Preisanstieg auch in Berlin: Das Gemüse ist teuer wie selten

Berlin - Gemüse-Großhändler René Noordam hatte ein Problem: In Spanien war kein Eisbergsalat zu haben. Also ließ er ihn aus Ägypten einfliegen. Das wurde teuer: Er musste die Kiste mit zehn Salatköpfen für 18 Euro verkaufen – normal sind 5 bis 6 Euro. Vitamine aus Gemüse werden zum Luxusgut.

Die Kilo-Preise für manche Sorten sind mittlerweile auf einem Niveau, als handele es sich um Paprika-Lendchen, Zucchini-Filets oder Auberginen-Steaks. Für rote Paprikaschoten zum Beispiel werden zwischen drei und sieben Euro verlangt, Zucchini liegen bei fünf Euro, Salatgurken kosten an die zwei Euro pro Stück, ebenso wie Eisbergsalat.

In den letzten Wochen nahm der Preisanstieg Fahrt auf. Für Dezember 2016 meldete das Statistische Bundesamt 9,7 Prozent Teuerung gegenüber dem Vorjahresmonat. In den ersten drei Januarwochen mussten Verbraucher laut Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI) bereits 24 Prozent mehr für Gemüse zahlen. Fruchtgemüse, zu denen auch Kürbisse und Tomaten zählen, verteuerte sich um 30, Blattsalate sogar um 37 Prozent.

Spanische Auberginen etwa kosteten Ende Januar 2016 noch 1,46 Euro pro Kilo, 2017 in der vierten Kalenderwoche 4,56 Euro, ermittelte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Laut AMI wurden für einen Eisbergsalat vor einem Jahr im Schnitt 65 Cent verlangt, derzeit gut 2 Euro. Auch Brokkoli und Zucchini kommen dieser Tage dreimal so teuer wie 2016. Der Kreuzberger Jens W., auf dem Kottbusser Damm auf Einkaufstour: „Gemüse hat sehr angezogen, locker 20 bis 30 Cent bei einigen Sorten mehr. Ich vergleiche überall in Kreuzberg und kaufe in verschiedenen Läden ein. Am konstantesten sind die Preise bei den günstigen türkischen Läden.“

So wenig Sonne wie seit 20 Jahren nicht

Auf der Fachmesse „Fruit Logistica“ erfährt man den Grund. Antonio Casallo vom spanischen Produzenten „haciendas bio“: „Wir hatten im Januar so wenig Sonne wie seit 20 Jahren, in Murcia im Januar doppelt so viel Regen wie sonst im ganzen Jahr.“ Die Gewächshäuser gingen unter. Dazu kamen Frost und Schnee. Produktionsausfall: 70 Prozent.

95 Prozent Verlust verzeichnet die Kooperative „Eurocirce“ aus der Provinz Latina bei Rom. Minus zehn Grad zerstörten die Ernte, Eis beschädigte die Gewächshäuser, was schlecht für die restliche Saison. Nello Bonaccorso von der Südfrüchte-Kooperative Rosaria am Ätna: „Der Frost kam vom Balkan, traf vor allem Apulien und Ost-Sizilien.“ Er sieht auch bei Orangen und Zitronen einen Preisanstieg kommen, rechnet mit 25 Prozent Ausfall.

Die Not ist groß: So berichten die Spanier, dass italienische und griechische Produzenten versuchen, bei ihnen einzukaufen, um ihre Verträge erfüllen zu können. Für den deutschen Verbraucher wirkt sich der Mangel aus. Denn Spanien und Italien sind Hauptlieferanten für Obst und Gemüse für den deutschen Markt. Etwa drei Viertel des hier verkauften Obstes werden importiert, bei Gemüse sind es gut 60 Prozent. Das entspricht 5,4 Millionen Tonnen Obst und 3,3 Millionen Tonnen Gemüse.

Salat- und Fruchtgemüse nicht lagerfähig

Nur zwei Prozent des frischen Paprikas gedeihen auf hiesigen Äckern, bei Salatgurken knapp zehn, bei Tomaten gut fünf Prozent. Im Winter liegen die Importanteile höher: In der vierten Kalenderwoche stammten 61,5 Prozent der im Fachjargon „Schlangengurke“ genannten Feldfrucht aus Spanien, weiß die BLE. Brokkoli, Zucchini und Co. werden zu fast 100 Prozent eingeführt.

Anders als zum Beispiel bei Kartoffeln, bei denen Einbußen durch mehrere Ernten pro Jahr und durch Lagerbestände abgemildert werden können, sind Salat- und Fruchtgemüse nicht lagerfähig und zugleich witterungsanfällig. „In diesem Segment wirken sich kurzfristige Veränderungen der Angebotsmenge unmittelbar auf das Preisniveau aus“, sagt Thomas Els von der AMI. Schlechtes Wetter am Mittelmeer gestern treibt heute die Preise in mitteleuropäischen Supermärkten.

Der Spanier Casallo wirft dem Handel aber vor, Preisänderungen nicht in jedem Fall weiterzureichen: Vor einem Jahr hätten die Preise der Produzenten bei einem Viertel der jetzigen gelegen – das hätte der Handel nicht wirklich an die Kunden weitergegeben.

Erst vom April an rechnen Marktbeobachter mit spürbar nachlassenden Preisen. Was bleibt, ist der Rückgriff auf hiesige Vitamin-Lieferanten: Weißkohl ist 24 Prozent billiger als im Januar 2016, Möhren sieben Prozent.