Oberbürgermeister-Wahl in Cottbus: Warum ist die Lausitz eine Hochburg der AfD?

Zwar steht ein Anti-AfD-Block hinter Tobias Schick von der SPD. Aber der Sieg ist gar nicht so leicht im konservativen Süden von Brandenburg. Eine Spurensuche.

Tobias Schick am Altmarkt in Cottbus: Der SPD-Kandidat hat den ersten Wahlgang am 11. September knapp vor der AfD gewonnen.
Tobias Schick am Altmarkt in Cottbus: Der SPD-Kandidat hat den ersten Wahlgang am 11. September knapp vor der AfD gewonnen.Benjamin Pritzkuleit

Cottbus-Hier ist es einfach nur schön. Es ist einer der idyllischsten Orte in ganz Brandenburg, und sicher der beschaulichste Platz in Cottbus: der Park Branitz – die beste Gartenlandschaft, die der legendäre Fürst Pückler einst geplant hatte. Rund um sein Schloss schuf der Landschaftsarchitekt ein eigenes Reich mit beeindruckenden Bäumen und weiten Wiesen, mit sanften Hügeln und verschlungenen Bächen und sogar mit einer eigenen Grabpyramide. Das alles ist zwar künstlich angelegt, sieht aber aus wie ein perfektes Abbild der Natur.

An diesem Nachmittag sind viele Besucher in Branitz. Meist Pärchen. Auf einer Bank am Schloss sitzt ein Mann mit weißem Haar, eine Frau kommt mit zwei Gläsern Wein durch den Garten. Sie prosten einander zu und trinken. Sie genießen das Leben, den Wein, die Sonne und den Blick auf Pücklers Meisterwerk.

Cottbus – Hauptstadt der AfD in Brandenburg

Das ist eine der schönen Seiten der Stadt Cottbus. Aber darüber wird selten berichtet, denn die Stadt hat auch eine Seite, die ihr bundesweit einen schlechten Ruf eingebracht hat. Cottbus ist die Hauptstadt der AfD in Brandenburg. Und in Brandenburg ist die rechtsextreme Partei – wie überall im Osten – eine ernstzunehmende Größe.

Das Schloss Branitz – einer der schönsten Plätze in ganz Brandenburg.
Das Schloss Branitz – einer der schönsten Plätze in ganz Brandenburg.Benjamin Pritzkuleit

Kräfte am äußeren rechten Rand haben Cottbus neben Dresden zur wichtigsten Stadt der Pegida-Bewegung gemacht, hier demonstrierten die Gegner von Angela Merkels Flüchtlingspolitik mit dem Verein „Zukunft Heimat“, hier spazieren Protestler gegen Karl Lauterbachs Corona-Maßnahmen. In Cottbus gewinnt die AfD immer wieder Wahlen. Am 11. September schaffte es ihr Kandidat in die Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters. Damit könnte erstmals bundesweit ein AfD-Mann eine Großstadt regieren.

Im ersten Wahlgang besiegte Tobias Schick von der SPD knapp Lars Schieske von der AfD mit 5,4 Prozent Vorsprung. Die beiden eint, dass sie jung sind, Anfang, Mitte 40, sie haben keinen Amtsbonus, und sie sind Hobbyradler. Politisch aber stehen sie in gegensätzlichen Lagern. Und so stellt sich vor der Stichwahl am 9. Oktober die Frage, warum Cottbus so anders ist als andere großstädtische Milieus, die meist rot-grüner gestimmt sind.

Grundsätzlich ist Cottbus keine rechtsradikale Stadt: 73,6 Prozent haben die AfD nicht gewählt. Es ist eine Universitätsstadt und ein Olympiastützpunkt. Damit verbunden ist eine Buntheit und Vielfalt der Hautfarben, die in der Stadt klar zu sehen ist. Es gibt bekannte linke Clubs wie das Glad House oder das Chekov. Es gibt ein Staatstheater, auf dessen Internetseite gegendert wird. Doch bei der letzten Landtagswahl holte die AfD gleich beide Direktmandate und siegte klar bei der Kommunalwahl. Und das, obwohl der Verfassungsschutz den Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft. Schon unter ihrem früheren Chef Andreas Kalbitz fuhr die Partei die harte Björn-Höcke-Linie.  Und das in Brandenburg, dem einzigen Ostland, das seit 1990 von der SPD regiert wird.

