Stadions der Weltjugend. Der Berliner Architekt Jan Kleihues hat den riesigen Bürokomplex entworfen. Er ist 283 Meter lang, 148 Meter breit, rund 30 Meter hoch. Eigentlich sollte der Neubau schon im Jahr 2011 fertig werden. Doch daraus wurde nichts. Unter anderem, weil es Probleme mit den Lüftungskanälen gab.
Weil die bereits eingebauten Schächte angeblich nicht die erforderliche Qualität aufwiesen, mussten sie auf einer Länge von zwölf Kilometern wieder entfernt werden. Wegen des Ausbaus konnten andere Baufirmen nicht wie geplant weiterarbeiten, was zu Verzögerungen und Umplanungen führte. Zurzeit geht der BND von einer Fertigstellung im Jahr 2016 aus.
Auch die Kosten stiegen. Anfangs waren für den Bau noch Ausgaben von 720 Millionen Euro veranschlagt. Mittlerweile beläuft sich das Budget auf 1,044 Milliarden Euro. Die Kosten sind also um fast 50 Prozent nach oben gegangen. Beigetragen dazu haben unter anderem die Terminverzögerungen.
Aber auch die zwischenzeitliche Verstärkung der Sicherheitsvorkehrungen und die steigenden Baupreise trieben die Ausgaben hoch. Schließlich konnten einzelne Insolvenzen beteiligter Firmen und Kündigungen „nicht ohne Mehrkosten kompensiert werden“, teilte das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) mit. Bei den 1,044 Milliarden Euro Baukosten handelt es sich freilich nur um einen Teil der Gesamtkosten. Werden die Ausgaben für den Umzug der BND-Mitarbeiter aus Pullach nach Berlin und für die Einrichtung der Geheimdienstzentrale hinzugerechnet, sollen sich die Kosten auf mehr als 1,3 Milliarden Euro summieren.
Im April 2003 hatte die Bundesregierung beschlossen, dass der BND von Pullach nach Berlin umzieht. Der wichtigste Grund dafür war, dass die Regierung den Geheimdienst in ihrer Nähe haben will, um schnellstmöglich über Hintergründe politischer Entwicklungen informiert zu werden. Mit dem Neubau rückt der Auslandsgeheimdienst ganz in die Nähe des Regierungsviertels. Das Kanzleramt liegt nur anderthalb Kilometer entfernt. Bereits seit mehreren Jahren ist der BND in Berlin präsent. Er residiert mit einem Teil der Mitarbeiter am Gardeschützenweg in Lichterfelde. Neben 2000 BND-Leuten aus Pullach ziehen 2000 Mitarbeiter des Geheimdienstes aus Berlin in das neue Domizil in Mitte. 1?000 Beschäftigte der technischen Aufklärung bleiben in Pullach.
Ende März 2014 ist die Technik- und Logistikzentrale im nördlichen Teil des BND-Areals fertig geworden. Rund 170 Mitarbeiter haben dort ihre Arbeit aufgenommen. Sie sollen den Einzug in das neue Quartier vorbereiten. Die Sicherheitsvorkehrungen im Neubau sind streng. Am Eingang werden sich die Mitarbeiter einer Kontrolle durch einen Gesichtsscanner unterziehen müssen.
Handys und Laptops dürfen nicht in die Büros mitgenommen werden. Das Herzstück der künftigen BND-Zentrale wird das Führungs- und Informationszentrum. Es liegt mitten in der Geheimdienstzentrale. Auf einer großen Medienwand werden hier künftig Berichte und Fotos eingespielt. Zum Beispiel Satellitenbilder aus Syrien oder Afghanistan.
In den Büros gibt es für jeden Mitarbeiter zwei Computer. Einen für die interne Kommunikation, um sicher vor Abhörangriffen zu sein, den zweiten für die Kommunikation nach außen. Wer welchen Raum betreten darf, ist klar geregelt. Es gibt ein elektronisches Schlüsselsystem, das nur jene Türen öffnet, für die der Mitarbeiter zugelassen ist. Nur die Teeküche und die Toiletten stehen allen ohne Beschränkung offen.
Um vor Terrorangriffen geschützt zu sein, steht das Haupthaus in einer Senke. Kameras überwachen jeden Winkel. Sollte ein Unbefugter mit einem Fahrzeug auf das Areal durchbrechen wollen, dürfte er nicht weit kommen. An den Zufahrten sind im Boden Barrieren installiert, die bei Alarm nach oben schnellen und die Fahrzeuge stoppen.