Protest gegen Flugroute des BER in Berlin: Die sturen Menschen vom Müggelsee
Dass die erste Halbzeit so lange dauern würde, hatte Ralf Müller auch nicht gedacht. Drei Jahre und neun Monate dauert sie bereits an, mindestens zwei Jahre wird sie noch weitergehen. Die erste Halbzeit, das ist für Müller die erste Phase des Protests gegen die Müggelsee-Flugroute in Friedrichshagen – die Phase vor der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER, die eigentlich für Juni 2012 geplant war. An diesem Montag kommen die Friedrichshagener zum 200. Mal zur Mahnwache zusammen. Selbst in der demonstrationsfreudigen Hauptstadt gibt es nur wenige Beispiele für einen solchen Dauerprotest. „Die Motivlage hat sich nicht verändert“, sagt Ralf Müller, Sprecher der Friedrichshagener Bürgerinitiative (FBI).
Lärm als Motiv
Diese Motivlage brach im Sommer 2011 unerwartet über Friedrichshagen hinein. Bis dahin lebten die Einwohner des Köpenicker Ortsteils in dem Glauben, dass sie vom Lärm des neuen Flughafens verschont blieben. Dann jedoch veröffentlichte das Bundesamt für Flugsicherung die Routenplanung für Starts und Landungen am BER. Eine der vorgesehenen Routen überquert nun den Müggelsee und Friedrichshagen, bis zu 122 Maschinen am Tag sollen sie nutzen.
Vielleicht liegt es an Leuten wie Müller, dass der Protest am Nordufer des Müggelsees bis heute nicht verstummt ist. „Ich lasse mir nicht bieten, dass eine über Nacht aus dem Hut gezauberte Planung Bestand haben soll“, sagt er. Dabei ist der Lärm selbst für ihn nur ein Motiv. „Ich werde meine Wohnung nicht fluchtartig verlassen“, versichert er. Ihm geht es auch um Prinzipien seines Berufsstands: Müller ist selbst Planer für Großprojekte. „Umplanungen sind normal. Aber dass wie am BER keiner mehr weiß, wo vorn und hinten ist, das ist nicht normal.“
Auch Joachim Quast ist von Anfang an dabei bei den Flugrouten-Protesten, und auch er ist Architekt und zumindest im weiteren Sinne vom Fach. „Wir haben es nicht nötig, trotzig zu sein“, sagt er. Um Sachlichkeit geht es ihm bei den Protesten, auch wenn er in manche Sätze dann doch einigen Pathos legt, um seine Motive zu erklären, und zum Beispiel sagt: „Unsere Hoffnung ist, dass die Bundesrepublik als demokratischer Staat weiter existiert.“ Mit Emotionen allein hätte die Initiative nicht durchgehalten, das sei zu kräftezehrend.
Aber verändert haben sich die montäglichen Demonstrationen schon. „Es ist selten, dass jemand Neues dazustößt“, sagt Ralf Müller. Aus rund 20 Leuten bestünde der harte Kern, mehr als 50 Menschen kämen selten. An diesem Montag aber rechnen sie mit 1 000 Teilnehmern. Es wird ein Kulturprogramm und mehrere Redner von anderen Initiativen, sogar aus München und Frankfurt.
Die dortige Bürgerbewegung ist für die Friedrichshagener ein Vorbild. Auch in Frankfurt sind die Proteste nach der Eröffnung der neuen Landebahn Nordwest im Oktober 2011 nicht abgerissen, noch immer zögen regelmäßig demonstrierende Anwohner ins Terminal. Das wollen sie genau so machen am BER, wenn ihr Protest bis zur Eröffnung, die gegenwärtig für die zweite Jahreshälfte 2017 geplant ist, keine Wirkung erzielt und die Müggelsee-Flugroute tatsächlich genutzt wird. Dann wird aus Protest Widerstand, sagt Ralf Müller. Und dann beginnt die zweite Halbzeit.