Aber der Süden des Landes wählt seit langem schon deutlich konservativer: meist CDU, oft auch AfD. Das hat auch Ursachen in der Vergangenheit. Nach dem Ende der DDR holte die SPD hier mit ihrem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe zwar Direktmandate. Doch die Kinder der Wähler standen oft rechts.

Sachsendorf: Die vielen Plattenbaugebiete in Cottbus wurde in der DDR vor allem für die Kohlekumpel gebaut.
Sachsendorf: Die vielen Plattenbaugebiete in Cottbus wurde in der DDR vor allem für die Kohlekumpel gebaut.Benjamin Pritzkuleit

Das kann der Mann mit dem Schnauzbart bezeugen. Er geht durch Sachsendorf, eines der großen DDR-Plattenbaugebiete. Er zeigt in die Höhe, auf ein Haus, das längst abgerissen ist. „Da habe ich als Kind gewohnt.“ Dann zeigt der 43-Jährige auf einen unsanierten Plattenbau. „Dort hat einer von den Nazis gewohnt. Wir sind zusammen aufgewachsen.“ Nun zeigt er auf eine Wiese: „Dort wollten mich ein paar Glatzen verprügeln. Aber der Nazi von gegenüber war dabei.“ Der habe zu den Bomberjacken-Kumpels gesagt: „Den könnt ihr in Ruhe lassen, den kenne ich.“

Der Mann mit dem Bart will seinen Namen nicht nennen. Er hat Verwandtschaft in der Stadt. „Früher war die Straße ganz klar rechts“, sagt er. Das heißt: Neonazis hatten ab den 90er- Jahren die Hoheit über Schulhöfe, Spielplätze, Bolzfelder. Er zeigt auf die Fenster einer Gaststube, die leer steht. Die hieß „Zur Windsbraut“ und war eine Nazikneipe. „Da haben wir uns nicht reingetraut“, sagt er.

„Ich kannte niemanden, der offen links war.“ Er sei damals auch noch nicht links gewesen. „Als Jugendlicher war ich unpolitisch, trug Sportklamotten mit fetten Markennamen drauf, Adidas oder Nike oder so.“ Er schüttelt den Kopf. „Das hat den Nazis gereicht. Es reichte völlig aus, dass wir keine Nazis waren.“

„So war das in den Baseballschläger-Jahren“

In der Innenstadt traf er mal auf Neonazis, die ihn ebenfalls verprügeln wollten. Einfach so, ohne Anlass. Und da niemand dabei war, der ihn kannte, hieß es: Ganz schnell abhauen. „So war das damals in den Baseballschläger-Jahren.“

Der Begriff steht für die 90er-Jahre, als Rechtsextremisten oft Ausländerwohnheime angriffen oder anzündeten, als sie dunkelhäutige Menschen durch die Straßen jagten oder „linke Zecken“ oder Obdachlose oder Hiphop-Fans. Als sie mit Baseballschlägern prügelten und mordeten.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Auch in Cottbus sind überall Clubs zu sehen, in denen die Stadt die Gegenkultur fördert. Aber die Neonazis stecken tief drin in der Kampfsport-Szene oder in Fanclubs des Fußballvereins Energie.

Der Mann zeigt auf einen Jugendlichen in unscheinbarer schwarzer Sportkleidung. „Label 23“, sagt er. Das ist eine hiesige Marke, die ähnlich wie Thor Steinar bei Extremisten beliebt ist. „Auf so was achte ich noch immer“, sagt er. „Ich erkenne Neonazis sofort.“

Er hat noch eine andere Angewohnheit von damals. Wenn er in eine Stadt kommt, schaut er auf die kleinen Aufkleber an Laternenmasten, auch Spuckis genannt. „Von wem hängen mehr? Von den Rechten oder von den Linken?“, sagt er. „So erkennst du, wem die Straße gehört.“

Er geht weiter durch Sachsendorf, vorbei an bunt sanierten Plattenbauten, vielen Spielplätzen und Jugendtreffs. Er erzählt, dass hier früher fast nur Neonazi-Aufkleber hingen, in der Innenstadt aber die Spuckis der Antifa dominierten. Das hat sich geändert. Nun hängen in Sachsendorf auch mal linke Aufkleber. „Das freut mich zwar“, sagt der Mann, aber dann zeigt er auf die Wahlplakate ringsum: Fast alle sind von der AfD.

