Neues Gesetz zum Wohnungsneubau: Wohnungsneubauten verdrängen Berliner Bäume

Die Einwohnerzahl Berlins wächst, neue Wohnungen sind dringend nötig. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will den Wohnungsbau jetzt mit einem neuen Gesetz beschleunigen. Es soll in den nächsten Wochen beschlossen werden und Anfang 2016 in Kraft treten. Der Entwurf des sogenannten Wohnungsbaubeschleunigungsgesetzes, der der Berliner Zeitung vorliegt, birgt jedoch Konfliktstoff: Neben der Erleichterung von Baumfällungen sollen Beteiligungs- und Klagerechte von Naturschutzverbänden eingeschränkt werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) protestiert. Mit dem Gesetz solle offenbar das Klischee des „blockierenden Naturschutzes“ bedient werden, sagte BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser am Freitag.

BUND: Mehr Mitarbeiter nötig

Dabei sei eine Beschleunigung durch die geplanten Einschränkungen gar nicht zu erwarten. Denn die Verbände seien nur bei wenigen Projekten zu beteiligen. Wichtiger sei es, die Ämter mit genügend Mitarbeitern auszustatten, so Heuser. Wenn es mehr Mitarbeiter für die Bearbeitung von Baugenehmigungen gebe, müsse es auch mehr Mitarbeiter für den Naturschutz geben. Diese würden sonst mit der Arbeit nicht hinterher kommen. Heuser hält es zudem für nötig, die geplanten Erleichterungen von Baumfällungen nachzubessern. Bislang ist es so, dass Baumfäll-Genehmigungen erst dann erteilt werden, wenn auch die Baugenehmigung vorliegt.

Das führt mitunter dazu, dass sich Bauprojekte um bis zu ein Jahr verschieben. Denn innerhalb der Vegetationsperiode vom 1. März bis 30. September darf nicht gerodet werden. Kommt eine Baugenehmigung und die Fällgenehmigung erst am 3. oder 4. März, können die Bäume auf dem Baugrundstück erst ab Oktober gefällt werden. Da Bauarbeiten in der Regel nicht in den Wintermonaten starten, sondern im Frühjahr, verschieben sie sich auf diese Weise leicht um bis zu zwölf Monate. Stadtentwicklungssenator Geisel will mit dem neuen Gesetz eine Entkopplung der Baumfällgenehmigung von der Baugenehmigung erreichen.

„Ein Bauherr kann demnach bereits einen Antrag auf Fällung von Bäumen auf seinem Grundstück stellen, wenn er eine Baugenehmigung in Aussicht gestellt bekommen hat“, sagte der Senator. „Wenn auf den Bäumen Vögel brüten, dürfen sie natürlich nicht gefällt werden.“ BUND-Chef Heuser hält die geplante Entkopplung von Bau- und Fällgenehmigung zwar für „durchaus sinnvoll“, wie er sagt. Er verlangt jedoch, dass im Gesetz dann auch ein zeitnaher Baubeginn festgelegt werden muss. Sonst bestehe die Gefahr, dass zwar die Bäume gefällt sind, doch danach lange nichts passiere. Stadtentwicklungssenator Geisel ist offenbar für etwaige Korrekturen am Gesetz offen.

„Zurzeit befinden wir uns in der Abstimmung mit den Verbänden“, betont er. Grundsätzlich verteidigte er aber die geplante Regelung: „Das Gesetz ist wichtig, weil ich das Verwaltungshandeln beschleunigen möchte. Das brauchen wir, um den Wohnungsneubau weiter anzukurbeln.“ Unterstützung erhält Geisel vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Es sei „das richtige Gesetz zur richtigen Zeit“, sagte BBU-Chefin Maren Kern.

Prognosen übertroffen

Dass neue Wohnungen dringend benötigt werden, zeigt der anhaltend starke Zuzug in die Stadt. Allein zwischen 2011 und 2014 wuchs die Berliner Bevölkerung um rund 175.000 Menschen. Damit wurde die letzte Prognose, die von einem Anstieg der Einwohnerzahl um 250.000 Menschen bis zum Jahr 2030 ausging, von der Realität deutlich übertroffen. Die für 2030 vorhergesagte Einwohnerzahl ist, wenn die Entwicklung anhält, schon in wenigen Jahren erreicht. Der Senat hat die Zielzahl der benötigten Neubauwohnungen immer weiter nach oben korrigiert. Anfangs waren 6.000 neue Wohnungen pro Jahr das Ziel, mittlerweile sollen es bis zu 15.000 Wohnungen pro Jahr sein.