Probefahrt durch Berlin: Der Fahrrad-Highway wäre eine große Erleichterung
Kreuzungsfrei mit dem Fahrrad vom S-Bahnhof Zehlendorf bis zum Gleisdreieck: Möglich machen soll dies künftig ein Fahrradschnellweg entlang der alten Stammbahnstrecke parallel zur S1. Seit die Bezirksverordnetenversammlung in Tempelhof-Schöneberg für den Bau eines solchen „Multifunktionswegs“ gestimmt hat, stößt die Idee des Fahrrad-Highways auf viel Zustimmung – vor allem bei Radlern.
Auch der Senat signalisierte bereits seine Zustimmung und die CDU in Steglitz-Zehlendorf legte sogar ein eigenes Konzept vor, das diverse Service-Stationen entlang der Strecke vorsieht. CDU-Kreisvorsitzender und Berliner Justizsenator Thomas Heilmann frohlockte bei der Präsentation: „Über die Strecke wird man in Zukunft schneller am Potsdamer Platz sein als mit dem Auto.“
Doch was kann der Schnellweg den Radfahrern wirklich an Verbesserungen bringen? Um dies herauszufinden, haben wir die Strecke getestet, die der Highway nach ersten Zeitplanungen ab 2020 ersetzen könnte. Einmal Potsdamer Platz zum S-Bahnhof Zehlendorf und zurück.
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Immer geradeaus
Während Radfahrer vom Potsdamer Platz gen Südwesten künftig ihre Fahrt durch den Park am Gleisdreieck beginnen sollen, heißt die aktuelle Realität Potsdamer Straße. Dort am Schöneberger Ufer beginnt auch unsere Testfahrt. Die Route ist denkbar einfach: Es geht praktisch immer geradeaus entlang der B1 über Hauptstraße, Rheinstraße, Schlossstraße, Unter den Eichen bis auf die Berliner Straße. Erst in Zehlendorf an der Kreuzung zur Clay Allee zweigt die Strecke für die letzten 500 Meter auf den Teltower Damm ab.
Der Start an diesem Mittwochvormittag verläuft erfreulich. Auf einem gepflasterten Radweg geht es vorbei an den sich stauenden Autos auf der Potsdamer Straße. Dazu surfen auf der grünen Welle. Lediglich eine der ersten vier Ampeln ist rot. Nur ein Passant vor dem Wintergarten Varieté sorgt fast für einen Zusammenprall, weil seine Aufmerksamkeit ausschließlich seinem Handy gilt und nicht dem kreuzenden Radverkehr.
Das anfängliche Ampelglück verabschiedet sich jedoch schnell auf halben Weg durch Schöneberg. Immer wieder stoppen roten Lichtzeichen den Weg und entwickeln sich mit zunehmender Fahrtdauer zum Ärgernis. Insgesamt zwingen sie auf den zwölf Kilometern nach Zehlendorf zu 18 ungewollten Zwischenstopps. 6:50 Minuten reine Standzeit. Hinzu kommt der Zeit- und Kraftverlust durch das permanente Wiederanfahren. Zeit, die Radfahrer mit dem kreuzungsfreien Schnellweg einsparen könnten.
Hindernisse auf der Busspur
Mit dem Ampelglück gehen in Schöneberg auch die separaten Radwege verloren. Der Weg führt nun über die Busspur. Die ist breit genug, wenn nicht gerade von hinten ein Bus drängelt oder, wie nicht selten der Fall, parkende Lieferwagen und LKW die Fahrbahn versperren und zum Wechsel in die PKW-Spur zwingen.
Dort rollt pausenlos der dichte Verkehr in Richtung Außenbezirke. Entsprechend ist lauter Verkehrslärm auf der ersten Hälfte durch Schöneberg und Friedenau ein steter Begleiter. Nur einmal, vor dem Stadtbad Schöneberg, lässt der Geräuschpegel nach, eine kurze Lücke zwischen den Autos. Für wenige Sekunden sind sogar Vögel zu hören. Dann rollt schon die nächste Fahrzeugwelle auf der Hauptstraße vorbei.
