Draußen Beton-Platte, drinnen Holz-Gemütlichkeit: Neugierig mischte ich mich bei der Trachtennacht im Hofbräuhaus unters Publikum. Mitten im eher schlampig-lässigen Berlin mit Vorliebe für Schwarz-in-Schwarz solch laute Begeisterung für bunte Trachtenkleidung. Wie kommt’s, fragte ich.
Auf dem Laufsteg tanzen Models in Dirndls in den Trendfarben
Zuerst das Ehepaar Mitte 70 aus Prenzlauer Berg, er in sichtlich gern oft getragenen Lederhosen mit Latz und H-Träger, sie steckt im stilvollen Dirndl, grau-blaue Schattierungen, edler Stoff. „Moiré“, erklärt mir die Seniorin mit dem flottem silbergrauem Kurzhaarschnitt. Sie kennt sich aus, war zu DDR-Zeiten im hochpreisigen Exquisit Verkäuferin, gleich nach der Wende wechselte sie an den vornehmen Kudamm. „Angefangen hat es mit Lodenmänteln“, erzählt sie. „Diesen bayerischen Look fanden wir schon lange schick.“ Vor fünf Jahren ihr erstes Dirndl, drei hat sie inzwischen, mehrere hundert Euro lässt sie sich eins kosten. „Mein Mann ließ nicht locker, er findet das Kleidungsstück so herrlich weiblich.“ Sie meint: „Das Dirndl macht jede Frau schön.“ Der Gatte lächelt, hebt die Maß Bier zur Bestätigung.
Auf dem Laufsteg tanzen die Models in der neuen Kollektion voll trendiger Pastellfarben mit Seidenschürzen, zarten Spitzenblüschen und top angesagtem V-Ausschnitt. An einem anderen Holztisch sitzen fröhliche sechs, auf der Autobahn 45 Minuten aus dem Havelland nach Mitte gedüst. Drei Dirndl, drei Buam um die 30, Eltern kleiner Kinder. Freunde mit Freude an der Tracht. Der Run auf die nimmt in Deutschland zu, die Nachfrage hat sich alleine im vergangenen Jahr verdreifacht, ermittelte die Mode-Suchplattform Lyst. So erging es auch den sechs. Jessica, tagsüber im Büro tätig, sieht fabelhaft aus in kurzer Lederhose, ihr Mann Marcus, Meister im Stahlwerk, wie ein Show-Star in der grünen Weste.
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„Wir fahren seit rund 15 Jahren regelmäßig zu Oktoberfesten nach München und im Umland, da hat man so viel Spaß.“ Alles passt perfekt und zuhause hängen noch viele andere Trachten-Teile im Schrank, damit sie stets gut zurechtgemacht sind. Sie feiern gerne, aber nicht bis zum Abwinken. „Die positive Stimmung zieht uns an“, sagt Arzthelferin Stefanie.
Und was trug ich? Rot-blaues Dirndl für 19,90 Euro vom Second-Hand-Shop in der Schönhauser Allee (Prenzlauer Berg). War lustig, mal ganz anders auszuschauen.