Neue Protestform in Berlin: Jetzt wird die Autobahn A103 zum Konzertsaal

Haydn, Schubert und Rio Reiser – dafür wird der Verkehr umgeleitet. Ein Konzert auf der A100 wurde untersagt. Dagegen wollen die Musiker klagen.

Vor der Kulisse des alten Schöneberger Gasometers führt die Autobahn A103, der Steglitz-Zubringer,  durch den Südwesten von Berlin. In der Nähe, in Friedenau, findet das Konzert statt.
Vor der Kulisse des alten Schöneberger Gasometers führt die Autobahn A103, der Steglitz-Zubringer, durch den Südwesten von Berlin. In der Nähe, in Friedenau, findet das Konzert statt.imago/Frank Sorge

Das hat es noch nicht gegeben: Die Berliner Stadtautobahn wird Schauplatz eines Konzerts. Die Gruppe „Lebenslaute. Klassische Musik – politische Aktion“ musiziert am Donnerstag auf der A103, dem Steglitz-Zubringer im Südwesten der Stadt. Dafür wird die Autobahn in Friedenau von 16 bis 18.30 Uhr zwischen der Anschlussstelle Saarstraße und dem Kreuz Schöneberg in beiden Richtungen gesperrt. Das teilten die Verkehrsinformationszentrale Berlin und der Veranstalter am Dienstag mit.

Bei dem Freiluftkonzert auf der stadteinwärts führenden Fahrbahn, das den Verkehr auf diesem Teil des Stadtautobahnnetzes während des Berufsverkehrs unterbricht, sollen Werke von Joseph Haydn, Franz Schubert, Dmitri Schostakowitsch, Rio Reiser, Ulrich Klan und anderen aufgeführt werden. Die Musiker hoffen auf viele Zuschauer.

Berliner Linken-Politiker kritisiert Versammlungsbehörde

„Musizieren statt Betonieren“ ist das Motto dieser selbst für Berlin neuen Form des Protests. Die „Lebenslaute“ und ihre Mitstreiter fordern eine Mobilitätswende und lehnen den Weiterbau der Autobahn A100 ab. Der 16. Abschnitt des Stadtrings von Neukölln nach Treptow soll Ende 2024 dem Verkehr übergeben werden. Danach plant der Bund eine weitere Verlängerung, die in einem Doppelstocktunnel durch Friedrichshain führen und an der Frankfurter Allee/Storkower Straße enden soll.

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Wie berichtet, wollten die „Lebenslaute“ ursprünglich auf der A100 in Tempelhof musizieren. Rund 500 Zuhörer wurden erwartet. Doch die Versammlungsbehörde der Berliner Landespolizeidirektion sieht angesichts des starken Verkehrs die „Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs“ gefährdet. Sie untersagte mit Bescheid vom Freitag die geplante Kundgebung zwischen den Anschlussstellen Tempelhofer Damm und Oberlandstraße. Die A103 nördlich der Anschlussstelle Saarstraße gehörte zu den Angeboten, die dem Veranstalter zuvor als Alternativen angeboten worden waren.

„Wir behalten uns alle Schritte gegen das Verbot des Konzerts auf der A100 vor“, teilten die „Lebenslaute“ mit. Dazu gab es am Dienstag eine erste Reaktion der Berliner Landespolitik.

„Die neue Autobahnpraxis der Versammlungsbehörde widerspricht dem freiheitlichen Gehalt des neuen Versammlungsfreiheitsgesetzes“, twitterte Sebastian Schlüsselburg, der rechtspolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Eine „strategische Prozessführung“ bis vor den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin wäre sinnvoll. „Es wird wohl ein Verfahren geben“, antworteten die „Lebenslaute“.