Die Codes der Straße: Wem die Botschaft der Aufkleber nicht gefällt, überklebt sie einfach.
Die Codes der Straße: Wem die Botschaft der Aufkleber nicht gefällt, überklebt sie einfach.Benjamin Pritzkuleit

Auf einem großen Parkplatz erklärt er die Codes der Straße: An einer Laterne hängt ein „Fuck-AfD“-Aufkleber mit dem Spruch: „Kein Bock auf Nazis“. Das hat jemandem nicht gefallen, deshalb leuchtet darüber nun ein Aufkleber von Energie Cottbus. „Kein Wunder, dass Energie ein rechtes Image hat“, sagt er. „Das ist ärgerlich, auch für mich, obwohl ich hier gar nicht mehr lebe.“ Aber wenn er irgendwo erzählt, dass er Energie-Fan ist, werde er schief angeschaut. „Dann heißt es gleich: Nazi-Club. Das nervt.“ Aus seiner Sicht hat Cottbus noch immer ein Problem: Da die rechte Szene schon so lange so stark ist, fehlt der Druck der Stadtgesellschaft auf Leute am rechten Rand. Hier muss sich niemand dafür rechtfertigen.

Der Mann will für Energie auch gar kein linkes Image. Dafür geht er zu St. Pauli oder zum SV Babelsberg. „Ich will, dass Energie nicht mehr als rechts abgestempelt werden kann. Und Cottbus auch nicht. Dafür muss die Stadt noch mehr tun.“

„Mehr Krawall und Provokation“

Oft wird vergessen, dass viele der junge Neonazis der 90er-Jahre mit dem Alter zwar weniger polizeiauffällig wurden, weniger gewaltbereit und dass sie Familien gründeten. Aber bei Wahlen wechseln wohl nur wenige ins linke Lager. Das ist ein Grund, warum die Konservativen und die AfD im Süden Ostdeutschlands so stark sind.

Der nächste Mann, der sich in Cottbus auskennt, ist deutlich älter und knapp im Rentenalter. Er ist recht früh in die AfD eingetreten und vor einiger Zeit wieder ausgestiegen. Auch er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Er hat eine Erklärung für die Erfolge der AfD in Cottbus: „Früher waren die deutlich gemäßigter. Voll auf der Linie von Bernd Lucke und dem Anti-Euro-Kurs. Meist gut situierte Leute: Handwerker, Unternehmer, Ärzte, Ingenieure, Banker.“ Er spricht von einer soliden Arbeit. „Doch dann kam der Druck von den Hardlinern aus Potsdam.“ Er meint die Landespartei. Das sei auch der Grund, warum die Fraktion in Cottbus zerfallen sei. Von elf Abgeordneten blieben sechs. „Die, die noch übrig sind, sind viel mehr auf Krawall und Provokation aus.“

Die Altstadt von Cottbus ist inzwischen komplett durchsaniert.
Die Altstadt von Cottbus ist inzwischen komplett durchsaniert.Benjamin Pritzkuleit

Der Mann redet ganz ruhig, aber eine Sache regt ihn auf. Er ärgert sich, dass die westdeutsch geprägte Mehrheitsgesellschaft gern behauptet, die AfD ziehe vor allem bei den sozial Abgehängten. „Völlig falsch“, sagt er. „Die AfD hat hier eine Wählerbasis von 25 Prozent. Das sind doch nicht alles dumme Verlierer.“ Das gehe bis weit in die bürgerlichen Schichten hinein. „Es geht um eine breite Unzufriedenheit mit der Politik im fernen Berlin“, sagt er und macht bewusst eine Pause „Ich kenne auch Leute aus der Stadtverwaltung, die darüber nur den Kopf schütteln. Leute, die AfD wählen und es hinterher verschweigen.“ Er legt die Stirn in Falten und macht wieder eine Pause: „Wie sonst ist es zu erklären, dass die AfD bei der Kommunalwahl 2019 hier in allen vier Wahlbezirken stärkste Partei wurde, nicht nur in den Plattenbauvierteln.“

Zum Abschied sagt er noch, dass er wohl oder übel den SPD-Kandidaten wählen werde und nicht seinen früheren Parteifreund von der AfD. „Den würde ich nicht zum früheren bürgerlichen Block zählen“, sagt er. „Es wäre für den Ruf der Stadt sehr schlecht, wenn die AfD gewinnt.“

Der AfD-Mann ist gegen den Kohleausstieg

Das ist ein Hauptargument des Anti-AfD-Blocks: Die Lausitzer Kohleregion steht mit dem vom Bund beschlossenen Kohleausstieg vor der Schließung der Gruben und Kraftwerke. Wenn da ein AfD-Mann Oberbürgermeister ist, werde es schwerer mit der milliardenschweren Unterstützung vom Bund und vom Land.

