Persönliche Briefe: Erich Honecker gefiel sich als Chef-Charmeur der DDR

Das Privatleben des Genossen Generalsekretärs war in der DDR tabu. Die Tatsache, dass Erich Honecker (1912–1994) dreimal verheiratet war und zwei Töchter hatte, spielte offiziell keine Rolle. Seine vielen Ehen, so lässt sich vermuten, taugten nicht als Vorbild sozialistischer Moral. Allerdings kursierten in der Bevölkerung immer wieder Gerüchte, der Staats- und Parteichef sei dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan gewesen.

Dass Honecker mit Frauen tatsächlich guten Umgang pflegen konnte, zeigen nun gerade aufgetauchte Briefe. Oft sehr liebevolle Zeilen, die er einer glühenden Verehrerin aus dem Westen schrieb, als er 1992/93 in der Moabiter Haftanstalt einsaß. Diese Dokumente werden nun, wie berichtet, von ihrer Empfängerin in dem Buch „Liebe Eva“ (Edition Ost) veröffentlicht.

Gymnasial-Lehrerin Eva Ruppert (84) aus Hessen ist diejenige, die die Briefe bekam. Von ihr erfahren wir jetzt, dass Honecker einen großen Reiz auf sie ausübte, als Politiker und als Mann.

Der verehrte Staatsmann

Jahre vor dem Mauerfall hegte die verheiratete Frau bereits den Wunsch, den Staatsmann zu treffen, den sie nur von Bildern und aus dem Fernsehen kannte. „Ich habe die DDR oft besucht. Für mich war sie ein gerechter Staat, es gab keine Klassenunterschiede, keine Arbeitslosigkeit“, sagte Ruppert der Berliner Zeitung. „Für das alles stand für mich auch Erich Honecker. Ich wollte ihn kennenlernen.“

Die Zuneigung für diesen Mann war so groß, dass Ruppert 1992 sogar nach Moskau reiste, um Honecker zu besuchen, der dort vor seiner Auslieferung nach Deutschland in einem Krankenhaus lag. Das Vorhaben scheiterte. Aber im Sommer 1992, als Honecker bereits im Berliner Gefängnis einsaß, durfte sie als Mitglied eines Solidaritätskomitees zu seinem 80. Geburtstag zu ihm. „Ich war sehr aufgeregt“, schilderte Ruppert die erste Begegnung.

„Insgesamt besuchte ich Erich Honecker fünf- bis sechsmal im Gefängnis. Es war etwas Besonderes, sich mit ihm zu unterhalten. Es bestand eine gegenseitige Sympathie. Es war, als hätte man sich schon ewig gekannt. In den Gesprächen mit Honecker erlebte ich den Menschen, der hinter dem Staatsmann steckte. Ich war von seiner aufrechten Haltung sehr angetan.“

Romanze beginnt in einem Gefängnis

Eine ungewöhnliche Brief-Beziehung begann: Honecker suchte die Nähe zu Ruppert, die diese  erwiderte: „In meinen Briefen möchte ich Dir nah sein, so wie Du mir in den Deinen“, schreibt sie. Die veröffentlichten Briefe sind ein Anlass, Honeckers Beziehungen zu den Frauen noch einmal zu betrachten.

Auch Honeckers erste dokumentierte Romanze begann in einem Gefängnis. Das war 1944. Honecker, den die Nazis 1937 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt hatten, wurde in jenem Jahr  als Mitglied einer Baukolonne vom Zuchthaus Brandenburg-Görden in das Berliner Frauengefängnis Barnimstraße verlegt. Dort verliebte er sich in seine neun Jahre ältere  Gefängniswärterin:  Charlotte Schanuel.

Die Nationalsozialistin und der Kommunist: Sie rettete Honecker sogar das Leben, als er im März 1945 bei einem Arbeitseinsatz floh. Die Flucht bedeutete für ihn den sicheren Tod, denn Honecker fand kein Versteck. Er musste zurück ins Gefängnis. Seine Wärterin half dank ihrer guten Beziehungen zu den Nazis bei der Rückkehr, sorgte dafür, dass die Flucht für Honecker ohne Folgen blieb. 1946 gaben sich Charlotte und Erich das Ja-Wort. Zwei Jahre später starb seine erste Frau.

„Es frisst wie Feuer in ihm“

Treu war Honecker seiner Charlotte offenbar nicht. Noch verheiratet, fing er als FDJ-Chef 1947 auf einer Moskau-Reise ein Verhältnis mit seiner Stellvertreterin Edith Baumann (1909–1973) an. In einem Interview sagte Honecker 1990: „Ich war damals sehr anlehnungsbedürftig. Wir haben oft zusammen gesessen, auch bei ihr zu Hause in Mühlenbeck. Außerdem konnte sie flott Schreibmaschine schreiben.“ Für Baumann war Honecker die große Liebe. 1949 wurde sie schwanger. Doch 1950, als das Paar heiratete, Tochter Erika zur Welt kam, betrog Honecker seine Ehefrau bereits.

Die Vorsitzende der Pionier-Organisation Margot Feist, damals 22 Jahre alt, hatte Honecker den Kopf verdreht. Auf einer Moskau-Reise 1950 kamen sie sich näher. Edith Baumann erfuhr davon. Noch im ersten Ehejahr schrieb sie in ihrer Verzweiflung an den damaligen Generalsekretär der SED Walter Ulbricht (1893–1973) einen Brief. „Es frisst wie Feuer in ihm, er kommt von dem Mädel nicht los“, beklagte sich Edith Baumann. Ulbricht solle ein Machtwort sprechen.  

Zwei Jahre später kam es zum Eklat. Margot Feist brachte Tochter Sonja zur Welt. Der Vater: Erich Honecker. Baumann reichte die Scheidung ein. 1953 heirateten Erich und Margot. Der Brief Edith Baumanns verschwand bei Stasi-Chef Erich Mielke im Panzerschrank. Das  Schreiben tauchte erst 2004 über Umwege wieder auf. Der Brief liegt nun im Bundesarchiv.