Offenhaltung des Flughafens: 161.600 Tegel-Fans dringend gesucht
Berlin - Zufrieden wirkte Sebastian Czaja nicht gerade. „Es muss noch viel passieren, damit wir unser Ziel erreichen“, sagte der Generalsekretär der Berliner FDP am Mittwoch. Von einem Erfolg ist das Volksbegehren für den Weiterbetrieb des Flughafens Tegel noch weit entfernt. Im ersten Monat sind rund 12.400 Unterschriften bei der Landesabstimmungsleiterin eingegangen, teilte deren Sprecher Geert Baasen mit. Damit das Plebiszit gelingt, sind aber 174.000 gültige Unterschriften erforderlich. Bis zum 20. März ist Zeit.
Tegel – der Flughafen der Herzen, trotz BER unverzichtbar für diese Stadt. Wer das Thema anspricht, hat den Eindruck, dass in Berlin viele Menschen so denken. Deshalb ging die von der FDP mitgetragene Initiative „Berlin braucht Tegel“ optimistisch ans Werk, als sie am 21. November damit begann, Unterschriften für ihr Volksbegehren zu sammeln. Doch jetzt zeigt sich, dass sie noch einen weiten Weg zurücklegen muss, um einen Erfolg zu erzielen. Ist der Rückhalt für Tegel doch nicht so groß, wie es zu sein scheint?
„Jede Kampagne hat eine Anlaufphase“, erklärte Sebastian Czaja. Auch die Tegel-Kampagne brauchte Zeit, um bekannt zu werden und die nötige Infrastruktur zu entwickeln. Inzwischen gebe es immer mehr Einzelhändler und Gewerbetreibende, die in ihren Räumen Unterschriftenlisten auslegen. „Von Bäckereigeschäften über Sportstudios bis zu Diskotheken“, so der FDP-Politiker. Auch auf Weihnachtsmärkten können Tegel-Fans unterschreiben, zum Beispiel am Schloss Charlottenburg und am Alexanderplatz.
Monika Grütters soll sammeln
„Wir stoßen allerdings auch auf Barrieren – bei den Bezirksämtern“, sagte Czaja. Die Bezirke dürften entscheiden, in welchen Einrichtungen Listen ausgelegt werden. „In Berlin gibt es 50 Bürgerämter, doch nur in 31 Bürgerämtern liegen Listen aus“, berichtete Helmut Metzner, Leiter der FDP-Landesgeschäftsstelle.
Es gebe prominente Bezirksgebäude ohne Auslegungsstelle – etwa das Charlottenburger Rathaus. „Aus Pankow wurde uns berichtet, dass im Rathaus der Raum mit den Listen verschlossen ist und dass man vom Pförtner einen Schlüssel holen muss“, so Metzner. Beschwerden gebe es auch darüber, dass der Weg zu den Unterschriftenlisten zum Teil schlecht ausgeschildert sei.
Listen, in die sich einige tausend Unterstützer eingetragen haben, seien allerdings noch nicht eingereicht worden, sagte Metzner. Mit einer Kampagne, die im Januar 2017 beginnt, will die FDP die Tegel-Fans nun noch stärker aufrütteln.
Sebastian Czaja forderte die CDU auf, ebenfalls Unterschriften für das Volksbegehren beizusteuern. Wenn die Christdemokraten ihre „halbe Rolle rückwärts für Tegel“ ernst nähmen, müssten sie ihre Landesvorsitzende und andere Prominenz zum Sammeln nach draußen schicken. „Die CDU muss Farbe bekennen. Monika Grütters würde ich gern auf der Straße am Stand sehen“, sagte Czaja. Wie berichtet hat sich die CDU, die bislang die Schließung Tegels unterstützt hatte, für die Offenhaltung des Flughafens ausgesprochen – zumindest für den Regierungsverkehr und für Geschäftsflugzeuge. Das reiche allerdings nicht aus: „Auch der Verkehrsflughafen Tegel muss bleiben.“
„Vergeudung von Steuergeldern“
Wie berichtet zeichnet sich aber ab, dass nicht einmal der Regierungsflughafen Tegel-Nord weiter betrieben wird. Nachdem sich der Bund, Berlin und die Flughafengesellschaft zu dem Thema geeinigt haben, kann der Bau des geplanten provisorischen Regierungsterminals in Schönefeld Anfang 2017 beginnen. Dort könnte der Betrieb Mitte 2018 beginnen und Tegel-Nord schließen – wie dies für den übrigen Flughafen Tegel geplant ist.
Es gibt auch Berliner, die sich für die baldige Stilllegung der Lärmquelle Tegel einsetzen. Zu ihnen gehört die Initiative gegen das Luftkreuz auf Stadtflughäfen. Deren Sprecher Rolf-Roland Bley kritisierte das Plebiszit. „Das Vorgehen der FDP mit dem Verein ,Pro Tegel’ stellt einen Missbrauch demokratischer Rechte dar und bedeutet zudem sinnlose Vergeudung von Steuergeldern, verbunden mit zusätzlicher Belastung der Verwaltungen.“
Bley sprach von „Lärmterror“. Viele Tegel-Fans wüssten nicht, was es bedeute, „Tag und Nacht dem die Gesundheit schädigenden Lärm und dem Dreck machtlos ausgesetzt zu sein“, so der Staakener. Rechtlich sei das Schicksal ohnehin besiegelt: Das Areal sei rechtskräftig entwidmet worden. Sechs Monate nach der Inbetriebnahme der beiden Startbahnen am BER dürfe es nicht mehr als Flughafen genutzt werden.
Helmut Metzner sieht dagegen Ansätze einer Bürgerbewegung für den Weiterbetrieb. „Unser Briefkasten ist voll. Jeden Tag kommen weitere Unterschriftenlisten an.“ Menschen, die keine wahlberechtigten Berliner sind und deshalb das Volksbegehren nicht unterstützen dürfen, äußerten Sympathie. Auch in den USA gebe es Tegel-Fans.