Diesen Vorwurf kennt auch Lars Schieske, der AfD-Kandidat. Zum Transformationsprozess nach dem geplanten Kohleausstieg sagt er: „Wir wollen uns doch gar nicht transformieren lassen. Wir wollen uns nicht anpassen.“ Die Grundlast bei der Energieerzeugung könne noch nicht aus regenerativen Quellen gedeckt werden. „Das können nur Kohle, Kernkraft und russisches Öl und Gas“, sagt der 45-Jährige. Wenn es nach der AfD ginge, würden die Kraftwerke weiterlaufen. „Und wenn wir die Wahl gewinnen, heißt das, dass auch die Mehrheit der Cottbuser den Kohleausstieg nicht will.“

Lars Schieske von der AfD ist hauptberuflich Feuerwehrmann, sitzt derzeit aber als Abgeordneter  im Potsdamer Landtag und will nun Oberbürgermeister in Cottbus werden.
Lars Schieske von der AfD ist hauptberuflich Feuerwehrmann, sitzt derzeit aber als Abgeordneter im Potsdamer Landtag und will nun Oberbürgermeister in Cottbus werden.Benjamin Pritzkuleit

Höflich, gut gekleidet, sportlich: Das ist das, was an Lars Schieske auffällt. Der Feuerwehrmann ist sichtlich stolz auf seine schlanke Figur. Bei der Landtagswahl 2019 gewann er in Cottbus ein Direktmandat für das Parlament in Potsdam. Sein Büro ist in einer Seitenstraße der „Sprem“, der Haupteinkaufsmeile. An den Wänden hängen viele Plakate in AfD-Blau und Bilder der „Germania“ mit Schwert und Schild.

In Videos im Internet trägt Schieske Shirts mit der Aufschrift „Deutscher Freidenker“. Ein anderes zeigt einen stilisierten Wolf. Das Shirt wird angeblich von einer militanten Gruppe vertrieben. Er selbst sagt, dass er nicht extremistisch sei, sondern ein ehemaliger CDU-Wähler. Er findet auch die Unterscheidung in Links und Rechts falsch.

Er redet lieber über Lokalpolitik. Etwa, dass die Region große Hoffnungen in das neue ICE-Werk mit 1200 Jobs setzt. Er selbst hat einst im Bahnwerk seine Lehre gemacht, wurde aber – so wie fast alle Lehrlinge – nicht übernommen. Damals galt das Werk nicht mehr als wichtig, sagt er. „Ich kenne den Frust der Lausitzer, die ebenfalls ihre Arbeit verloren haben. Da wurde viel kaputt gemacht.“

Erst jetzt werde wieder groß investiert in das Werk, um den Cottbusern den Kohleausstieg schmackhaft zu machen. Er holt sein Handy aus der Hosentasche und zeigt eine Meldung des RBB: „ICE-Strecke zwischen Berlin und Cottbus offenbar vom Tisch.“ Er sagt: „Wir haben hier bald ein ICE-Werk ohne ICE-Strecke. Absurd.��� Solche Entscheidungen von denen da oben würden hier unten für Frust sorgen. Er steckt das Handy wieder ein und sagt: „Wenn die anderen das alles nicht falsch machen würden, müsste es uns nicht geben.“

„Das Wohnzimmer der Stadt“

Schieske steht für die Angst vor Veränderungen und vor dem nächsten großen Bruch. Schon einmal gingen zehntausende Jobs in den Lausitzer Gruben und Kraftwerken verloren. Die große De-Industrialisierung nach dem Ende der DDR traf die Lausitz hart. Cottbus war vor dem Kohle-Boom eine typische mittelgroße Stadt mit knapp 40.000 Einwohnern. In der DDR waren die Kohlejobs gut bezahlt. Für immer mehr Arbeiter wurden immer neue Plattenbauviertel gebaut, so dass sich die Einwohnerzahl bis 1989 verdreifachte. Dann der Mauerfall und die große Euphorie, gefolgt vom Absturz. Die große Depression war mit einem massiven Aderlass verbunden.

