Neuer Trendsport Disc-Golf: Auf der Suche nach dem perfekten Wurf
Potsdam - Und die Welt ist doch eine Scheibe. Es kommt nur auf die Perspektive an. Für Philipp Stadler jedenfalls gibt es an dieser Weltanschauung nichts zu rütteln. Denn der 36-Jährige denkt in Scheiben – in grünen, gelben, roten, pinkfarbenen und blauen. Seit sechs Jahren spielt er Frisbee. Um genau zu sein: Disc-Golf. Mehrmals in der Woche trifft sich Stadler mit anderen Spielern an der Parcours-Anlage im Potsdamer Volkspark .
„In Bestzeiten spiele ich 20 bis 30 Stunden in der Woche“, sagt Stadler, dessen Frisbee-Künstlername „Phil Flash“ lautet. Mit den Freizeitwerfern, vor denen man sich im Sommer im Park in Acht nehmen muss, hat sein Sport nicht viel zu tun. Auch die Regeln sind andere. Disc-Golfer werfen ihre Kunststoffscheiben mehr oder weniger zielsicher auf Metallkörbe.
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Wie auch beim Ball-Golf laufen sie dabei Bahnen mit verschiedenen Anforderungen ab: Mal steht ein Baum, Strauch oder Haus im Weg, dann muss ein Graben überbrückt oder die Scheibe einfach nur sehr weit und gerade geworfen werden. Die Stelle, an der die letzte Frisbeescheibe gelandet ist, markiert den Startpunkt für den neuen Wurf. Ziel ist es, mit so wenig Würfen wie möglich den Korb treffen.
Im Sommer ist die Hölle los
„Unser Platz ist technisch anspruchsvoll. Auf den ersten Blick sieht er leicht aus, aber dann zeigt er seine Zähne“, sagt Stadler, der den Platz 2006 gemeinsam mit anderen Spielern seines Vereins „Hyzernauts“ entworfen hat. Auf Frisbee-Entzug sei er damals gewesen. Und der Winter war kalt und eisig, die nächste Anlage im Volkspark Rehberge in Berlin viel zu weit weg. „Wir hatten auch einfach keinen Bock mehr, nur auf Mülleimer oder Laternen zu zielen“, sagt Gregor Marter, der den Platz mitbaute. Eine eigene Disc-Golf-Anlage in Potsdam musste her. „Das war wie ein Kindheitstraum, endlich seinen perfekten Spielplatz zu gestalten“, sagt Stadler.
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Die Stadt Potsdam griff die Idee auf, ließ das Projekt vom Wirtschaftsministerium Brandenburg fördern. Inzwischen werfen etwa tausend Menschen regelmäßig im Volkspark ihre Frisbees durch die Lüfte – so mancher Radfahrer muss da schon mal den Kopf einziehen. „Im Sommer ist hier die Hölle los“, erzählt Stadler. Seit Jahren zieht der Platz immer mehr Leute an: Familien, Touristen, Berliner, Einheimische, Kinder, Anfänger.
Aber die Profis sind leicht unter den herumstreunenden Grüppchen auszumachen: Man erkennt sie an ihren großen Umhängetaschen, in denen mindestens 15 Frisbees nebeneinander stecken. Eine bunte Scheibenwelt für sich: Es gibt welche für Lang- und Kurzstrecken, für Links- und Rechtskurven, zum Putten fürs Einlochen, schwere, leichte, glatte, angeraute, mit eckiger Kante oder abgerundeter.
Stadler genügt ein Blick auf die Bahn, ein Check, woher der Wind kommt und routiniert zieht er – wie ein DJ auf der Suche nach der richtigen Platte – das passende Exemplar hervor. „Ich lese die Bahn, und dann entsteht in meinem Kopf eine unsichtbare Schnur, an der die Scheibe entlang muss. Es ist eine Sucht, immer auf der Suche nach dem perfekten Wurf“, erklärt er.
Gelände für zweiten Platz gesucht
Wenn Philipp Stadler einen Sport anfängt, macht er ihn ganz oder gar nicht. Bevor es ihn wegen seines Studiums von München nach Potsdam verschlug, war er gesponserter Snowboarder. Heute ist er frisbeesüchtig und schreibt Drehbücher für Dokumentar-Filme. Allerdings ziehen am Himmel der Disc-Golfer im Volkspark inzwischen ein paar dunkle Wolken auf. Da das Areal um die 14 Frisbee-Bahnen als Bebauungsfläche ausgewiesen ist und in Potsdam akuter Wohnungsmangel besteht, entstehen schon seit längerem neue Häuser, die immer näher an die Anlage rücken. „Wir verlieren dadurch Bahnen. In fünf Jahren werden wir hier so nicht mehr spielen können“, glaubt Stadler.
Doch der Verein kämpft: Die Disc-Golfer suchen ein neues Areal, um einen zweiten Platz in Potsdam zu gestalten. „Wir haben schon in der Stadtverordnetenversammlung vorgesprochen. Aber es ist nicht leicht. Die Stadt hat zwar viele Parks, aber kaum Flächen für so etwas“, sagt der Disc-Golfer. Momentan sieht es aber so aus, als ob der zweite Park in einem der angrenzenden Wälder entstehen könnte.
„Potsdam muss einfach mitziehen. Das ist ein Trendsport. Immer mehr Bundesländer eröffnen Anlagen. Wenn Brandenburg nicht nachzieht, könnte das stagnieren“, glaubt auch Gregor Marter von den „Hyzernauts“. Er vertreibt in Berlin Disc-Golf-Scheiben und baut Anlagen in ganz Deutschland. Mit einer Frisbee-Wette schaffte er es sogar schon mal in die Sendung „Wetten, dass ..?“.
Bisher gibt es in Brandenburg nur in Eberswalde noch einen zweiten Parcours. Viel zu weit weg für Stadler und Marter. Die Potsdamer brauchen ihren Platz in der Stadt. Denn neben dem perfekten Wurf haben die „Hyzernauts“ hochgesteckte Ziele – im wahrsten Sinne des Wortes. „Wir wollen Potsdam zur Frisbee-Golf Hochburg machen und auch die großen Meisterschaften in die Stadt holen. Und im Jahr 2050 gibt’s dann ein Turnier auf dem Mond“, sagt Philipp Stadler und grinst. Welches Frisbee bei dieser Mission zum Einsatz kommt, kann er allerdings noch nicht sagen.