Pilotprojekt in Berlin-Wilmersdorf: Trotz Grüner Welle sehen Radfahrer rot

Heimlich, still und leise ist sie in Betrieb gegangen. Es gab keinen Pressetermin, kein Knopf wurde feierlich gedrückt. Seit dem vergangenen Jahr hat Berlin eine weitere Grüne Welle für Radfahrer: in der Uhlandstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf. Künftig soll es mehr Ampelschaltungen dieser Art geben, sagte Matthias Tang, Sprecher von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne). „Wir werden prüfen, welche Straßen in Frage kommen.“ Doch die Grüne Welle in der Uhlandstraße zeigt nicht nur, wie aufwendig solche Planungen sind. Eine Testfahrt offenbart auch, dass der Erfolg nicht immer garantiert ist.

Die Sonne scheint, es ist warm, aber nicht heiß – ideales Wetter, die Grüne Welle in der Uhlandstraße zu testen. Um den Radverkehr zu beschleunigen, wurden an fünf Ampelanlagen zwischen der Pariser und der Fechnerstraße Schaltungen angepasst. Zugrunde gelegt wurde eine Geschwindigkeit von 20 Kilometer in der Stunde – ein zügiges Tempo.

ADAC hat keine Bedenken

Die Testfahrt beginnt gegen 9 Uhr an der Kreuzung Uhlandstraße/Lietzenburger Straße. Deren Ampelanlage ist nicht einbezogen worden, das macht sich gleich bemerkbar. Wer dort bei Grün startet, muss kräftig in die Pedale steigen, damit er nicht kurz darauf an der Pariser Straße Rot sieht. Also warten, bevor der Grüne-Welle-Abschnitt beginnt.

Es geht weiter. Und tatsächlich: Die nächsten Ampeln sind den Radfahrern hold, die Grüne Welle funktioniert. Es könnte so schön sein. Doch weitere Testfahrten auf dem 1514 Meter langen Abschnitt zwischen der Lietzenburger und der Berliner Straße zeigen: Lässt sich das kalkulierte Tempo nicht halten, kann man aus der Grünen Welle hinausfliegen. Da ist der Zementlaster, der in den Hohenzollerndamm einbiegt. Wer will schon das nächste Opfer eines Abbiegeunfalls sein? Also bremsen und hinter dem Lkw bleiben – das war’s dann mit der Grünen Welle.

Die nächste Ampel wird erst bei Rot erreicht

Kaum zu fassen, wie viele große Pkw unterwegs sind. Längst nicht jeder Fahrer achtet auf Radfahrer, und oft halten Autos auf den Schutzstreifen, die nicht für sie gedacht sind. Dann heißt es bremsen, das Hindernis umfahren – und schon wieder ist der Grüne-Welle-Takt verpasst.

Dann sind da noch die anderen Radfahrer. Nicht jeder nimmt den Parksuchverkehr, das plötzliche Abbiegen, die Einparkmanöver der Autos gelassen. Ältere Radler schleichen ängstlich dahin – was Radfahrer hinter ihnen ebenfalls zum Bremsen zwingt. Ergebnis: Die nächste Ampel wird erst bei Rot erreicht.

Grüne Wellen für Radfahrer sind möglich

Auch wenn kein Schild darauf hindeutet: Die Uhlandstraße ist eine Teststrecke von deutschlandweiter Bedeutung. Das Projekt, das vom Fachgebiet Straßenplanung und Straßenbetrieb der Technischen Universität (TU) betreut wurde, steht im Nationalen Radverkehrsplan. Das Forschungsvorhaben, das von September 2015 bis November 2017 dauerte, wurde vom Bund mit 74.000 Euro gefördert. Ziel war es, Erkenntnisse zu gewinnen, die Verkehrsplanern und Politikern zur Verfügung gestellt werden sollen. Wer den Radverkehr beschleunigt, mache ihn attraktiver und fördere ihn, so die Planer. Ist die Uhlandstraße nun ein Vorbild für Deutschland?

So viel steht fest: Grüne Wellen für Radfahrer sind möglich – sie erfordern aber viel Arbeit. Viele Messungen und Berechnungen sind nötig, Ampelschaltungen umzuplanen. Auch der Autoverkehr ist zu berücksichtigen – was in der Uhlandstraße offenbar gelang, wie Jörg Becker vom ADAC bilanzierte: „Ich habe keine Veränderung feststellen können.“

ADFC vermisst Hinweisschilder

Ein weiteres Thema: „Grüne Wellen für Autos beziehen sich meist auf Geschwindigkeiten von 45 bis 55 Kilometer in der Stunde, im Radverkehr sind die Tempounterschiede größer. Unmöglich, allen Radfahrern gerecht zu werden“, so ein Planer. Als die TU-Leute in der Mühlenstraße in Friedrichshain Daten sammelten, sahen sie Radler, die mit Tempo 7 dahin schlichen, andere rasten mit Tempo 27 dahin. Die ersten beiden Grünen Wellen für Radler, die es seit 2014 in der Belziger Straße in Schöneberg gibt und die je zwei Ampeln umfassen, wurden auf 16 bis 18 Kilometer pro Stunde abgestimmt.

„Aus anderen Städten wissen wir, dass 20 Kilometer in der Stunde eine angemessene Durchschnittsgeschwindigkeit ist, bei der das gut funktioniert“, sagte Nikolas Linck vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Der Verband erarbeitet gerade ein Vorrangnetz für Radfahrer. „Für diese Straßen sollten mit höchster Priorität Grüne Wellen geprüft werden“ – wie es das geplante Mobilitätsgesetz vorschreibt.

Doch so heimlich wie in der Uhlandstraße sollten die Ampeln nicht mehr umgeschaltet werden. Linck wünscht sich Hinweisschilder: „Wer von der Grünen Welle weiß, kann den positiven Effekt auch nutzen.“