Tobias Schick von der SPD war früher Leistungssportler und ist nun Geschäftsführer des Sportbundes in Cottbus. Er will die OB-Wahl gewinnen.
Tobias Schick von der SPD war früher Leistungssportler und ist nun Geschäftsführer des Sportbundes in Cottbus. Er will die OB-Wahl gewinnen.Benjamin Pritzkuleit

Das sieht auch SPD-Kandidat Tobias Schick so. „Auf der Suche nach Arbeit sind massenhaft junge Menschen aus der Lausitz weggegangen“, sagt der 41-Jährige. Er erzählt von alten Cottbusern, deren Kinder und Enkel ganz weit entfernt wohnen. „Die haben Angst, dass sich nun wieder so viel verändert“, sagt er. „Deshalb sollen und müssen die Veränderungen klare Vorteile für die Menschen bringen.“

Er kennt noch einen Grund, warum die Region konservativer geprägt ist. Er zeigt auf die blauen Schilder, auf denen die Straßennamen zweisprachig sind. „Unsere sorbisch-wendische Tradition“, sagt er. „Darauf sind die Lausitzer stolz, und wer Traditionen mag und etwas bewahren will, hat klare Anknüpfungspunkte zum Konservatismus.“

Cleverer Wahlkampf

Die Botschaft von Tobias Schick ist der Optimismus. Deshalb hat er sich diesen Platz für das Treffen ausgesucht: den Altmarkt, den schönen Platz im Herzen der Lausitzmetropole. Er sieht gar nicht so richtig nach Lausitz aus, sondern wie ein Platz in einer böhmischen Stadt: tolle alte Häuser, kleine Läden, Cafés, Restaurants, alles in wohlabgestimmten Pastellfarben und wunderbar saniert. „Das ist das Wohnzimmer der Stadt“, sagt er. „Darauf sind die Cottbuser stolz.“

Schick führt einen cleveren Wahlkampf – einen recht personalisierten Wahlkampf. Auf den neuen Großplakaten krempelt er zum Slogan „Ärmel hochkrempeln“ die Ärmel hoch. Die weißen Buchstaben auf rotem Grund sind das einzige, das verraten könnte, dass er für die SPD antritt. Das Kürzel seiner Partei fehlt. Schick macht Wahlkampf für Schick, präsentiert sich als Kandidat für alle, nicht als Parteisoldat.

„Das Wohnzimmer der Stadt“ - so wird der Altmarkt von Cottbus von einigen auch genannt.
„Das Wohnzimmer der Stadt“ - so wird der Altmarkt von Cottbus von einigen auch genannt.Benjamin Pritzkuleit

Er ist ein moderater Typ, freundlich, wortgewandt. Der gebürtige Ludwigsfelder kam als 15-Jähriger an die hiesige Sportschule, war Hürdenläufer und ist nun Chef des Cottbuser Sportbundes. Er ist gut vernetzt, kennt alle Politiker. Zuletzt hat ihm eine wichtige Sache an der Rathausspitze gefehlt: klare Kante zeigen, wenn Neonazis oder der Verein „Zukunft Heimat“ wieder zu Demos aufrufen. Sein Argument gegen die AfD: „Die beschreiben nur die Probleme, haben aber keine mehrheitsfähigen Lösungen.“

Inzwischen steht der große Anti-AfD-Block: Vertreter von CDU, FDP, Grünen und Linken haben Schick die Unterstützung zugesagt. Aber der Ausgang der Wahl ist offener, als es den Anschein hat. Denn meist ist die Beteiligung im zweiten Wahlgang geringer. Das ist ein Vorteil für die AfD, die eine Stammwählerschaft hat, die auch wählen geht. AfD-Mann Schieske setzt darauf, dass viele von den 10.000 CDU-Wählern aus dem ersten Wahlgang nicht ins linke Lager wechseln wollen. Und die AfD will an die Nichtwähler ran. Das waren immerhin 47 Prozent.

Auf die Frage, wo sein mögliches Amtszimmer ist, zeigt SPD-Mann Schick auf ein Fenster am Rathaus. Doch er sagt sofort, dass die Wahl erst mal gewonnen werden muss. „Wir müssen den frischen Wind aus dem ersten Wahlgang mitnehmen und unsere Wähler motivieren. Sonst wird die Sache enger, als sie rechnerisch aussieht“, sagt er. Aber er hat Vertrauen in seine Cottbuser: „Sie haben die Eigenschaft, erstmal zu maulen, dann aber doch zu machen.“

Nun muss Tobias Schick aber los. Er fährt in den nahen Spreewald. Wohl die letzten paar Stunden ohne Wahlkampf.