Pappeln für die Heizung: Vattenfall verfeuert Holz und nennt dies klimaneutral

Der Berliner Fernwärmeversorger zieht auf 2000 Hektar Biomasse heran, die künftig auch Kohle ersetzen soll. Die Holzverbrennung ist jedoch nicht unumstritten.

Frisch geerntet: Pappelholz aus Stolzenhagen.
Frisch geerntet: Pappelholz aus Stolzenhagen.Jochen Knoblach/Berliner Zeitung

Als Vattenfall vor einem knappen Jahr nach Ersatz für russische Kohle suchte, die bis dahin in den Berliner Kraftwerken Reuter-West und Moabit verfeuert wurde, war man noch auf Lieferanten von der Südhalbkugel angewiesen. Seitdem verfeuert der schwedische Energiekonzern hier vorzugsweise südafrikanische Steinkohle. Wird in absehbarer Zeit auch diese ersetzt, dürften die Lieferwege deutlich kürzer ausfallen.

In Stolzenhagen jedenfalls, einem Ortsteil des nördlich von Berlin gelegenen Wandlitz, wächst der Kohleersatz bereits jetzt aus dem Boden: Pappeln, die mit acht bis zehn Metern Höhe erntereif sind, dann geschnitten und gehäckselt werden, um im nur 30 Kilometer entfernten Biomasse-Heizkraftwerk im Märkischen Viertel Strom und Wärme zu gewinnen.

Die Stolzenhagener Pappel-Plantage ist eine von vielen, auf denen Vattenfall Biomasse für die Verfeuerung in seinen Kraftwerken heranzieht. Auf insgesamt 2000 Hektar Fläche, davon vier Fünftel in Brandenburg und ein Fünftel in Polen, werden vor allem Pappelbestände aufgeforstet. Vattenfall ist nie der Besitzer des Bodens, sondern allenfalls Pächter. In jedem Fall werden die Flächen von regionalen Landwirten bewirtschaftet.

Dass Holz als Brennstoff tatsächlich klimaneutral ist, steht für Jan Grundmann außer Frage. Bei der Verfeuerung gerade abgeholzter Bäume werde schließlich nur das Kohlendioxid freigesetzt, das die Bäume zuvor aus der Atmosphäre aufgenommen haben, erklärt der Chef des konzerneigenen Biomasse-Erzeugers Vattenfall Energy Crops. Mit dem Verbrennen fossiler Brennstoffe hole man dagegen vor Millionen von Jahren gebundenes Kohlendioxid in die Neuzeit. Für Grundmann ist damit klar: „Einen besseren Brennstoff gibt es nicht“, sagt der promovierte Landwirt und macht dann doch noch eine Einschränkung. „Nur grüner Wasserstoff, mit Wind- oder Sonnenenergie gewonnen, ist noch besser.“

Jan Grundmann, Chef von Vattenfall Energy Crops
Jan Grundmann, Chef von Vattenfall Energy CropsJochen Knoblach/Berliner Zeitung

Darüber hinaus sei der ökologische Fußabdruck durch die kurzen Transportwege und die Produktion vor Ort „äußerst gering“. Vattenfall beziffert den Anteil fossiler Energien am fertigen brandenburgischen Pappelschrot zum Beispiel durch den Transport mit „lediglich sechs Prozent“, während sonst bei Holz als Biomasse-Brennstoff 20 Prozent üblich seien.

Das Energiewäldchen bei Wandlitz hat eine Größe von etwa 16 Hektar. Auf einem Hektar können laut Grundmann im Jahr etwa zehn Tonnen Pappelholz geerntet werden. Wegen der anhaltenden Trockenheit im vergangenen Sommer erwartet Grundmann allerdings in diesem Jahr eine geringere Ausbeute. Eine Tonne Pappelholz würde aber genügen, um fünf Megawattstunden Wärmeenergie oder Strom zu erzeugen. Da Vattenfall in diesem Jahr insgesamt 20.000 Tonnen Pappelholz ernten und verfeuern will, wird damit eine Energiemenge von 100.000 Megawattstunden entstehen, mit der mehr als 13.000 Durchschnittshaushalte in Berlin mit Wärme versorgt werden könnten.

Pappel-Ernte
Pappel-ErnteVattenfall

Aber dabei soll es nicht bleiben. Vattenfall will den Einsatz von Biomasse bei der Energieerzeugung ausbauen. Derzeit erzeugt die Berliner Tochter des schwedischen Konzerns etwa drei Viertel des Stroms und der Wärme aus Erdgas sowie zu 15 Prozent aus Steinkohle. Erneuerbare Energiequellen haben dagegen einen Anteil von gerade einmal acht Prozent. Da Vattenfall aber bis 2030 aus der Kohle ausgestiegen sein will, muss diese durch grüne Energie ersetzt werden. Deren Anteil soll auf etwa 25 Prozent wachsen. Holz soll dabei eine wichtige Rolle spielen.

Bevor Vattenfall im vorigen Frühjahr verkündet hatte, sich vom Berliner Fernwärme-Geschäft trennen zu wollen, war noch der Ausbau der Holzverbrennung auf 450.000 Tonnen pro Jahr angedacht. Heute will man sich dort nicht näher auf einen Holzanteil festlegen. Es werde aber bereits diskutiert, die Steinkohlekraftwerke Reuter-West und  Moabit sowie das frühere Braunkohlekraftwerk Klingenberg auf die Holzverbrennung umzustellen.

Allerdings ist die Verbrennung von Holz alles andere als unumstritten. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass es für das Klima schädlicher ist, Waldholz zu verheizen, als weiter Kohle zu verbrennen“, sagt Michaela Kruse, Expertin für Energie und Kohleausstieg beim Naturschutzbund Deutschland. Die Holzverbrennung sei nur auf dem Papier klimaneutral. Außerdem sollte Holz generell nicht direkt verbrannt, sondern möglichst stofflich genutzt werden, zumal sich auf der gleichen Fläche mit Wind- und Solarenergie ein Vielfaches der Energie erzeugen ließe.

Auch für David Fritsch, Fachreferent für Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe, ist die Sache eindeutig: „Eigens zur Energieproduktion angebaute Pflanzen und eine industrielle Holzverbrennung in Großkraftwerken verschärfen die Klima- und Artenkrise, statt sie zu lindern“, sagt er. Eine Umrüstung bestehender Kohlekraftwerke auf Holzverbrennung dürfe es deshalb nicht geben.

Laut einer Studie von Trinomics wurde die energetische Holznutzung in deutschen Kraftwerken im Jahr 2021 mit insgesamt 1,7 Milliarden Euro subventioniert. Wie bei Vattenfall Fernwärme Berlin auf Nachfrage zu erfahren war, habe man lediglich Förderungen für den Einsatz erneuerbarer Energien erhalten. Die Holzverbrennung gilt in der EU allerdings als erneuerbare Energiegewinnung.