Nollendorfplatz in Berlin: Der Hass zieht ein im toleranten Kiez

Berlin - Der Regenbogen-Kiez um den Nollendorfplatz ist das Mekka der schwul-lesbischen Szene. Doch Hass, Übergriffe und Sexualdelikte verändern das Gesicht des toleranten Viertels. Der Senat hat dazu jetzt Fallzahlen veröffentlicht, die von einer Kriminalitätsrate „auf hohem Niveau“ sprechen. Er vermutet, dass noch eine hohe Dunkelziffer dazukommt.

Es leben offenbar viele hasserfüllte Menschen in Berlin, denen das bunte Treiben im Schöneberger Kiez nicht passt. Wie sonst hätte es von Mai 2016 bis Anfang März 2017 fast 3.000 angezeigte Verbrechen geben können – darunter etliche Angriffe auf Homosexuelle. Es gab 15 Sexualverbrechen und 12 Fälle von Hasskriminalität (davon 8 gegen die sexuelle Orientierung), dazu 113 Beleidigungen, 38 Bedrohungen, 70 Raubtaten, 167 Sachbeschädigungen und 125 Drogen-Delikte.

Diebstähle, Raubtaten, Hassverbrechen

Den Großteil der Taten machen aber Diebstähle mit „Antanz“-Tricks und ähnlichen Maschen aus: 2.276 mal griffen Kriminelle im Nachtleben zwischen Nollendorfplatz, Winterfeldtplatz, Viktoria-Luise-Platz, Wittenbergplatz und Kleiststraße zu. Dabei fällt auf, wie gering die Aufklärungsquoten sind: Bei den Diebstählen konnte nur etwa jeder vierte Täter gefasst werden, bei den Raubtaten rund jeder fünfte. Bei den Hassverbrechen gegen Homosexuelle gab es gerade einmal drei Tatverdächtige.

Trotz aller Mühen der Polizei, die Lage im Kiez zu entschärfen, zeichnet sich laut Berliner Senat keine Besserung ab. Im Gegenteil: Während zwischen Juni 2015 und April 2016 nur eine einzige schwulenfeindliche Attacke registriert wurde, gab es seither fast eine pro Monat. Zusätzlich sei damit zu rechnen, dass die Kripo noch Rückstände bei der Taterfassung hat – „durch die Beanspruchung der Polizei nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt“.

Hohe Dunkelziffer

Ein grundsätzliches Problem ist, dass viele Opfer von Diskriminierung, Sex-Delikten und Verbrechen gegen die sexuelle Orientierung aus Scham keine Anzeige erstatten. Obwohl sie, wie der Abgeordnete Tom Schreiber (SPD) betont, „mit den Folgen der Tat lange leben“. Die Dunkelziffer dürfte also, wie auch der Senat bestätigt, hoch sein.

Was tun? Politiker Schreiber fordert ein härteres Durchgreifen im Regenbogenkiez. Er sagt: „Es ist gut, dass die Polizei an öffentlichen Plätzen wie dem Alex auf Präsenz setzt. Die Attacken zeigen aber, dass die Beamten gerade auch im Kiez die Sicherheit herstellen müssen.“ Es wird höchste Zeit dafür.