Noch nie waren so viele Berliner Schulen ohne Schulleitung
Berlin - Die Anzahl der Berliner Schulen ohne komplette Schulleitung ist erneut gestiegen. Einher geht das oft mit deutlicher Mehrbelastung der verbliebenen Lehrer, aber auch mit Einbußen in der pädagogischen Qualität.
Ein Fallbeispiel ist die gerade erst deutschlandweit in die Schlagzeilen geratene Spreewald-Grundschule in Schönberg. Wegen pöbelnder, gewalttätiger Schüler und renitenter Eltern sah sich Schulleiterin Doris Unzeitig genötigt, einen privaten Sicherheitsdienst zu engagieren.
Keine offiziellen Bewerbungen
Tatsächlich ist der Posten des Konrektors dort seit August 2014 nicht fest besetzt, wie die Bildungsverwaltung nun auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck hin bestätigte. Schlimmer noch: Trotz wiederholter Ausschreibungen gab es auf diese Stelle keine offiziellen Bewerbungen. Derzeit wird die Stelle nur kommissarisch von einer dort eingesetzten Lehrerin besetzt, bestätigte die Schulleiterin.
Dabei hatte die Leiterin seit längerer Zeit um einen zusätzlichen Sozialarbeiter und eine feste Besetzung des Stellvertreter-Postens gebeten. Schließlich wusste sie sich nicht anders zu helfen, als private Wachschützer aus dem Bonusprogramm des Senats für Schulen in schwieriger Lage zu bezahlen. Aus diesem Topf dürfen die bis Ende April beauftragten Wachschützer aber gar nicht bezahlt werden, entschied nun die Bildungsverwaltung. Deshalb wird das nun formal aus einem anderen Topf bezahlt.
Besonders Schulen in Brennpunkt-Kiezen leiden
Eine kommissarische Besetzung eines Leitungsposten ist vielerorts üblich. Insgesamt sind laut Antwort der Bildungsverwaltung auf die Langenbrinck-Anfrage 36 Schulleiter-Posten an Berliner Schulen nicht besetzt, hinzu kommen 120 vakante Stellvertreter-Stellen. „Bei den Schulleitungen war die Anzahl der freien Stellen zu Beginn des Schuljahres rückläufig“, sagte Beate Stoffers, Sprecherin der Bildungsverwaltung, am Freitag. „Jetzt stellt es sich zahlenmäßig wieder anders dar“, räumte sie ein. Wichtig sei zu wissen, dass nahezu alle freien Stellen kommissarisch besetzt seien.
Das trifft zwar zu, sorgt aber an den betroffenen Schulen für Unruhe, weil die dort verwendeten Lehrer dann für den Unterricht fehlen. Immer noch dauern die Besetzungs- und Ausschreibungsverfahren zu lange, berichten erfahrene Schulleiter. Insgesamt gibt es gut 700 staatliche Schulen in Berlin.
Besonders leiden darunter Einrichtungen in Brennpunkt-Kiezen. Genau dort ist aber eine funktionierende, gut ausgestattete Grundschule besonders wichtig, um die Bildungsdefizite des Elternhauses auszugleichen. An 13 Schulen gingen trotz mehrfacher Ausschreibung gar keine Bewerbungen für einen Stellvertreter-Posten ein. Häufig traf es Grundschulen in Neukölln, aber auch in Randlagen. Immerhin wird das Konrektorengehalt nun leicht erhöht.
Kollege klagt gegen Kollegen
Kurioserweise verbeamtet Berlin zwar seit mehr als zehn Jahren seine Lehrer nicht mehr – aber bei der Schulleitungsbesetzung gilt weiter das Beamtenrecht. Wer länger im Dienst ist, hat eher Anrecht auf einen Leitungsposten. Das führt dazu, dass sich im Bewerbungsverfahren oder in der Schulkonferenz unterlegene Lehrer auf Führungsposten einklagen wollen.
Diese Art von „Konkurrentenklagen“ gibt es vor allem an weiterführenden Schulen. Laut Bildungsverwaltung aktuell an so angesehenen Schulen wie dem Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain oder dem Otto-Nagel-Gymnasium in Biesdorf. Und an der bilingualen Nelson-Mandela-Schule wechselt der Schulleiter jetzt erst einmal in die von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) einberufene AG Schulqualität. Damit sind erst einmal auch die Filiale und die zweite bilinguale Neugründung an der Levetzowstraße in Moabit führungslos.
An einzelnen Förderschulen wird die Leitung nicht mehr besetzt, da sie geschlossen werden. Der Senat will verstärkt Pensionäre länger im Dienst halten – als Lehrer und auch als Schulleiter. Laut aktuellem Rundschreiben dürfen sie maximal drei Jahre lang 120 Prozent ihres letzten Gehaltes verdienen. Wer noch nicht auf seine Höchstpensionsgrenze von 71 Prozent des bisherigen Gehaltes kommt, kann jährlich 1,8 Prozent Pensionsanspruch hinzuverdienen. Ob das lockt?