Nichts ruft mehr: Kauf mich
Zwei Jahre Pandemie haben unserer Autorin gezeigt, worauf es wirklich ankommt.

„Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht“, lautet ein Buchtitel von Max Moor, der heute anders heißt. Ich merke immer wieder und schon lange: Ich brauche auch fast nichts von dem, was sie haben. Die Geschäfte, die Kaufhäuser. Ich brauche nur das Leben selbst, das Leben und Menschen. Und Bücher. Seit ich fast nichts mehr kaufe, laufe ich anders durch die Stadt. Bummeln ist jetzt Selbstzweck und nicht mehr der Weg zum Produkt. Ich sehe mir immer noch gern die Auslagen an, manchmal betrete ich auch einen Laden.
Die Dinge sind schön wie eh und je. Kitzeln Entzücken hervor, auch Bewunderung für das, was der Mensch zu schaffen und zu erfinden in der Lage ist. Aber sie sind nur noch da. Sie haben keine Stimme. Sie rufen nicht mehr: „Du brauchst mich. Kauf mich.“ In den Schaufenstern herrscht Stille. Eine angenehme, selbstzufriedene Stille. Ich weiß: Sie spiegelt mein Inneres, nicht die der Ladeninhaber. Sie wollen, sie müssen ihre Produkte verkaufen. Sie leben davon und wie gern würde ich meinen Teil dazu beitragen. Ich habe es versucht, wieder und wieder. Und vielleicht wird es mir auch gelingen, irgendwann. Wird ein Kleid, eine hübsche Schale oder ein eleganter Stift seine Stimme erheben und mich erreichen.
Wird mir etwas erzählen. Denn die einzigen Dinge, die seit langem eine Bedeutung für mich haben, sind jene, in denen die Geschichten stecken. Bücher, klar. Trödel. Gegenstände des Alltags, die ich in einer anderen Stadt, während besonderer Tage erwerbe. Deren Stunden werden wieder präsent, wenn ich die Sachen in die Hand nehme. Und sie zu kaufen fällt mir leicht. So ist es: Ich gebe Geld schwerer und leichter aus. Schwerer, weil man nie weiß, was kommt. Und leichter aus demselben Grund. Lebe „von einem Tag zum anderen“, wie es Irmgard Keun in einem Brief schreibt, wie das gleichnamige Buch heißt, das quer im Regel steht und hier schon einmal eine Rolle spielte. Auch als Erinnerung daran, was andere Generationen durchgemacht haben. Wie gut es mir geht, dass ich darüber nachdenken kann, wofür ich mein Geld ausgebe. Weil ich alles habe. Eher zu viel.
Die letzten zwei Jahre haben mich mehr als jedes zuvor gelehrt, was wirklich kostbar ist. Freundschaften natürlich, die Gesundheit der Kinder. Die Familie. Und natürlich auch gutes Essen, guter Wein. Beides hat der Laden in Max Moors Buch, glaube ich. Und beim Genuss von beidem kann man sich hervorragend Geschichten erzählen.