Polizisten bei Oegeln überfahren: Polizeipräsident unterstellt dem 24-Jährigen Tötungsabsicht
Müllrose/Potsdam - Kurz vor 17 Uhr an diesem Dienstag werden die Fahnen vor dem Innenministerium in Potsdam mit Trauerflor gehisst. Kurz darauf tritt Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) vor die Presse und spricht von dem schwersten Vorfall, den es in der Geschichte der Brandenburger Polizei seit 1990 gegeben hat.
Er redet mit ernstem Gesicht von zwei Polizeibeamten, die in Ausübung ihres Dienstes getötet worden seien. 49 Jahre alt der eine, 52 Jahre alt der andere. Beide waren erfahrene Beamte, arbeiteten seit den 1990er-Jahren als Polizisten. Sie wurden bei der Fahndung nach einem 24-jährigen mutmaßlichen Mörder von dem Auto des gesuchten Mannes erfasst und getötet. Jeder von ihnen hinterlässt eine Ehefrau und drei Kinder.
Es sind brutale und furchtbare Taten, die am Dienstag die Stadt Beeskow und ihren Ortsteil Oegeln (Oder-Spree) erschüttert haben und die drei Menschen das Leben kosteten. Am Morgen ging bei der Rettungsleitstelle Oderland die Information ein, dass der 24-jährige Jan G. im Drogenrausch mit einem Auto unterwegs sei, ohne einen Führerschein zu besitzen. Der junge Mann soll, so die Information, zu seiner Oma Marianne gefahren sein, die am Dienstag ihren 79. Geburtstag feiern wollte.
Tötungsabsicht unterstellt
In dem Einfamilienhaus am Hohenwalder Weg in Müllrose kam es, so berichten es Zeugen später der Polizei, zu einem Streit zwischen Großmutter und Enkel. Es soll, so heißt es, um Geld gegangen sein.
Um 10.36 Uhr ging ein Notruf bei der Polizei ein. Marianne G. war tot in ihrem Bad gefunden worden. Sie hatte mehrere Schnittverletzungen am Hals. Das Auto der 79-jährigen Frau, ein Mittelklassewagen, fehlte. Jan G. war damit davongerast. Die Polizei leitete eine Großfahndung nach dem Enkel und mutmaßlichen Mörder ein.
„Wir hatten die Information, dass sich der Tatverdächtige womöglich nach Bayern absetzen würde“, sagt Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Ein Polizeihubschrauber habe die Einsatzkräfte am Boden bei der Fahndung nach dem roten Honda unterstützt und das Fahrzeug auf der Bundesstraße 87 entdeckt. Polizisten errichteten im Ortsteil Oegeln einen mobilen Kontrollpunkt. Sie legten einen sogenannten Stop-Stick aus, einen Nagelgürtel, mit dem bei einem Fahrzeug die Reifen zerstochen werden. Der Wagen kommt dadurch zum Stehen.
Doch Jan G. muss den Nagelgürtel auf dem Asphalt erkannt haben, er wich dem Hindernis auf der Straße aus, raste mit hoher Geschwindigkeit auf die beiden am Straßenrand stehenden Beamten zu und überrollte sie. „Die beiden Polizisten standen nach unseren Ermittlungen 2,50 bis drei Meter von der Straße entfernt und wurden von dem Fahrzeug voll erfasst“, sagt Mörke. Die Beamten seien sofort tot gewesen. „Ich unterstelle dem Tatverdächtigen eine Tötungsabsicht, so wie er mit dem Auto auf die Beamten draufgehalten hat“, sagt der Polizeipräsident.
Weitere Polizisten, die sich in einigen Metern Entfernung von dem Kontrollpunkt befanden, mussten mit ansehen, wie ihre Kollegen starben. Der Wagen von Jan G. kam etwa einhundert Meter vom Ort der Tragödie entfernt zum Stehen. „Der Mann verließ das Fahrzeug und floh ins Dorf, wo er ein weiteres Auto kaperte“, berichtet Mörke. Damit versuchte Jan G., den ihn verfolgenden Streifenwagen zu entkommen. Auf einem Waldweg verlor er die Kontrolle über den Wagen, das Fahrzeug überschlug sich und blieb in einem Schilfgürtel liegen. Dort wurde der Tatverdächtige festgenommen.
Jan G. erlitt bei dem Unfall eine offene Knochenfraktur und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Nach Auskunft des Polizeipräsidenten konnte der junge Mann noch nicht vernommen werden. Der Tatverdächtige habe auf der Flucht neben dem tödlichen Unfall drei weitere Crashs begangen. Dabei sei es bei Blechschäden geblieben.
Im Dienst erstochen
Jan G. ist der Polizei als Drogenkonsument bekannt. Offenbar nahm er Crystal Meth. Der Tatverdächtige stand nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Frankfurt (Oder) bereits wegen verschiedener Delikte vor Gericht. „Raub, Bedrohung, Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein, Diebstähle“, zählt Helmut Lange, der Leitende Oberstaatsanwalt, auf. Die Liste sei aber noch nicht vollständig. Man suche noch nach weiteren Vorstrafen, sagt Lange.
Innenminster Schröter will nun alles tun, um das Leid der Familien der beiden getöteten Polizisten zu lindern. „Aber wir können es nicht ungeschehen machen.“ Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigt sich entsetzt. „Der Tod der zwei Polizisten hat mich schwer getroffen. Ich bin schockiert. Meine Anteilnahme gilt den Angehörigen“, sagt Woidke am Dienstag. Die furchtbare Nachricht ereilte die Landesregierung während der Kabinettssitzung.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, "Die Stadt Müllrose und ihr Ortsteil Oegeln". Richtig ist aber, dass Oegeln ein Ortsteil von Beeskow ist. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.