Neues, schmuckloses Kongresszentrum: Berlin hat jetzt den City Cube
Berlin - Die Fahnen wehen im Wind, es dudelt ein wenig Musik, die Stimmung unter den Ehrengästen ist gelöst, und ganz kurz ist man versucht sich vorzustellen, der schmucklose Zweckbau, der an diesem Montagvormittag eröffnet wird, wäre der neue Flughafen. Ein wenig hinter dem Zeitplan, gewiss. Auch der Kostenrahmen wurde nicht ganz eingehalten, nun ja. Aber nun steht er zumindest da, fast fertig, jedenfalls benutzbar, und alle sind froh, dass es geschafft ist.
Natürlich war es nicht der Flughafen, der eingeweiht wurde. Aber immerhin: Berlin hat mit dem City Cube jetzt wieder ein Kongresszentrum. Der schlichte Würfel auf dem Grundstück der 2011 abgerissenen Deutschlandhalle übernimmt die Aufgaben des seit knapp vier Wochen geschlossenen ICC. Mit 83 Millionen Euro Baukosten ist er acht Millionen Euro teurer als geplant. In 22 Monaten wurde er errichtet, vier Monate mehr als geplant. In Berlin darf das als Erfolg gewertet werden. „Dass Sie einigermaßen im Zeitplan sind und nur überschaubare Mehrkosten haben – dazu herzlichen Glückwunsch!“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lakonisch an die Adresse von Messechef Christian Göke.
Dach, Wände, Klos
Allerdings war der Bau des City Cube auch eine vergleichsweise einfache Übung. Ihn als nüchtern zu bezeichnen, ist noch eine Untertreibung. Ein Dach, Wände, Rolltreppen, Toiletten, Garderoben – das bietet der City Cube. Sonst bietet er nicht viel. Die Decken sind unverkleidet, die Wände aus Sichtbeton, der Boden teilweise nackt, teilweise mit schwarzem Nadelvlies ausgelegt. Stellte sich das ICC mit seinen unzähligen Ebenen und dem psychedelischen Innendesign als Gesamtkunstwerk in den Mittelpunkt, so nimmt sich der City Cube bis zur Unkenntlichkeit zurück. Messechef Göke unternahm auch gar nicht den Versuch, das Gebäude zu überhöhen. „Bauwerke manifestieren den Zeitgeist, das technisch Machbare und das politisch Gewollte“, sagte er. Und mehr als eine Mehrzweckhalle will in Berlin derzeit niemand.
Was aus dem ICC werden soll, dazu gab es von Wowereit nichts Neues zu hören. „Wir haben noch keine Lösung. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Alle sind teuer und umstritten“, sagte er. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) hat sich noch nicht positioniert, sie lässt derzeit die verschiedenen Varianten prüfen. Die Messegesellschaft möchte das ICC loswerden, weil es ihr mit seinen hohen Betriebskosten die Bilanz verhagelt. Die Opposition im Abgeordnetenhaus ist in der Frage gespalten.
Die Grünen treten für eine Sanierung ein. Nicole Ludwig, ihre wirtschaftspolitische Sprecherin, erinnerte am Montag daran, dass der City Cube nur als Übergangslösung für die Dauer der Sanierung des ICC geplant worden sei. Seine Kapazitäten würden aber nicht ausreichen, darum sollte das ICC so schnell wie möglich wieder hergerichtet werden. „Natürlich trägt es sich nicht selbst, aber es rechnet sich für die Stadt“, sagte sie.
„Einmotten, abwarten“
Die Linken plädieren dafür, die Entscheidung zu verschieben. „Einmotten, abwarten“, empfahl Jutta Matuschek, ihre wirtschaftspolitische Sprecherin. So habe man es auch in London gemacht. „Die alte Fabrik, die heute die Tate Modern beheimatet, hat auch 20 Jahre lang leer gestanden.“ Matuschek war beeindruckt, wie schnell die Bauarbeiten am City Cube beendet wurden. Zuletzt hatte sie die Baustelle im Februar besucht. „Da wurde gerade der Estrich verlegt.“
Abgeschlossen sind die Arbeiten aber nicht, bis zum Sonntag, wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund als erster Nutzer seinen Kongress hier abhält, sind noch etliche Restarbeiten zu erledigen. DGB-Chef Michael Sommer gab sich in seiner Videogrußbotschaft gefasst. „Unsere Mitglieder sind an den Geruch von Farbe gewöhnt“, sagte er.
Spätestens wenn die Premiere geglückt ist, können sich Messechef Göke, Wirtschaftssenatorin Yzer und alle anderen Beteiligten auf das nächste Projekt konzentrieren: die Neubesetzung des Messe-Aufsichtsrats. Cornelia Yzer möchte Hans-Joachim Kamp, den Chef des Gremiums, absetzen. Laut einem Zeitungsbericht hat sie bereits zu mehreren Wirtschaftsvertretern Kontakt aufgenommen, allerdings scheint keiner von ihnen Kamps Nachfolge antreten zu wollen. Viel Zeit hat Yzer nicht mehr: Am 3. Juni werden die neuen Kontrolleure auf der Gesellschafterversammlung nominiert.