Und mit ihr kommt jede Menge Gefahrenpotential. Knapp 110 Unfälle weist die Polizeistatistik 2014 für die Strecke zwischen Potsdamer Platz und Zehlendorf auf. Mehr als ein Drittel von ihnen passierten auf dem rund 2,6 Kilometer langen Abschnitt der Hauptstraße. Die führt geradewegs über den Innsbrucker Platz. Mit zehn Zusammenstößen im Jahr ist die weitläufige Kreuzung mit den Auffahrten zur A100 der größte Unfallschwerpunkt entlang der Strecke.
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Hinter dem Innsbrucker Platz geht es weiter auf der Busspur die Rheinstraße entlang, auf der ein Ordnungsamtsmitarbeiter gerade einen süddeutschen Zweite-Reihe-Parker umkreist. Vor dem Schloss-Straßen-Center wird die Situation dann unübersichtlich: Rechtsabbieger kreuzen die Busspur, die ihrerseits von Busen versperrt ist. Da bleibt nur das Einfädeln in den laufenden Verkehr.
Hinter Steglitz gibts mehr Platz
Erst hinter dem Rathaus Steglitz und der ausladenden Kreuzung am Ende der Schloßstraße lässt es sich wieder angenehm fahren. Die Strecke führt nun über die Straße „Unter den Eichen“. Der Verkehr dünnt aus, der Straßenlärm nimmt ab. Anstatt der Ladenzeilen der ersten Streckenhälfte säumen nun überwiegend reine Wohnhäuser die Straßenränder. Die Bebauung ist teilweise zurückgesetzt. Durch das Mehr an Platz gibt es nun wieder einen eigenen gepflasterten Radweg, der sich zumeist gut befahren lässt.
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Lediglich vorm Botanischen Garten verwandelt er sich kurzzeitig in einen BMX-Parcours. Das Wachstum der Bäume hat offenbar die Vorstellungskraft der Wegeplaner überflügelt, so dass sich auf dem Weg schanzenartige Hügel bilden. Sie machen ein Ausweichen auf den Fußweg unumgänglich.
Die restlichen Kilometer lassen sich zügig bewältigen. Lediglich die langwierige Ampelschaltung an der Kreuzung Clay Allee/Teltower Damm kostet noch mal zwei Minuten. Dann endet die Tour nach 50 Minuten am S-Bahnhof Zehlendorf. Dort zeugt ein Meer abgestellter Fahrräder davon, wie viele Pendler für den Weg Richtung Mitte doch lieber die Bahn nutzen.
15 bis 20 Minuten Fahrzeit sparen
Unser Fazit: Aktuell wird die direkte Route vom Potsdamer Platz zum S-Bahnhof Zehlendorf wohl kaum jemand zum Vergnügen fahren. Es gibt in Berlin zwar sicherlich gefährlichere und enervierende Strecken, doch gerade die ersten sechs Kilometer durch Schöneberg, Friedenau und Steglitz sind auch hier nervig. Zahlreiche Ampeln bremsen die Fahrt, Radwege sind nur sporadisch vorhanden und die Busspur ist immer wieder durch parkende Fahrzeuge blockiert. Hinzu kommt der permanente Verkehrslärm.
Hier könnte der Schnellweg Abhilfe schaffen. Fernab der Straße dürfte die Fahrt deutlich ruhiger von statten gehen. Durch die wegfallenden Kreuzungen würde sich zudem nicht nur das Unfallrisiko enorm reduzieren – in Berlin gab es 2014 fast 1600 Abbiegeunfälle mit Radfahrern – sondern auch die Fahrtzeit. 15 bis 20 Minuten Zeitersparnis scheinen realistisch. Ob man dadurch wirklich schneller wäre als mit dem Auto, hängt natürlich von der Verkehrslage und dem eigenen Tempo ab. Möglich wäre es aber auf jeden Fall.