NPD-Verbotsverfahren: Ein Drittel der NPD-Funktionäre vorbestraft
Berlin - Wenn vor dem Bundesverfassungsgericht das NPD-Verbotsverfahren startet, dann wird deutlich werden, wie viele Kriminelle in der Partei die Fäden ziehen. Der Verbotsantrag der Länder wurde der rechtsextremistischen Partei vor wenigen Tagen zugestellt. Nach Informationen der Berliner Zeitung sind 31,25 Prozent der in dem Antrag aufgeführten 176 Funktionäre in Vorständen der Partei und ihrer Teilorganisationen rechtskräftig verurteilt oder gegen sie laufen Ermittlungen.
Die Urteile und Ermittlungen gegen die Vorstandsmitglieder beziehen sich auf politisch motivierte Straftaten, die bis in die 90er Jahre zurückreichen, etwa Körperverletzung, Nötigung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Verstöße gegen das Waffengesetz oder Bildung krimineller terroristischer Vereinigungen. Gegen ein Viertel aller Funktionäre ergingen rechtskräftige Urteile. Meist mündeten diese in Geld- oder Freiheitsstrafen auf Bewährung. In 6,8 Prozent der Urteile gab es Freiheitsstrafen ohne Bewährung. Die Hälfte der Verurteilten hat bereits mehrmals vor Gericht gestanden. Allgemeine Straftaten wie zum Beispiel unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ wurden durch die Verbotsantragsteller nicht berücksichtigt.
In dem Verbotsantrag, der der Berliner Zeitung auszugsweise vorliegt, soll ausschließlich aus öffentlichen Quellen die Nähe der NPD zur NSDAP bewiesen werden. Dafür werden die Aussagen von 91 Funktionären herangezogen, unter ihnen die des Bundesvorsitzenden Holger Apfel und seines Stellvertreters Udo Pastörs. Allein zwölf der zitierten Funktionäre sind aus Berlin: etwa der Ex-Bundesvorsitzende Udo Voigt, der Berliner Landeschef Sebastian Schmidtke sowie die bekannten Funktionäre Frank Schwerdt, Eckart Bräuniger, Jörg Hähnel, Uwe Meenen oder Matthias Faust. Viele von ihnen sind zudem rechtskräftig wegen Delikten wie Volksverhetzung verurteilt.
Mehr rechte Gewalttaten
Derweil ist in Berlin die Zahl rechtsextremistischer Straftaten gestiegen. Nach 53 Gewaltdelikten 2012 – vor allem Körperverletzungen – zählten die Behörden in diesem Jahr bereits 72 Fälle. Das sagte Innensenator Frank Henkel (CDU) am Mittwoch bei einer Veranstaltung des Verfassungsschutzes über Rechtsextremismus. „Besorgnis erregend ist außerdem die Gewalt, die sich aus dem Aufschaukeln zwischen Rechts- und Linksextremisten ableitet“, so Henkel. Zum Vergleich: Die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten lag im vergangenen Jahr bei 210.
Nach den Worten des Leiters des Berliner Verfassungsschutzes, Bernd Palenda, gehören in Berlin etwa 1 400 Menschen zur rechtsextremen Szene, knapp die Hälfte davon sei gewaltbereit. Die Szene sei äußerst anpassungsfähig, sagte er. Seine Behörde beobachtet zahlreiche personelle Überschneidungen zwischen sogenannten „Freien Kräften“ und Funktionären der Berliner NPD. Die Grenze zwischen aktions- und parlamentsorientierten Aktivisten löse sich auf, sagt er. „Die aktuelle Strukturlosigkeit des aktionsorientierten Rechtsextremismus in Berlin verschärft die Situation“, sagte Palenda. „Einzelpersonen, deren Aktivitäten nicht mehr in Gruppenstrukturen eingebunden sind, könnten sich dazu berufen fühlen, politische Gegner auf eigene Faust und mit besonders brutalen Methoden anzugreifen.“
Folgen Sie unserem Kriminalreporter Andreas Kopietz auf Twitter