Berliner Polizisten spähten Verwandte, Freunde und Ex-Partner aus
Über eine Datenbank haben Polizisten Zugang zu privaten Informationen von Bürgerinnen und Bürgern. Immer wieder nutzen einige das Netzwerk privat aus.

Die Neugier treibt manche Berliner Polizisten dann doch zu weit. Immer wieder nutzen Beamte den Zugang zum polizeilichen Informationssystem Poliks für private Zwecke: Freundinnen und Freunde werden ausspioniert, Nachbarn, Familienmitglieder oder andere Personen werden nach deren Lebensumständen abgefragt.
Das geht aus dem Bericht der Berliner Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit für das Jahr 2021 hervor. Der Bericht enthält für Außenstehende manch haarsträubendes Detail: So fragte ein Polizeibeamter alle Personen aus dem Umfeld seiner Ex-Lebensgefährtin ab, die mit dem Umstand der Trennung hätten vertraut sein können.
In einem Fall schrieb ein Polizist eine Zeugin nach deren Vernehmung über ihre private Handynummer an, um sich mit ihr zu verabreden, nachdem er die Telefonnummer aus Poliks erfahren hatte. In einem weiteren Fall fragte ein Polizeibeamter den Ermittlungsvorgang seines Stiefsohnes ab, um diesen auf seine Zeugenaussage vorzubereiten und um den zuständigen Sachbearbeiter von einem anderen Tathergang zu überzeugen.
Zudem hatte ein Polizist den neuen Lebensgefährten der Ex-Frau eines Freundes abgefragt, weil er befürchtete, dass das gemeinsame Kind durch den neuen Partner gefährdet sei. Abfragen in Poliks sind nur zu dienstlichen Zwecken zulässig. Laut Bericht war dies in dem Fall nicht gegeben. Ebenso wenig traf das zu, als ein Polizeibeamter die Informationen aus Poliks verwenden wollte, um sich auf seine Aussage vor Gericht vorzubereiten.
Im vergangenen Jahr wurden 15 Verfahren gegen Polizeibeamtinnen und -beamte eingeleitet und bereits insgesamt elf Bußgeldbescheide mit insgesamt 42 Bußgeldern erlassen.
Anwalt erfuhr Privatadresse von Gegendemonstranten
Beschäftigt hat die Datenschützer auch die widerrechtliche Übermittlung von Versammlungsdaten durch die Berliner Polizei. Ein Anwalt hatte im Auftrag seines Mandanten im Zusammenhang mit einer Demonstration vor dem Verwaltungsgericht geklagt.
Bei der Akteneinsicht bekam er Einblick in Daten der Anmelder von Gegendemonstrationen, darunter Name, Adresse, Geburtsdatum und Telefonnummer sowie polizeiliche Erkenntnisse zu diesen Personen. Die Polizei hatte sie in ungeschwärzter Form übersandt und hielt das für zulässig. Die Datenschützer beanstandeten dies als rechtswidrig.
Durch die Akteneinsichtnahme des Klägers oder der Klägerin oder Dritter könnten die personenbezogenen Daten an unbefugte Personen gelangen, so die Datenschützer. Die Gefahr bestehe, dass die Betroffenen dadurch möglicherweise einer persönlichen Verfolgung ausgesetzt würden, formulieren die Datenschützer. Sie verweisen auf sogenannte Feindeslisten, in denen Daten missliebiger Personen gesammelt und die teils mit ausdrücklichen oder subtilen Drohungen im Internet veröffentlicht werden.
Die Polizei weigerte sich, in dieser Sache der Datenschutzbeauftragten bestimmte Dokumente zu übersenden, was ebenfalls beanstandet wurde. Die Datenschutzbehörde findet deutliche Worte: Zwei förmliche Beanstandungen gegenüber der Polizei in einem einzigen Prüfverfahren seien ein Novum. „Leider sahen wir uns aufgrund der fehlenden Kooperationsbereitschaft der Polizei und einer eklatant rechtswidrigen Datenübermittlung durch die Polizei an das Verwaltungsgericht dazu gezwungen.“
Persönliche Daten bei Beschwerde gegen Polizisten nicht geschwärzt
Datenschutz-Lücken bei der Polizei gab es nach Ansicht der Behörde auch im Fall einer Beschwerde gegen einen Mitarbeiter der Polizei. Diesem wurde sie zusammen mit der Wohnanschrift und Telefonnummer des Beschwerdeführers weitergegeben. Denn die damalige Geschäftsanweisung der Polizei zum Umgang mit Beschwerden sah keine Schwärzung personenbezogener Daten vor, was die Datenschützer bemängelten. Die Polizei sagte inzwischen zu, die Geschäftsanweisung zu überarbeiten.
Obwohl in Deutschland der Datenschutz besonders genau genommen wird, kann jeder über jeden persönliche Daten wie die Privatadresse erfahren, so er nicht im Melderegister gesperrt ist. Dies regelt das Bundesmeldegesetz. Einfache Melderegisterauskünfte können für eine Gebühr von fünf Euro auch über ein Internet-Formular erteilt werden. Das Online-Verfahren dafür wird in Berlin durch das Landesamt für Bürger und Ordnungsangelegenheiten (Labo) betrieben.
Auch nicht registrierte Nutzer konnten Auskunft aus dem Melderegister erhalten. Bisher gab es dabei weder eine Identitäts- noch eine Plausibilitätsprüfung der angegebenen Daten, obwohl dies in einer Verwaltungsvorschrift steht. Die Angaben konnten also auch fiktiv sein. So gab ein Antragsteller beziehungsweise eine Antragstellerin als Name „Mickey Mouse“ und als Anschrift „12345 Disneyland, Mausstrasse 1, Demokratische Volksrepublik Korea“ an.
Nachdem die Datenschützer dem Labo eine Verwarnung aussprachen, muss man sich, wenn man eine Online-Melderegisterauskunft möchte, seit dem 1. Dezember vergangenen Jahres mittels der elD-Funktion des neuen Personalausweises identifizieren.