Berlin - Musik schallt über den Bürgersteig an der Osloer Straße in Gesundbrunnen. Bereits 300 Meter bevor man die Flüchtlingsunterkunft in einer Turnhalle des Oberstufenzentrums für Kommunikations-, Informations- und Medientechnik erreicht, hört man sie. „Wir wollen hier raus“, skandieren Frauen, Männer, Kinder. Sie halten Schilder hoch. Darauf kann man lesen, was sie von ihrer Unterkunft in einer Berliner Turnhalle halten: rein gar nichts. Am Donnerstag unternahmen sie einen symbolischen Ausbruchsversuch und demonstrierten vor ihrer Unterkunft.
Die Situation der Flüchtlinge in den Berliner Turnhallen wird zunehmend prekärer. Irgendwann im vergangenen Jahr, als die ersten Sporthallen beschlagnahmt und in Notunterkünfte für Flüchtlinge umgewandelt wurden, hatte es geheißen, maximal sechs Tage müssten die Menschen so leben.
Massentierhaltung
Bett an Bett in einer Halle, die für den Sportunterricht gebaut wurde, nicht aber als Wohnraum für Menschen. Die Zeit, die die Geflüchteten einen Zustand ertragen müssen, der deutlich an Massentierhaltung erinnert, wurde dann einfach immer weiter verlängert.
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„Wir sind seit 13 Monaten im Lager“, heißt es auf einem der Schilder an der Osloer Straße. In einer Turnhalle mit 150 Menschen habe niemand Privatsphäre. Kinder könnten keine Hausaufgaben machen. Viele Bewohner hätten psychische Probleme, manche Depressionen, könnten nicht mehr essen und schlafen. Immer öfter erlitten Bewohner Panikattacken, hätten Hautausschläge, Haarausfall. Es sei unmöglich, weiter so zu leben, ruft eine kleine, ältere Frau ins Mikrofon, „ich bitte, bei Gott, gebt uns etwas besseres.“
50 Menschen ohne eine einzige Trennwand
In der Menge vor dem Tor steht Fattouh Il-Hab aus Syrien. Er ist 29 Jahre alt und einer der Bewohner in dieser Halle. Er ist seit neuneinhalb Monaten in Berlin, erst in einer anderen Halle, jetzt hier. Aber bevor er wirklich ausführen kann, wie es ist mit 150 Menschen, darunter acht Familien mit vielen Kindern ohne eine einzige Trennwand, mischt sich ein anderer Mann ein. Er kommt aus dem Irak und es drängt ihn ganz offensichtlich, die Zustände zu beschreiben. „Um 23 Uhr geht das Licht aus, dann gibt es nichts mehr, nichts zu trinken, kein WLAN, gar nichts. Ich kann nicht schlafen vor eins, um fünf Uhr bin ich wieder wach. Niemand darf uns besuchen. Es ist wie in einem Käfig. Immer nur warten“, sagt er.
Die Notunterbringung von Geflüchteten in den Berliner Turnhallen sollte eigentlich in diesen Tagen zu Ende gehen. Bis Jahresende, so hatte es monatelang aus der Senatssozialverwaltung geheißen, würden die Menschen aus den Hallen aus- und in reguläre Gemeinschaftsunterkünfte umziehen. Weil es aber Probleme mit der Vergabe an Betreiber dieser neu erbauten Heime gibt, stehen zahlreiche Unterkünfte leer und 3000 Menschen wohnen noch immer in Turnhallen. Manche darunter leben seit über einem Jahr in einer Halle. Der Senat sucht derzeit nach einer Lösung.