Null-Toleranz-Regelung in Kreuzberg: Im Görlitzer Park wird weiter gedealt

Berlin - Eine Frau schiebt ihren Kinderwagen durch den Görlitzer Park, dahinter läuft ein Pärchen, vereinzelte Leute schlendern über die Wege. Viel los ist nicht an diesen Tagen in dem Kreuzberger Park zwischen Wiener und Görlitzer Straße. Nur an den Eingängen und an den Bänken stehen und sitzen kleine Grüppchen Menschen. Manchmal läuft jemand zu den Männern herüber.

Es wird kurz geredet, dann wechseln Tütchen und Geld den Besitzer. Das Bild im Görlitzer Park ist immer noch das Gleiche: Auch rund anderthalb Wochen nach der neu eingeführten Null-Toleranz-Regelung wird im Görli weiter gedealt; Vorbeilaufenden „Hey Madame, Marihuana?“ hinterhergerufen.

Sofortige Eindämmung sei nicht Ziel gewesen

Seit dem 31. März gilt im Görlitzer Park die Null-Toleranz-Regelung. Wer mit kleinsten Mengen Marihuana oder Haschisch erwischt wird, muss mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. Die Toleranzregel für zehn bis maximal 15 Gramm Marihuana und Haschisch zum Eigenbedarf ist im Park aufgehoben. Zwar wurden den Besitzern die Drogen auch schon vor dieser Neuregelung abgenommen, Ermittlungen allerdings wegen geringer Mengen wieder eingestellt.

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Die entsprechende „Gemeinsame Allgemeine Verfügung“ haben Frank Henkel, Senator für Inneres und Justizsenator Frank Heilmann (beide CDU) unterzeichnet. Ist die Regelung also nur eine Luftnummer? „Keiner hat erwartet, dass sich die Lage am Görlitzer Park von heute auf morgen ändert. Eine schnelle und sofortige Eindämmung ist nicht das Ziel gewesen“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf.

Die Polizei will mit der Regelung die Auswüchse des Großhandels verringern. Nicht nur Dealer, sondern vor allem auch die Konsumenten sollen sich dadurch abgeschreckt fühlen. Nach dem Motto: Wo keine Nachfrage, da kein Angebot.

Zwei Razzien täglich

Durchschnittlich zwei Razzien zur „Bekämpfung von Rauschgiftkriminalität“ führt die Polizei täglich im Park durch. 183 Personen wurden dabei im April bisher überprüft, dabei erteilten die Beamten 56 Platzverweise, 18 Personen wurden festgenommen und es gab 67 Strafanzeigen - 50 davon wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes.

Die Polizei beobachtet, ob die Dealer nun in andere Gebiete abwandern. Laut Polizeisprecher Neuendorf sei das bisher nicht der Fall. Warum auch? Sobald die Polizei weg ist, kommen die Dealer in den Park zurück. Tatsächlich zeigt sich in der Hasenheide zwischen Kreuzberg und Neukölln in dieser Woche das gewohnte Bild.

Rund 20 bis 30 Dealer verteilen an diesem späten Nachmittag Drogen im Park, Menschen kommen und kaufen, Dealer graben in der Erde nach ihren Drogendepots, ab und an läuft man durch eine Dunstwolke süßlichen Rauchs. Nach einem von Dealern überschwemmten Park sieht das jedoch nicht aus. Dieser Zustand ist und war in der Hasenheide normal – genau wie im Görli.

Ausweitung auf Hasenheide möglich

Dass jetzt ausschließlich im Görlitzer Park diese strenge Regelung getroffen wurde, erklärt Thomas Neuendorf so: „Die Szene dort ist viel aggressiver als anderswo. Die Anwohner fühlen sich belästigt, der Park ist von Wohnhäusern umschlossen. In der Hasenheide verläuft sich alles mehr.“ Die Hasenheide ist mit rund 50 Hektar mehr als drei Mal so groß wie der Görli.

Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), kann über die Null-Toleranz-Regelung im Görlitzer Park nur lachen. „Die Regelung ist sinnlos und rückwärts gewandt. Das bringt doch nichts. Durch mehr Polizeieinsätze löst sich das Problem doch nicht auf“, sagt sie.

Herrmann hält an kontrolliertem Cannabisverkauf fest

Herrmann möchte für die Dealer, meist Flüchtlinge, am liebsten eine Duldung erreichen, damit sie eine Arbeitserlaubnis bekommen und somit einer legalen Beschäftigung nachgehen können. „In Niedersachen diskutiert man darüber, das sollte man in Berlin auch machen“, sagt sie. Erfahrungen aus Sozialarbeiterprojekten hätten gezeigt, dass viele Flüchtlinge gerne einer geregelten Arbeit nachgehen würden.

„Das weiß ich selbst aus Gesprächen.“ Herrmann hält das für den schnellsten und effektivsten Weg, das ausufernde Drogenproblem am Görlitzer Park einzudämmen. Die Bürgermeisterin hält nach wie vor an der Idee fest, einen staatlich kontrollierten Verkauf von Cannabis einzuführen. Einen Antrag für dieses Projekt soll noch dieses Jahr beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestellt werden.