Neuköllner Kneipentalkshow "Simi will": Gäste auf dem Bierbanktisch
Es kann anstrengend werden, wenn eine Frau mit Mitte 40 noch einmal beschließt, „etwas anderes zu machen“. Wenn diese Frau beschließt, einmal im Monat auszubrechen aus dem Trott zwischen Job als Sozialarbeiterin, dem Nebenjob als Barfrau und den ruhigen Abenden daheim mit der Katze.
Im Fall von Marion Simon ist es anstrengend. Und recht erfolgreich: Ihre Kneipentalkshow „Simi will“ im Neuköllner Valentin Stüberl ist unterhaltsam und wird getragen von der Energie der zarten Frau mit den schwarzen Zöpfen und der Hornbrille, die neugierig, aufgekratzt und ohne Hemmungen auf ihre Gesprächsgäste zugeht. Damit schafft sie in der proppenvollen Kneipe in der Donaustraße, in der sie sonst hinter der Bar steht, tolle Abendunterhaltung. Dann hat Simon das Valentin Stüberl im Griff. Ihr Publikum dankt es ihr mit einer Begeisterung, die auch eher zurückhaltende Gäste vom Hocker reißt – falls die es in dem Gedränge überhaupt auf einen solchen geschafft haben.
„Ich mach’ halt kein Yoga, da war bei mir wohl noch ein bisschen Power übrig“, sagt Marion Simon über ihre Talkshow-Idee. Sie hält auch nicht damit hinterm Berg, dass diese Power zielgerichtet ist – sie möchte in ihrer Personifizierung als „Simi“ durchaus berühmt werden. Ihre Gäste dürfen und sollen gerne „Fame“ haben, wie sie sagt. Also aus Funk, Fernsehen oder Print bekannt sein. Das unterscheidet „Simi will“ von anderen Kieztalkshows wie beispielsweise dem ähnlich erfolgreichen und durch die Bezirke tourenden Format „Kiez-Sofa“, bei dem die direkte Nachbarschaft zu Wort kommt. „Ich finde es schon auch spannend, was die Leute auf der Straße so machen – aber in meiner Show möchte ich eigentlich die Stars haben“, sagt Simon.
Rustikal, doch digital versiert
Die Stars kommen bei ihr aus der Berliner Kulturszene, sind also Sänger, Schauspieler, Designer, Verleger, Autoren oder Journalisten. Zwei davon bittet Simi dann jeweils in ihrer Show auf den Bierbanktisch zum Talk, in der Pause zwischen den Gesprächen singt der Chor „Innbrunst 44“. Einerseits kommt das „Simi will“-Format also recht rustikal mit Bierbänken als Talkshowbühne und forschem Frauenchor daher, andererseits spielt die Show digital versiert mit Elementen wie Einspielfilmen, Livestream und verschiedenen Kamerapositionen.
Ein ganzes Team bastelt an den Einspielfilmen, in denen die aktuellen Gesprächspartner vorgestellt werden, und die durch Witz, Tempo und Schnitt Lust auf den jeweiligen Gast machen sollen.
Wenn die Einspielfilme dann auf der Leinwand in der Kneipe gelaufen sind und die Gäste tatsächlich den Bierbanktisch erklimmen, bringt ihnen das Publikum in der Regel schon vorher viel Wohlwollen entgegen. Und die Gesprächspartner an diesem Sonnabend im Januar wie der eloquente Verleger Jörg Sundermeier oder die unerschrockene Nachtleben-Kolumnistin Jackie A, die schon berufsbedingt gut mit Alkohol und rauchgeschwängerter Atmosphäre klarkommen, fühlen sich hier in der Kneipe sichtlich zu Hause. Die beiden sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Show funktioniert: munterer Schlagabtauschen, fröhliches „Wie war das noch gleich?“ und am Rande etwas Werbung für die eigene Person, beziehungsweise das eigene Werk. Die Moderation macht mit, fragt nach, kann sich aber auch wohltuend zurückhalten. Marion Simon sagt, dass sie wirklich etwas von den Gästen wissen will, „und ganz sicher niemanden in die Pfanne hauen möchte“. Schließlich sei es doch schon mutig sich auf so ein Kneipen-Format einzulassen. Das gilt wohl noch mehr für sie selbst als Nicht-Profi. Ruhe hat Simon eigentlich nur noch ein paar Tage nach der Show, dann steht schon die nächste an. Dann kommt die Anspannung zurück, es müssen Konzepte überlegt, Filme gedreht und – ganz wichtig für Simi – die passenden Klamotten ausgesucht werden. Und vor allem müssen neue Gäste gefunden und überredet werden, sich im Valentin Stüberl der Öffentlichkeit zu stellen. Oben auf Simis Wunschliste stehen zum Beispiel Berliner Größen wie der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky oder bundesweite Prominenz wie Klaus Kleber. „Da bin ich auch mal unbescheiden“, sagt Simon.
Die positive Anspannung, das Suchen und Improvisieren waren es, wonach Marion Simon gesucht hat: „Ich glaube, dass sich jeder ab einem gewissen Alter diese Frage stellt – war es das jetzt? Mache ich so die nächsten 20 Jahre weiter?“ Ob sie ihre Show 20 Jahre macht, ist noch offen. Die Off-Szene dieser Stadt hat sie mit ihrer Show aber sicher für sich gewonnen. Und die modebegeisterte Simi kommt an einem Punkt dem Berühmtwerden mit ihrer Show schon näher – das Publikum fragt regelmäßig, was sie trägt. Ihre Antwort ist typisch Berlin: „Die Hose ist von ,Restposten’ aus London – und der Rest war etwas teurer.“
Ein Jahr Simi will – die Geburtstagssendung, 22. 2., 20.15 Uhr. Valentin Stüberl, Donaustraße 112. Gäste: Stefan Rudolph und Barbara Philipp. Thema: „Aber Hallo Deutschland“– so geht Fernsehen
Im Internet zu sehen unter: facebook.com/simiwillformat