Ein Polizist kommt auf eine Gruppe Jugendlicher zu. „Guten Tag, na, was haben wir denn da in der Flasche?“ – „Oh, Herr Kommissar, das ist nur … Wasser!“ – „Dann pusten Sie mal hier hinein!“
Solche Dialoge könnten demnächst die neue Normalität werden im Monbijoupark und im James-Simon-Park. Das Bezirksamt Mitte hat ein Verbot von alkoholischen Getränken in beiden Parks zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr beschlossen. Von diesem Freitag an bis 11. September sind nur noch Bio-Zisch und Club-Mate (was anderes trinken Berliner nicht) erlaubt, zumindest dann, wenn Sie das kleine Gebiet an der Spree betreten, das nur mit viel gutem Willen als Park durchgeht.
Doch diese Gegend macht eben seit einiger Zeit immer mehr von sich reden: Vor einer Woche hatten rund 250 Menschen lautstark gefeiert, ihre Boombox in die Mitte gestellt – und offenbar ordentlich gebechert, gepichelt, gesoffen. Die Polizei nennt es höflich eine „aufgeheizte Stimmung“ und die Polenböller „Pyrotechnik“. Auch in den Wochen davor gab es Chaos, Überfälle, Schlägereien, immer wieder auch mit gefährlichen Verletzungen.
Meistgelesene Artikel
Es ist nicht ganz klar, was den Reiz dieses rund fünf Hektar großen Gebiets an der Spree im Stadtteil Mitte ausmacht: Ist es der Blick auf die Museumsinsel? Ist es die Nähe zum Hackeschen Markt? Ist es der Fernsehturm, der sich nah und fern zugleich bei jedem Selfie in den Hintergrund drängt? Auf jeden Fall gibt es für dieses kleine Gebiet jetzt eine Sonderregel, die auf den übrigen rund 90.000 Hektar Berlins nicht gilt: Hier darf nachts nicht getrunken werden.
Zunächst denkt man an die Prohibition, die Zeit zwischen 1920 und 1933, als in den USA Alkohol verboten war. Die Presse nannte es „das noble Experiment“, als der Kongress in den USA verfügte, dass jegliches Getränk mit mehr als 0,5 Prozent Alkohol verboten sei. Die Folgen dieses 13 Jahre dauernden Feldversuchs sind bis heute weltweit spürbar: Seitdem gibt es Kellerbars, internationalen Drogenschmuggel, der den Siegeszug der Mafia begründete.
Im Grunde ist der Impuls erst einmal der richtige: Es kann nicht so weitergehen. Passieren musste etwas. Aber gab es in der Runde, die sich auf dieses Verbot geeinigt hat, niemanden, der folgende Fragen stellte: Wer soll das kontrollieren? Wie soll ein nicht umzäuntes Gebiet frei von jeglichem Alkohol gehalten werden? Wie hoch sind die Strafen bei Missachtung? Ist Radler noch ok? Und: Sollen wir die Menschen bitten, in Kontrollgeräte zu pusten?
Natürlich wird sich erst am Montag im Rückblick zeigen, wie gut das Konzept funktioniert hat. Aber man muss keine Glaskugel besitzen, um auf die Idee zu kommen, dass die wenigen Jugendlichen, die Zeitung lesen und von diesem Verbot mitbekommen haben, auf den Mauerpark, das Gleisdreieck oder den Volkspark Friedrichshain ausweichen werden. Alle drei Parks hatten in den vergangenen Jahren einen Anstieg an Gewalttaten zu verzeichnen, aber sind bisher ohne ein Alkoholverbot ausgekommen. Weil es eine, Achtung, Schnapsidee ist.
In Indonesien gibt es Gegenden, die als komplett frei von Alkohol gelten – offiziell zumindest. Zum Beispiel Aceh ganz im Norden der Insel Sumatra, streng islamisch. Dort traf ich Jugendliche, die mir Schnaps anboten. „In Cola“, sagten sie, „kann Allah den Alkohol nicht erkennen.“ Und wer trotzdem ein Bier möchte, muss „Apfelsaft“ bestellen. Auf die Nachfrage, was denn wäre, wenn jemand Apfelsaft möchte, sagte der Kellner: „Das passiert nie, alle wollen Bier.“